KANBrief 1/10

Messanforderungen in Produktnormen

Wer viel misst, misst Mist – bei Messungen physikalischer Größen weichen die Ergebnisse immer wieder voneinander ab. In einer von der KAN in Auftrag gegebenen Studie "Messanforderungen"(pdf, nicht barrierefrei) wurde daher untersucht, inwieweit die harmonisierten Normen und Norm- Entwürfe zur Maschinen- und PSA-Richtlinie sicherheitsrelevante Anforderungen enthalten, die durch Messgrößen beschrieben werden, und ob, wo dies erforderlich ist, auch geeignete Messmethoden festgelegt sind.

Werden Messungen von unterschiedlichen Laboren durchgeführt, dann kann es – zum Beispiel bei der Ermittlung der Kennwerte der Schwingungsbelastung von handgehaltenen Maschinen nach EG-Maschinenrichtlinie – schnell zu Abweichungen von 40 bis 50 % kommen (Schenk, Th.; Gillmeister, F. (1999): Ermittlung der Mesunsicherheit bei der Anwendung von Prüfverfahren für die Schwingungsemission von handgehaltenen vibrierenden Maschinen. ISBN: 3-89701-283-9). Der Grund fur die hohen Abweichungen liegt in diesem Beispiel nicht so sehr im Einfluss der Messtechnik, sondern vielmehr in der Wahl der Ankopplungsart und des Ankopplungsortes des Schwingungsaufnehmers. Einen grosen Einfluss haben auch die Bedienpersonen mit ihrer individuellen Arbeitsweise und den hierbei aufgewendeten Bedienkräften sowie die Erfahrung und die theoretischen Kenntnisse des Messpersonals. Damit überhaupt Messdaten miteinander verglichen werden können, ist also eine genaue Beschreibung der Messmethode in den Normen zwingend notwendig.

Methodik der Studie

Im Vorfeld der Studie wurde festgelegt, welche Daten in den Normen nicht in die Analyse mit einfliesen. Hierzu zahlen Definitionen oder Begriffserklärungen, Größen, die berechnet werden, und Daten, die eine Prüfapparatur beschreiben. Daneben wurde definiert, welche Messgrößen trivial zu messen sind, das heißt nicht zwingend eine Beschreibung der Messmethoden benötigen. Beispielsweise kann bei Messgrößen wie Raumtemperatur (in °C) oder Längenmaßen (in mm oder m) davon ausgegangen werden, dass keine Messprobleme auftreten werden, solange nicht eine zu hohe Messgenauigkeit vorgegeben wird.

Ergebnisse in Stichworten

• Analysiert wurden insgesamt 941 Normen und Norm-Entwürfe aus den 54 für Maschinen und PSA zuständigen Technischen Ausschüssen (TC) von CEN und CENELEC.

• Fast 2.100 Mal wird in den untersuchten Normen die Ermittlung einer Abmessung (Abstand, Länge, Breite usw.) gefordert. Schalldruckpegel (Schallleistungspegel, Emissions- Schalldruckpegel), Kraft und Zeit (unter anderem Dauer) sind in jeweils fast 1.000 Messanforderungen zu ermitteln.

• Die Ermittlung der meisten Abmessungen und Zeitgrößen ist jedoch in der Regel als trivial anzusehen. Im Gegensatz dazu erfordern zum Beispiel Kraftmessungen und insbesondere Schalldruck- und Vibrationsmessungen eine ausführliche Beschreibung der Messmethode.

• Die Analyse der Normen hat gezeigt, dass in vielen Fällen erforderliche Messmethoden für zu ermittelnde Messgrößen nicht genannt werden bzw. Verweise auf entsprechende Normen fehlen: Dies ist zum Beispiel für die Größen Tragfähigkeit, Windgeschwindigkeit und Energie der Fall. Gravierend ist dieser Mangel insbesondere für die Messgrößen Kraft (45 % der Falle) und Geschwindigkeit (32 %), da sie sehr häufig zu bestimmen sind, und für die Messgröße Vibration, da für diese Größe die Maschinenrichtlinie neben dem Emissionswert sogar die Angabe der Messunsicherheit fördert.

Die betroffenen Normungsgremien sollten daher auf Grundlage der Studie alle nicht trivialen Messanforderungen überprüfen, für die kein oder kein geeignetes Messverfahren beschrieben oder auf ein solches verwiesen wird. Dabei wäre wünschenswert, dass künftig – wo dies notwendig ist – geeignete Messverfahren ergänzt werden bzw. auf solche verwiesen wird.

Die KAN beabsichtigt darüber hinaus, mit Unterstützung des Projektnehmers Empfehlungen zu erarbeiten, wie die Formulierung von Messanforderungen in Produktnormen sinnvoll gestaltet werden kann. Dies soll unter Berücksichtigung der Ergebnisse des ersten Projektschrittes und aufbauend auf gegebenenfalls existierenden Normungsregeln zum Beispiel in den ISO/IEC-Direktiven, der CEN/CENELEC-Geschäftsordnung oder der Normenreihe DIN 820 erfolgen. Beantwortet werden sollen insbesondere folgende Fragen:

1. In welchen Fällen ist die Beschreibung des Messverfahrens notwendig?

2. Wie sollte ein Messverfahren beschrieben sein?

3. Auf welche Weise kann die Messunsicherheit sinnvoll berücksichtigt werden?

Stephan Riedel, Frank Gillmeist
info@ergonomieexperten.de