KANBrief 1/10
Die Sicherheit von Maschinen ist eine der großen Aufgaben des Arbeitsschutzes. Auch in der Normung nimmt dieses Thema breiten Raum ein. In jüngster Zeit stellte sich die Aufgabe, das Normenwerk an die neue Maschinenrichtlinie anzupassen. KANBrief sprach mit Christoph Preuße, dem Vorsitzenden der technischen Komitees CEN/TC 114 und ISO/TC 199 „Sicherheit von Maschinen“, über aktuelle Entwicklungen.
Herr Preuße, wie bewerten Sie den Anpassungsprozess der Maschinensicherheitsnormen an die neue Maschinenrichtlinie und was sind Ihrer Meinung nach die nächsten Aufgaben der Normungsgremien?
Die sehr aufwändige Anpassung von ca. 750 Sicherheitsnormen ist dank des Engagements der Beteiligten sehr zügig und wirkungsvoll vorangekommen. Die Anpassung war überwiegend formal, wesentliche inhaltliche Änderungen standen nicht auf dem Programm. Dennoch zeigt sich, dass verschiedene Normen jetzt auch inhaltlich im Sinne der neuen Maschinenrichtlinie geändert werden müssen.
Wichtig ist, ein praxisgerechtes Normenwerk aufrecht zu erhalten und ständig zu verbessern. In einer Evaluationsphase müssen Rückschlüsse aus der Anwendung der Normen gezogen werden. Kernfragen lauten hierbei zum Beispiel „Wie kommt der Konstrukteur mit den Zusammenhängen der verschiedenen Normen zurecht?“ oder „Wie viel Engagement muss ein Hersteller von Maschinen in das Studium von Sicherheitsnormen stecken, um am Ball zu bleiben?“
In der derzeit als Entwurf vorliegenden grundlegenden Sicherheitsnorm ISO 12100 wurde dieses Konzept bereits angewandt. Nach dem rein redaktionellen Zusammenführen der drei bisherigen Sicherheits-Grundnormen (ISO 12100 Teile 1 und 2 „Grundbegriffe, allgemeine Gestaltungsleitsätze“ sowie ISO 14121 „Risikobeurteilung“) in ein einziges Dokument wird eine Phase der Evaluation folgen, bevor weitere technische Änderungen diskutiert werden.
Was versprechen Sie sich von der zukünftig engeren Zusammenarbeit mit den Ergonomiegremien von CEN und ISO?
Die Themen Sicherheit von Maschinen und Ergonomie gehören eng zusammen. Angestoßen durch die Änderungen der Maschinenrichtlinie wurde klar, dass zu diesem Zusammenhang jedoch ein großer Bedarf an Information besteht. In der Vergangenheit wurden die Themen nebeneinander betrachtet. Durch die derzeitigen Arbeiten auf europäischer und internationaler Ebene, auch dank der Initiative des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) und der KAN, wachsen beide Felder langsam aufeinander zu. Allerdings sind dafür weitere gemeinsame Anstrengungen seitens der Normungsgremien nötig.
Ein Grundstein ist mit der Liaison der Ergonomie- und Maschinenausschüsse CEN/TC 122 und CEN/TC 114 sowie ISO/TC 159 und ISO/ TC 199 gelegt. Es wird ein so genanntes „Brückenpapier“ erarbeitet, das dem Maschinenkonstrukteur hilft, die ergonomischen Anforderungen umzusetzen. Dies soll deren Akzeptanz erhöhen. Die ergonomische Gestaltung, die sich schon in der Konstruktionsphase preiswert umsetzen lässt, macht eine Maschine erst bedienbar und legt damit den Grundstein für sicheres Arbeiten. Auch Manipulationen kann so von vornherein vorgebeugt werden.
Wie sehen Sie die Verlängerung der Vermutungswirkung der EN 954-1 „Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen – Teil 1: Allgemeine Leitsätze“?
Politisch mit nachvollziehbaren, aber recht kurzsichtigen ökonomischen Aspekten begründet, wird diese Entscheidung aus meiner Sicht die europäische Normung und auch den europäischen Maschinenbau schwächen.
Eine Verlängerung der Vermutungswirkung der EN 954-1 war überflüssig, da die Nachfolgenorm EN ISO 13849-1 bereits den Vorgänger beinhaltet und Verfahren beschreibt, wie Lösungen bei Problemen generiert werden können. Auch werden aus Sicht der elektrotechnischen Schwesternorm EN IEC 62061 Schwächen beim Stand der Technik der EN 954-1 sichtbar. Mit der Verlängerung der Vermutungswirkung der EN 954-1 sollte Zeit für Unternehmen gewonnen werden, die sich spät mit der den Stand der Technik beschreibenden Nachfolgenorm EN ISO 13849-1 beschäftigt haben. Bereits jetzt wird sichtbar, dass diese Entscheidung im internationalen Maschinenbau keine Relevanz hat – ein Unternehmen, welches Maschinen mit Steuerungstechnik außerhalb Europas verkaufen möchte, wird an der internationalen Nachfolgenorm gemessen.
Maschinenbauunternehmen sollten die Chance ergreifen, auch vor Ablauf der zwei Jahre Verlängerung schnellstmöglich die Nachfolgenorm anzuwenden – im eigenen wie auch im sicherheitstechnischen Sinn eine gute Entscheidung.