KANBrief 1/10

CEN-Leitfaden zur Dienstleistungsnormung – hilfreich für den Arbeitsschutz?

CEN hat einen Leitfaden entworfen, der bei der Erstellung von Dienstleistungsnormen Anleitungen geben soll. Er wird als richtungweisend für zukünftige Dienstleistungsnormen angesehen und richtet sich an alle Akteure – nicht nur in der Normung Erfahrene –, die ein Interesse daran haben, ihre Dienstleistung zu normen. Einige in dem Leitfaden aufgeführte Punkte sind jedoch nicht mit der deutschen Arbeitsschutzposition im Einklang.

Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie 2006/ 123/EG regt die Erarbeitung von Europäischen Normen an, um die Vergleichbarkeit und Qualität von Dienstleistungen und die Information des Dienstleistungsempfängers zu verbessern. Durch diese Förderung sowie durch die Förderung dieses Sektors durch die Normungsorganisationen selbst und die europäische und nationale Politik ist eine wachsende Anzahl von Dienstleistungsnormen zu verzeichnen. Sie bilden die ganze Palette von Dienstleistungen ab, von e-Commerce über Kosmetik, Bestattung und Ingenieurwesen bis hin zu Sicherheitsanlagen. Dabei ergeben sich zwangsläufig Bezüge zu den Personen, die diese Dienstleistung erbringen. Dies bedeutet, dass möglicherweise in Dienstleistungsnormen Anforderungen an den Schutz der Dienstleistungserbringer enthalten sind. Diese sind jedoch der einzelstaatlichen Umsetzung von Arbeitsschutzrichtlinien vorbehalten und stehen mit den Grundsätzen des Gemeinsamen Deutschen Standpunkts (GDS) in Konflikt (siehe auch KAN-Brief 3/2006 (pdf, nicht barrierefrei) „Dienstleistungen – Normung und Arbeitsschutz“):

Die KAN vertritt die Position, dass Dienstleistungsnormen und damit auch der Leitfaden „Guide to preparing service standards“ sehr wohl einen Nutzen für die Qualität von Dienstleistungen haben können, zum Beispiel wenn es um die Sicherheit der Verbraucher geht. Wenn aber Anforderungen an die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Personen, die die Dienstleistung erbringen (zum Beispiel Anforderungen an das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung, die Ausstattung der Arbeitsplätze zum Schutz vor bestimmten Gefahren), formuliert werden, ist nicht mehr eine Norm als Grundlage heranzuziehen. Vielmehr muss der Dienstleistungserbringer den jeweils geltenden nationalen Arbeitsschutzregelungen nachkommen.

Der aktuell diskutierte CEN-Leitfaden ist in einigen Punkten konträr zu der Position des deutschen Arbeitsschutzes. An vielen Stellen werden ausdrücklich Bezugspunkte zum betrieblichen Arbeitsschutz erwähnt. Zum Beispiel sind Checklisten hinterlegt, die explizit nach dem betrieblichen Arbeitsschutz fragen. Auch bei den Bestandteilen von Dienstleistungen werden Arbeitsschutz und Sicherheit erwähnt. Damit wird empfohlen, Anforderungen in Dienstleistungsnormen aufzunehmen, die im Widerspruch zu Artikel 153 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ehemals Artikel 137 EG-Vertrag) stehen.

Neben der Problematik des betrieblichen Arbeitsschutzes sind in dem Leitfaden Schnittstellen zu Managementsystemen aufgeführt. Hierbei werden auch Arbeitsschutzmanagementsysteme angesprochen. Sie dienen primär der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten und sind in ihrer Anwendung grundsätzlich freiwillig. Die europäische und internationale Normung von Arbeitsschutzmanagementsystemen würde geradezu zwangslaufig zu einer Zertifizierung solcher Systeme führen und wird deshalb von den deutschen Arbeitsschutzkreisen und auch dem DIN abgelehnt.

Die nähere Betrachtung des Leitfadenentwurfs zeigt, dass er an einigen Stellen umformuliert werden muss, um klarzustellen, dass betrieblicher Arbeitsschutz und Arbeitsschutzmanagementsysteme nicht in Normen behandelt werden dürfen. Mit Hilfe dieses Leitfadens werden wesentliche Weichen fur Dienstleistungsnormen gestellt. Entlang dieses Leitfadens sollen zukünftige Normen erarbeitet werden. Die KAN hat zu dem Leitfaden, der in der CEN/ BT/WG 163 erarbeitet wird, ihre Position in einer Stellungnahme dargelegt.

Wie die KAN sehen auch andere interessierte Kreise grundsätzlich den Nutzen von Dienstleistungsnormen, weisen aber ebenfalls darauf hin, dass sich die Dienstleistungsnormung ihrer Grenzen bewusst sein muss. Wenn Aspekte bereits geregelt sind oder mit Normen die unternehmerische Freiheit eingeschränkt wird (zum Beispiel im Bereich des Managements), ist eine Norm nicht das richtige Instrument.

Die KAN wird die Dienstleistungsnormung weiterhin verfolgen und auf die Anpassung des Leitfadens auf unterschiedlichen Ebenen hinwirken.

Bettina Palka