KANBrief 1/11

Wie konform sind Konformitätsbewertungsstellen?

Der europäische Binnenmarkt und damit ein wesentlicher Teil der Prävention beruhen auf geeigneten Verfahren für das Prüfen, Zertifizieren und weitere Überwachen der Produktkonformität. Die KAN hat prüfen lassen, ob eine wesentliche Voraussetzung für dieses Vorgehen erfüllt ist: Werden Konformitätsbewertungsstellen auf der Grundlage eines vollständigen, einheitlichen und in sich konsistenten Regelungs- und Normenwerks bewertet und akkreditiert?

Das Konzept, mittels dritter Stellen die Übereinstimmung von Produkten und Produktionsverfahren mit gesetzlichen Vorgaben zu bewerten, ist erst dann vertrauenswürdig, wenn hierfür nur technisch kompetente, unparteiische und zuverlässige Stellen akkreditiert werden. Eine 2003 im Auftrag der KAN durchgeführte Studie (KAN-Bericht 30 (pdf, nicht barrierefrei)) enthielt bereits Vorschläge, wie deutsche und europäische Akkreditierungsund Benennungssysteme vertrauenswürdiger gestaltet werden könnten.

 Im Jahre 2008 wurde das für die Akkreditierung und Konformitätsbewertung relevante Europäische Recht durch den Neuen Rechtsrahmen (New Legislative Framework) überarbeitet ( KANBrief 2/08, S. 12). Ob sich die Situation im Vergleich zu früher nennenswert geändert hat, hat die KAN in einer Folgestudie (KAN-Bericht 47 (pdf, nicht barrierefrei)) untersuchen lassen.

Normen nun noch wichtiger

Ein wesentlicher Bestandteil des Neuen Rechtsrahmens ist der Beschluss Nr. 768/2008/EG, der in Anhang I, Artikel R17 grundlegende Anforderungen an Konformitätsbewertungsstellen enthält. Artikel R18 des Beschlusses führt darüber hinaus eine Konformitätsvermutung für Normen ein, ähnlich wie das aus den Produkt-Richtlinien bekannt ist. Die Normen sollen die grundlegenden Anforderungen durch detaillierte Festlegungen für die Arbeit und die Qualität von Konformitätsbewertungsstellen konkretisieren. Weist eine Stelle nach, dass sie die Kriterien der Harmonisierten Normen erfüllt, wird vermutet, dass sie den darin abgedeckten Anforderungen aus Artikel R17 entspricht.

Die erstmals im Amtsblatt der EU 2009/C/136/ 08 verzeichneten Harmonisierten Normen können ihrer nun noch größeren Bedeutung allerdings erst gerecht werden, wenn sie den Anforderungen des Europäischen Rechtsrahmens auch tatsächlich entsprechen und dies auch für den Normenanwender nachvollziehbar ist.

Ergebnisse der Studie

Für Konformitätsbewertungsstellen relevante, im Amtsblatt verzeichnete Normen werden nicht von den europäischen, sondern den internationalen Normungsorganisationen erarbeitet, damit sie weltweit einheitlich angewandt werden können. Die neue Studie hat jedoch die im Jahre 2003 geäußerten Befürchtungen bestätigt, dass die Konkretisierung der rechtlich bindenden europäischen Anforderungen teilweise zugunsten der weltweiten Akzeptanz zurückgestellt wird. Die internationalen Normungsgremien wollen (oder können) europäische Erfordernisse nicht ausreichend berücksichtigen, so dass die Norminhalte weder den gesamten Anforderungskatalog des Artikels R17 abdecken, noch die einzelnen Anforderungen ausreichend konkretisieren.

Auch in Aufbau und Struktur bilden die Normen die Verfahren zur Konformitätsfeststellung (Module) des Beschlusses beziehungsweise der einzelnen Binnenmarkt-Richtlinien nicht genau ab. Das heißt, aus ihnen geht auch weiterhin nicht eindeutig hervor, wofür ihre Vermutungswirkung eigentlich gilt. Unterschiedliche und von Artikel R17 abweichende Beschreibungen desselben Sachverhalts in den verschiedenen Normen erschweren zudem die Vergleichbarkeit der Normen untereinander und mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Empfehlungen der KAN

Die KAN setzt sich dafür ein, dass die Normen im Zuge ihrer Übernahme als Europäische Normen zwingend einen aussagekräftigen Anhang Z erhalten, aus dem hervorgeht, inwieweit sie die modulspezifischen Anforderungen konkretisieren. Wenn Module verändert in bestimmte Richtlinien übernommen worden sind, muss dies sogar separat für jede dieser Richtlinien erfolgen. Auch sollte ein Consultant die Normen auf ihre Übereinstimmung mit den Anforderungen aus Artikel R17 überprüfen. Gegebenenfalls muss das zuständige CEN/CLC TC 1 – seinem Mandat entsprechend – die internationalen Normen inhaltlich den europäischen Anforderungen anpassen.

Da die Studie darüber hinaus verdeutlicht hat, dass einige prozess- und managementbezogene Anforderungen in Artikel R 17 hinter heute allgemein üblichen Ansprüchen zurückbleiben, sollte die Europäische Kommission diesen Artikel langfristig dem „Stand der Technik“ anpassen.

Corado Mattiuzzo
mattiuzzo@kan.de