KANBrief 1/11

Das ErgoMach-Programm: Ergonomie für alle!

Unsere Arbeitswelt wäre humaner, die Beschäftigten gesünder und die Betriebe effizienter, würden ergonomische Erkenntnisse mehr in die Praxis umgesetzt. Die Teilnehmer eines Workshops zu den Ergonomie-Anforderungen der neuen Maschinenrichtlinie hatten 2008 festgestellt, dass nicht die neuen Anforderungen, sondern mangelnde Kommunikation zwischen Wissenschaft und Praxis die wesentliche Schwierigkeit darstellen (KANBrief 3/2008, Seite 9). Deshalb beschlossen sie kurzerhand, dies anzugehen.

Viel zu oft wird die ergonomische Gestaltung von Arbeitsmitteln als Synonym für Luxus angesehen, als eine nicht zu finanzierende Forderung von denen, die in ihrem Wolkenkuckucksheim sitzen. ErgoMach hat sich zum Ziel gesetzt, bei den betroffenen Gruppen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass eine ergonomisch gute Gestaltung von Arbeitsmitteln für alle Beteiligten einen Gewinn bringt. Die Initiative wird getragen von einer Gruppe europäischer Präventionsund Arbeitsschutzspezialisten, die sich während des oben genannten KAN/DGUV-Workshops zusammengefunden hat. ErgoMach arbeitet in Abstimmung mit Institutionen in Europa, ist aber nicht in eine schon bestehende Struktur eingebunden.

Das erste greifbare Ergebnis der Arbeit von ErgoMach ist im Leitfaden der EU-Kommission zur Maschinenrichtlinie nachzulesen, für den die Gruppe den Abschnitt zu den ergonomischen Anforderungen verfasst hat. Ziel war es, die Anforderungen so allgemeinverständlich zu erläutern, dass Konstrukteure, Präventionsfachleute und Marktüberwacher, die den Leitfaden im Wesentlichen nutzen, für deren Umsetzung keine weiteren Quellen benötigen. Neun zentrale Begriffe, mit denen die Anforderungen zur Ergonomie in der Richtlinie beschrieben werden, wurden zusätzlich vertieft, mit bebilderten Beispielen versehen und in Bezug zu den einschlägigen Normen gebracht. Diese Erläuterungen sollen per Link mit dem Leitfaden verbunden werden. Daneben wird ein umfassendes Normenverzeichnis als Hilfestellung für die Hersteller verlinkt sein.

Aber auch bei der Erstellung von Normen gibt es kaum Informationsaustausch zwischen dem technischen Komitee zur Ergonomie (CEN/ TC 122) und den Ausschüssen, in denen die Maschinennormen geschrieben werden. So findet sich in fast keinem Maschinen-Normungskomitee ein Ergonom. Mit der von ErgoMach angeregten Einrichtung einer ständigen Liaison zwischen den CEN/TCs 114 (Maschinen) und 122 ist nun ein Anfang gemacht. Da eine Liaison zwar ein gutes Zeichen, aber bei weitem nicht ausreichend ist, wird auf Vorschlag von ErgoMach zusätzlich ein Brückendokument erstellt, das ein gegenseitiges Verständnis der bisher höchst unterschiedlichen Prinzipien der Normung im Bereich der Ergonomie und im Bereich der Maschinen ermöglicht. Dieses Brückendokument bindet die in der Ergonomienormung vorgesehene Risikobetrachtung in die Prinzipien der Maschinenbasisnorm EN ISO 12100 ein, so dass Maschinenkonstrukteure künftig nach ihrem vertrauten Verfahren auch ergonomische Fragen bearbeiten können.

Um die Suche nach Normen mit ergonomischen Inhalten für Nicht-Ergonomen außerhalb Deutschlands zu erleichtern, wurde auf die Bitte von ErgoMach die schon vorhandene englische Version des Recherche-Tools ErgoNoRA (www.nora.kan.de/en/ergo) umstrukturiert: Die Trefferlisten enthalten nun ausschließlich europäische und internationale Normen.

Mit der von einigen europäischen Arbeitsschutzinstitutionen entwickelten „Feedback- Methode“ wurden in mehreren Projekten Nutzer von Maschinen (zum Beispiel Flurförderzeuge, Mähdrescher, Teleskoplader) systematisch über ihre Nutzungsgewohnheiten und ihre Einschätzung der ergonomischen Eigenschaften befragt. Diese Erkenntnisse wurden dann an die entsprechenden Normenausschüsse weitergeleitet. Weder Ergonomen noch Konstrukteure hatten bisher den Umgang der Benutzer mit Maschinen außerhalb definierter Laborbedingungen systematisch und in breitem Umfang untersucht und die Erkenntnisse in die Normung eingespeist. Die Arbeitsgruppe 2 des CEN/ TC 122 hat deshalb auf Anregung von ErgoMach beschlossen, ein Normungsdokument zur Feedback- Methode zu erarbeiten.

Eines der ehrgeizigsten Ziele von ErgoMach besteht in der Schaffung einer internetbasierten europäischen Kommunikationsplattform, die einen gewinnbringenden Austausch zwischen Konstrukteuren, Ergonomen, Benutzern, Einkäufern, Normungsexperten, Behörden und Präventionsfachleuten ermöglichen soll. Als erstes Element wurde die Internetseite www.ergomach.eu in Betrieb genommen. Am 20. Oktober 2011 wird ErgoMach im Rahmen des Kongresses zur A+A 2011 in Düsseldorf mit der Fachöffentlichkeit über die Weiterentwicklung der Plattform diskutieren.

Thomas Kolbinger
thomas.kolbinger@dguv.de

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