KANBrief 1/11

Konformitätsvermutung für Norm zu Steigschutzeinrichtungen zurückgezogen - und nun?

Im März 2010 hat die Europäische Kommission nach einem formellen Einwand der britischen Behörden die EN 353-1 zu Steigschutzeinrichtungen aus der Liste der harmonisierten Normen im Amtsblatt der EU zurückgezogen. Normungsgremien und Prüf- und Zertifizierungsstellen arbeiten an Festlegungen zur Lösung der dadurch für Hersteller, Prüfstellen, Anwender und Marktüberwachung entstandenen Probleme.

Aus der Zurückziehung der Konformitätsvermutung für die Norm EN 353-1:2002 „Steigschutzeinrichtungen einschließlich fester Führung“ (KANBrief 3/09, S. 6) ergeben sich Unsicherheiten bei der Beurteilung der Richtlinienkonformität und der Sicherheit von Steigschutzeinrichtungen, zu denen von der Normung und von der Prüfung und Zertifizierung Lösungen erwartet werden.

Aktueller Stand in der Normung

Im Juli 2010 hat die Europäische Kommission dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) ein Mandat (M 472) zur Überarbeitung der Norm erteilt. Die im zuständigen CEN/TC 160 „Schutz gegen Absturz einschließlich Arbeitsgurte“ mit der Überarbeitung beauftragte Arbeitsgruppe berücksichtigt dabei nicht nur die bemängelten Defizite des rückwärtigen oder seitwärtigen Fallens des Benutzers, sondern wird weitere, bei vorhersehbarer Benutzung mögliche Risiken mit einbeziehen, die in der Vergangenheit bereits diskutiert, jedoch bislang nicht normativ erfasst wurden. Zu diesen Risiken gehören beispielsweise das Versagen von Endsicherungen, die Vergrößerung des Abstandes des Körperschwerpunktes zur Führung zum Beispiel durch nicht sachgemäßes Anlegen des Auffanggurtes, oder Beeinträchtigungen der Funktion des Auffanggerätes durch den Benutzer während des Auffangvorgangs. Die CEN-Umfrage zu dem Normentwurf wird Ende 2011/Anfang 2012 erwartet.

Verfahren für die Konformitätsbewertung

Hersteller und Zertifizierungsstellen müssen sicherstellen, dass persönliche Schutzausrüstungen sämtlichen grundlegenden Anforderungen für Sicherheit und Gesundheit der PSA-Richtlinie 89/686/EWG entsprechen. Für das Inverkehrbringen von (auch bereits zertifizierten) mitlaufenden Auffanggeräten einschließlich fester Führung ist es daher unabdingbar, dass bei der Konformitätsbewertung auch diejenigen Risiken berücksichtigt werden, die zur Zurückziehung der Konformitätsvermutung der EN 353- 1:2002 geführt haben. Vor diesem Hintergrund ergeben sich drei verschiedene Konstellationen:

1. Eine EG-Baumusterprüfbescheinigung ist ausgestellt – auf Grundlage einer Prüfung nach EN 353-1:2002 – und das Produkt wurde in Verkehr gebracht. Hersteller und Zertifizierungsstellen müssen in diesem Fall die Konformität des Produktes erneut bewerten. Um europaweit ein einheitliches Vorgehen der Prüf- und Zertifizierungsstellen festzuschreiben, hat die koordinierende Gruppe der benannten europäischen Prüf- und Zertifizierungsstellen für persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (VG 11) unter anderem auf Aufforderung der Europäischen Kommission für die Zeit bis zum Abschluss der Überarbeitung der Norm eine Empfehlung verabschiedet (Recommendation for Use 11.073). Diese enthält Prüfverfahren, mit denen diejenigen Risiken abgedeckt werden, die zur Zurückziehung der Konformitätsvermutung der Norm geführt haben. Darüber hinaus werden die mittlerweile zusätzlich bekannten Risiken bei vorhersehbarer Verwendung mit berücksichtigt. Die deutschen Prüfstellen haben sich dahingehend verständigt, ausgehend von einer Risikobewertung eine Rezertifizierung nach der Empfehlung der VG 11 vorzunehmen und gegebenenfalls zusätzliche Prüfungen durchzuführen. Je nach Ergebnis der Prüfung zieht die Prüfstelle die EG-Baumusterprüfbescheinigung zurück oder stellt eine neue Bescheinigung aus.

2. Geänderte Produkte werden ebenfalls nach der VG-11-Empfehlung überprüft. Erfüllt das geänderte Produkt die Anforderungen, so ist von der Prüfstelle eine neue EG-Baumusterprüfbescheinigung auszustellen.

3. Bei neuen, bisher nicht zertifizierten Produkten wenden die nationalen Prüfstellen das übliche Konformitätsbewertungsverfahren unter Berücksichtigung der VG-11-Empfehlung an.

Als weitere Maßnahme hat die EU-Kommission die Mitgliedstaaten gebeten, über die Marktüberwachung zu kontrollieren, wie der veränderten Situation bei Steigschutzeinrichtungen Rechnung getragen wird.

Benutzern von Steigschutzeinrichtungen wird empfohlen, sich zur Bestätigung der Konformität der von ihnen benutzten Produkte an den Hersteller zu wenden.

Wolfgang Schäper                         Petra Jackisch

wolfgang.schäper@bgbau.de  petra.jackisch@bgbau.de