KANBrief 1/11

KAN-Workshop Anthropometrie: Körpermaße richtig anwenden

Im Juli 2010 veranstaltete die KAN einen Workshop „Anthropometrie in der Praxis: Von der Norm zum Konstrukteur“. Ausgangspunkt waren die Empfehlungen, die im KAN-Bericht 44 für den Bereich der Körpermaße in der Normung gegeben wurden. Die Teilnehmer des Workshops erörterten den aktuellen Handlungsbedarf und erarbeiteten eine Reihe von Vorschlägen. Diese hat die KAN Ende 2010 genehmigt, so dass die KAN-Geschäftsstelle nun die Umsetzung vorantreiben wird.

Körpermaßdaten sind für den Arbeitsschutz von großer Bedeutung. Dieses Fazit zog der KAN-Bericht 44 „Anthropometrische Daten in Normen“ und gab 14 Handlungsempfehlungen. Ziel aller Empfehlungen war es, Normen mit Angaben zu Körpermaßen anwenderfreundlicher, aktueller und konsistenter zu gestalten. Hierzu muss die Brücke von den Wissenschaftlern (im Ergonomie-Normungsgremium) zu den Anwendern (zum Beispiel Konstrukteuren oder Produktnormern) geschlagen werden, damit diese die Körpermaßdaten im Sinne des Arbeitsschutzes fehlerfrei nutzen und ergonomische Produkte gestalten können.

Kernpunkte des Workshops

DIN SPEC  (Fachbericht) zur Anwendung anthropometrischer Daten in Normen: KAN-Bericht 44 zeigte, dass die richtige Anwendung anthropometrischer Daten nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Der Beirat des Normenauschusses Ergonomie hat daher dem zuständigen Ausschuss „Anthropometrie und Biomechanik“ empfohlen, einen Anwenderleitfaden in Form einer DIN SPEC zu erarbeiten, der die richtige Auswahl und Verwendung anthropometrischer Daten allgemeinverständlich behandelt. Die KAN wird dieses Vorhaben durch ein Projekt unterstützen, in dem die Rohfassung des Leitfadens erarbeitet werden soll.

Aktualisierung der Norm DIN EN 60529: 2000 „Schutzarten durch Gehäuse (IP-Code)“ 2 ISO/TR 7250: Diese Norm legt Schutzgrade gegen den Zugang zu gefährlichen Teilen bei elektrischen Betriebsmitteln fest. Der Anwendungsbereich umfasst neben elektrischen auch mechanische Gefährdungen. Ob ein Zugang zu gefährlichen Teilen möglich ist oder nicht, wird über einen gegliederten Prüffinger gemessen, der mit 12 mm Durchmesser und 80 mm Länge einen echten Finger nachbilden soll. Der KAN-Bericht 44 empfahl der DKE, die Daten des Prüffingers auf ihre Aktualität zu überprüfen, da anzunehmen ist, dass 80 mm aufgrund der Zunahme der Zeigefingerlänge nicht mehr ausreichen. Da die DKE diesen Wert bisher jedoch noch nicht überprüft hat, wird die KAN den Abgleich mit aktuellen Daten sowie die Anpassung des Prüffingers an weitere wichtige Aspekte mit einem Gutachten unterstützen.

DIN SPEC (Fachbericht): Was braucht der Anwender?

Im Workshop konnten zahlreiche Aspekte zusammengetragen werden, die für einen Anwenderleitfaden wichtig sind. Es wurde deutlich, dass Körpermaße in vielen Fällen nicht separat betrachtet werden dürfen. Sie reichen zum Beispiel alleine nicht aus, wenn Körper- beziehungsweise Gelenkwinkel bestimmte Bewegungen nicht zulassen. Beim Beispiel Fahrerarbeitsplatz darf die aktuelle Zunahme der Umfangsmaße (Bauchumfang) nicht dazu führen, dass Sitze so weit entfernt von Bedienfeldern angeordnet sind, dass die in der Länge nicht ebenso wachsenden Arme/Hände nicht mehr die Steuereinheiten erreichen. Einer Erklärung bedarf auch die richtige Berücksichtigung von Kleidung, Haaren und Nägeln. Daneben wurden aber auch grundlegende Aspekte diskutiert, zum Beispiel die Frage, ob Konstrukteure sich auf bestimmte Nutzergruppen beschränken dürfen und ob Produkte verstellbar oder anhand konkreter Maßvorgaben konstruiert werden sollten.

Herausforderungen für die Zukunft

Neben der Erstellung eines verständlichen Anwenderleitfadens wird es eine Herausforderung bleiben, aktuelle Körpermaßdaten bereitzustellen. ISO versucht dies aktuell zu leisten, indem jedes Mitglied sukzessive seine nationalen Körpermaßdaten in ISO/TR 7250-2 (2010 „Wesentliche Maße des menschlichen Körpers für die technische Gestaltung – Teil 2: Anthropometrische Datenbanken einzelner Bevölkerungen von ISO-Mitgliedsländern“; Übernahme auf europäischer Ebene voraussichtlich 2011) einspeisen kann. Die Anwendung dieses komplexen Dokuments ist für Konstrukteure allerdings nicht einfach. Idealerweise müssten die Daten mit allen notwendigen Hinweisen versehen in Konstruktionssoftware zur Verfügung stehen. Hiervon ist die Realität aber noch entfernt: Zwar gibt es (kostenpflichtige) Software, die Körpermaßdaten beinhaltet, aber oft sind die Daten älter oder unklarer Herkunft, und nähere Erläuterungen zur Anwendung fehlen häufig ganz. Die KAN wird die Entwicklungen auf diesem Gebiet weiter verfolgen.

Anja Vomberg
vomberg@kan.de