KANBrief 1/12
Die gesetzlich festgelegte Verpflichtung zur Herstellung eines abgestimmten Vorschriften- und Regelwerkes ist ein Kernbestandteil der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Leitprinzip ist, dass staatliche Vorschriften sowie das Regelwerk staatlicher Ausschüsse vorrangige Instrumente zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind. Welche Bedeutung hat vor diesem Hintergrund das Vorschriften- und Regelwerk der Unfallversicherungsträger?
Unfallverhütungsvorschriften (UVVen) sind verbindliche autonome Rechtsnormen, die von den Unfallversicherungsträgern (UVTrägern) gemäß § 15 SGB VII erarbeitet werden können, um Maßnahmen zur Verhütung arbeitsbedingter Erkrankungen, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten festzulegen Rechtsgrundlage ist der 2008 durch das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) neu gefasste § 15 SGB VII. Mit der Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerkes im Arbeitsschutz (siehe auch Artikel S. 3) können UVVen nur noch erlassen werden, soweit dies zum Zweck der Prävention geeignet und erforderlich ist und staatliche Arbeitsschutzvorschriften über die in § 15 SGB VII aufgeführten Bereiche keine Regelung treffen.
UVVen können in den Bereichen erarbeitet werden, für die staatliche Arbeitsschutzvorschriften nicht direkt gelten (z.B. für freiwillig Versicherte, teilweise für Schüler und Studenten) oder in denen das staatliche Recht den UV-Trägern die Konkretisierung überlässt, wie z.B. im Fall der DGUV-Vorschrift 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“. Ferner sind Fälle denkbar, in denen das staatliche Recht lediglich allgemein gehaltene Anforderungen aufstellt, ohne dass es für die notwendige Konkretisierung einen staatlichen Ausschuss gibt (z.B. personelle Anforderungen an die Erste Hilfe). Eine UVV kommt ebenfalls in Frage, wenn eine eng begrenzte, branchenspezifische Gefährdungslage besteht, die für eine Festlegung von Schutzmaßnahmen im staatlichen Vorschriften- und Regelwerk zu speziell wäre.
Erarbeitet werden UVVen nach Abstimmung mit dem zuständigen Bundesministerium und den Ländern nach einem gesetzlich und in Vereinbarungen festgelegten Verfahren. Erst mit der in der Satzung des jeweiligen UV-Trägers festgelegten Form der Bekanntmachung sind UVVen „erlassen“ (in Kraft) und für die Unternehmen des UV-Trägers sowie die Versicherten unmittelbar verbindlich. UVVen bleiben gültig, solange sie nicht ausdrücklich außer Kraft gesetzt werden. Für bestehende UVVen prüfen die UV-Träger derzeit, ob sie weiterhin benötigt werden oder ob sie anzupassen oder außer Kraft zu setzen sind.
Regeln, Informationen und Grundsätze
Unterhalb des verbindlichen Satzungsrechts können die UV-Träger für den Unternehmer konkrete Hilfestellungen für die Erfüllung der abstrakt formulierten staatlichen Arbeitsschutzvorschriften und/oder UVVen erstellen. Abgeleitet aus § 14 SGB VII: „…die Unfallversicherungsträger haben mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren … zu sorgen.“ Bereiche, in denen Rechtsverordnungen staatliche Ausschüsse nicht vorsehen oder in denen das zuständige Bundesministerium keinen Bedarf für eine staatliche Regel festgestellt hat, können durch Regeln der UV-Träger ausgefüllt werden. Gleiches gilt für Personengruppen, auf die staatliche Arbeitsschutzvorschriften nicht anwendbar sind. Regeln sind im Unterschied zu UVVen nicht rechtsverbindlich, sondern Empfehlungen, mit welchen konkreten Maßnahmen die Pflichten im Arbeits- und Gesundheitsschutz erfüllt werden können. Sie werden von den Präventionsfachgremien der DGUV unter Beteiligung der UV-Träger, der Sozialpartner, des Bundes, der Länder, der Hersteller, Betreiber und weiterer Kreise erarbeitet (festgelegt durch den DGUVGrundsatz 401 „Fachbereiche und Sachgebiete der DGUV“) und enthalten den anerkannten Stand der Technik.
Ein wesentliches Instrument bilden künftig die Branchenregeln. Diese verbinden die staatlichen Regeln mit branchenspezifischen Inhalten und ergänzen sie z.B. durch Erfahrungswissen der UV-Träger und Aspekte der Gesundheitsförderung. Branchenregeln bilden ein tätigkeits-, arbeitsplatz- oder arbeitsverfahrenbezogenes Gesamtkompendium für Betriebe einer bestimmten Branche.
Informationen enthalten ebenfalls unverbindliche Hilfestellungen und Empfehlungen für bestimmte Branchen, Tätigkeiten und Zielgruppen. Sie werden nicht in dem für Regeln geltenden formalisierten Verfahren erarbeitet, sondern können z.B. von jedem UV-Träger individuell herausgegeben werden.
Grundsätze enthalten Maßstäbe für bestimmte Verfahrensfragen, z.B. zur einheitlichen Durchführung von Prüfungen. Sofern Grundsätze von der Mitgliederversammlung der DGUV beschlossen worden sind, sind sie nach Vereinsrecht für die UV-Träger als Mitglieder der DGUV verbindlich.
Marcus Hussing