KANBrief 1/12

Neues Leitlinienpapier zur Vorschriften- und Regelsetzung im Arbeitsschutz schafft klare Verhältnisse

Am 31. August 2011 haben die Träger der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) und die Sozialpartner ein neues Leitlinienpapier zur Optimierung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz unterzeichnet. Doppelregelungen sollen vermieden, Betriebe entlastet und das Arbeitsschutzniveau weiter gestärkt werden. Das Leitlinienpapier legt die Grundlage für ein verständliches, überschaubares und abgestimmtes Vorschriften- und Regelwerk.

Ein effizienter Gesundheitsschutz bei der Arbeit ist ohne Rechtsvorschriften nicht denkbar. Gerade in einem dualen System von staatlichem Arbeitsschutzrecht und autonomem Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger wird eine funktionierende Zusammenarbeit beider Seiten zur Nagelprobe für die Praxistauglichkeit dieses Systems insgesamt. Die Betriebe, aber auch die Arbeitsschutzaufsicht der Länder und der Unfallversicherungsträger, sind auf handhabbare Hilfen im nachrangigen Recht angewiesen. Das Leitlinienpapier setzt hier an und schafft Orientierung. Es beschreibt die Wirkungsfelder der dem Staat und der Unfallversicherung zur Verfügung stehenden Rechtsetzungsinstrumente und löst bestehende Kollisionen an den Schnittstellen auf. 

Für das autonome Satzungsrecht konkretisiert das Leitlinienpapier die Festlegungen des Sozialgesetzbuches (§ 15 SGB VII), dass staatliches Arbeitsschutzrecht grundsätzlich Vorrang hat und neue Unfallverhütungsvorschriften eine Bedarfsprüfung durchlaufen müssen. Leitprinzip der Bedarfsprüfung ist es, ein besonderes Augenmerk auf alternative Regelungsinstrumente zu legen, die das Präventionsziel in gleicher Weise wie Unfallverhütungsvorschriften erreichen können, z.B. staatliche Regeln oder Regeln der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV).

Um die angestrebte Kohärenz auf Regelebene und Auflösung bestehender Überschneidungen zu erreichen, sieht das Leitlinienpapier im Wesentlichen zwei Instrumente vor: das Kooperationsmodell sowie das Kombinationsmodell

Nach dem Kooperationsmodell können Inhalte von DGUV/LSV-Regeln, die das Aufgabengebiet eines staatlichen Ausschusses berühren, in geeigneter Weise in das staatliche Regelwerk aufgenommen werden. Auch ist es zur Vermeidung von Doppelregelungen möglich, Entwürfe von staatlichen Regeln von vornherein in einem Präventionsfachgremium von DGUV/LSV erstellen zu lassen. In beiden Fällen wird die Urheberschaft in der staatlichen Regel hervorgehoben. Die Bedarfsfeststellung für eine entsprechende Regel und die Beschlussfassung darüber verbleiben beim staatlichen Ausschuss. Die DGUV/ LSV-Regel wird hinsichtlich der übernommenen Teile zurückgezogen. Die Umsetzung einer vom staatlichen Ausschuss beschlossenen Regel- Fortschreibung erfolgt durch das jeweilige Präventionsfachgremium in dem für die Ersterstellung einer staatlichen Regel beschriebenen Verfahren. 

Mit dem neuen Kombinationsmodell werden Branchenregelnder Unfallversicherungsträger als Untergruppe von DGUV/LSV Regeln eingeführt. In Branchenregeln erhalten Unternehmen einen Überblick über die für ihre gesamte Sparte geltenden Vorschriften und Regeln in Form eines gefährdungsübergreifenden Gesamtkompendiums. Konkret sieht das Modell vor, dass im Aufgabenbereich der staatlichen Ausschüsse entstandene gefährdungsbezogene Regeln für bestimmte Kategorien von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in Branchenregeln „übersetzt“ und als spartentypische Praxishilfen gestaltet werden können. Dabei können auch Erkenntnisse aus dem Erfahrungswissen der Unfallversicherungsträger einbezogen werden. Branchenregeln entfalten, anders als die Regeln der staatlichen Ausschüsse, keine Vermutungswirkung in Bezug auf die Arbeitsschutzverordnungen. Staatliche Regeln und DGUV/LSV-Regeln erhalten mit diesem Regelungssystem klare eigenständige Wirkungsfelder mit jeweils eigener Funktionszuweisung. 

Staat und Unfallversicherung sind mit dem neuen Leitlinienpapier auch in dem wichtigen GDA-Kernelement „Vorschriften- und Regelsetzung“ enger zusammen gerückt. Das ab sofort geltende Papier muss jetzt in die Praxis umgesetzt werden. Ein wichtiger Ort dafür sind die staatlichen Ausschüsse und die Präventionsfachgremien der Unfallversicherungsträger. In einem gesonderten nächsten Schritt ist zu prüfen, ob Normen neben dem im Leitlinienpapier beschriebenen Regelwerk im betrieblichen Arbeitsschutz eine Rolle spielen können. 

Michael Koll

michael.koll@bmas.bund.de