KANBrief 1/12
Ein Interview mit Klaus Yongden Tillmann. Der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dortmund ist seit Januar 2011 Generalsekretär des Europäischen Büros des Handwerks und der Klein und Mittelbetriebe für die Normung (NORMAPME) in Brüssel.
Herr Tillmann, wie sehen Sie die Rolle der Normung in Europa?
Immer wichtiger werdend das sieht man an den jüngsten Initiativen der Europäischen Kommission (Stichwort Normungspaket) und auch daran, dass Normung immer mehr zum Gesprächsthema wird. Normung bietet große Vorteile und Chancen für alle, gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Nur muss man aufpassen, dass diese nicht im Prozess außen vor gelassen werden, sondern aktiv daran mitarbeiten können. Hier kommen wir ins Spiel.
Welche Ausrichtung von NORMAPME streben Sie für die nächsten Jahre an?
Wir müssen uns fit machen für den Wettbewerb ab 2013, denn im neuen Normungspaket ist vorgesehen, dass Förderverträge mit der Europäischen-Kommission künftig im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung vergeben werden. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir der Anbieter sein werden, der die KMU in der Normungam effektivsten vertritt.
Bis dahin wollen wir noch mehr KMU-Experten in die technischen Ausschüsse von - CEN, CENELEC, ETSI oder auch ISO entsenden – derzeit sind es 52 aus den verschiedensten Fachbereichen und Ländern – und unser Netzwerk ausbauen. 2012 werden wir ein „mapping“ durchführen, d.h. die Vertretung der KMU in allen europäischen Ländern analysieren und auch einige davon besuchen. Nur so kann man sicherstellen, dass man weiß, wer wen auf nationaler Ebene vertritt. Persönliche Gespräche sind außerdem immer noch die beste Möglichkeit, die richtigen Kontakte zu knüpfen.
Wie kann NORMAPME die Beteiligung der KMU an der Normung in Europa unterstützen?
Der Kernbereich unserer Arbeit ist das Entsenden von KMU-Experten in relevante Normenausschüsse. So wird der Einfluss der KMU in der Normung in Europa unterstützt. Natürlich gibt es hier noch viel zu tun, denn es gibt weit mehr für KMU relevante Normungsausschüsse als NORMAPME Experten. Deshalb wollen wir die Zahl unserer Experten vergrößern.
Der zweite Kernbereich unserer Arbeit ist es, in Betrieben und KMU Verbänden ein Bewusstsein-für Normung zu schaffen und die KMU zu ermutigen, am Normungsprozess teilzunehmen. Konkret versuchen wir etwa, an möglichst vielen KMU relevanten Veranstaltungen teilzunehmen und Normen und Normung über die Presse, unsere Website oder den Newsletter einer breiteren Öffentlichkeit an kleinen und mittleren Unternehmern bekannt zu machen. Unlängst haben wir auch einen Benutzerleitfaden zur ISO 26000 „Soziale Verantwortung“ herausgegeben, der die Norm für europäische KMU aufschlüsselt und in kurzer Form darstellt.
Wie wertet NORMAPME das EU-Normungspaket-mit seinen Vorschlägen zur KMUBeteiligung?
Generell sehr positiv, da ja die Beteiligung der KMU eines der Hauptanliegen der Reform ist. Nichtsdestotrotz wünschen wir uns mehr, beispielsweise ein symbolisches Stimmrecht für KMU Vertreter in den Abstimmungsverfahren. Uns wäre wichtig, dass die Stimmen der KMU zumindest dokumentiert werden. NORMAPME fordert zudem die Einrichtung eines besonderen Einspruchsverfahrens, auf das sich betroffene Kreise in Fällen unausgewogener Beteiligung berufen können.
Und die vorgeschlagene Verkürzung der Normerarbeitungszeiten?
In einigen Sektoren, zum Beispiel in der Informations-und Kommunikationstechnologie, ist das durchaus sinnvoll und begrüßenswert. In anderen Sektoren besteht die Gefahr, dass durch eine Beschleunigung des Prozesses die Einbeziehung der KMU auf der Strecke bleibt. Insofern ist dieser Ansatz mit Vorsicht zu genießen.
NORMAPME, das Europäische Büro des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe für die Normung, wurde 1996 mit Unterstützung der Europäischen Kommission-und der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME) gegründet und vertritt durch seine derzeit 29 europäischen Mitglieds- und Partnerverbände mehr als 12 Millionen europäische-Unternehmen in der Normung.