KANBrief 2/11

Europa schafft gesetzliche Grundlage für sichere Bauprodukte

Am 24. April 2011 trat die neue EU-Bauproduktenverordnung in Kraft. Sie gilt unmittelbar, wird in Bezug auf die Herstellerpflichten jedoch erst ab dem 01. Juli 2013 verbindlich. Die Verordnung stellt aus Sicht des Arbeitsschutzes eine entscheidende Verbesserung gegenüber der alten Bauproduktenrichtlinie dar, da sie erstmals auf europäischer Ebene Anforderungen an die Sicherheit von Bauprodukten festlegt. Damit wird eine Gesetzeslücke geschlossen.

Die KAN hat die Erarbeitung der neuen Bauproduktenverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011) von Beginn an intensiv verfolgt und sich beim Bundesbauministerium, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission für die Aufnahme von Anforderungen an die Produktsicherheit eingesetzt. Die nun verabschiedeten Regelungen stellen für den Arbeitsschutz einen großen Schritt nach vorne dar:

• Nach Grundanforderung 3 in Anhang I muss ein Bauwerk derart entworfen und ausgeführt sein, dass es während seines gesamten Lebenszyklus nicht „die Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern … gefährdet.“ Durch den Bezug auf den Lebenszyklus sind alle Phasen eines Produktlebens von der Beschaffung der Rohstoffe bis zur Entsorgung abgedeckt.

• Die Europäische Kommission kann für bestimmte Familien von Bauprodukten in delegierten Rechtsakten diejenigen Wesentlichen Merkmale bestimmen, für die der Hersteller in jedem Fall die Leistung eines Produktes zu erklären hat (Art. 3), unabhängig von nationalen Regelungen am Ort des beabsichtigten Inverkehrbringens.

• Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass ein Bauprodukt eine Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit von Personen darstellt, kann er den betroffenen Wirtschaftsakteur auffordern, Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr zu ergreifen oder das Produkt vom Markt zu nehmen (Art. 58).

Mit dem seit 2010 geltenden Neuen Rechtsrahmen (Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zur Akkreditierung und Marktüberwachung) unterliegen erstmals auch Bauprodukte der Marktüberwachung. Die Bauproduktenverordnung greift die Regelungen auf und präzisiert sie.

Rechtliche Besonderheiten

Wie die alte Richtlinie beruht auch die Verordnung auf dem Prinzip, dass die Wesentlichen Leistungsmerkmale der Bauprodukte nicht festgeschrieben sind, sondern aus den in Anhang I genannten Grundanforderungen an Bauwerke abgeleitet werden müssen. Für diese Merkmale werden dann in harmonisierten technischen Spezifikationen (zum Beispiel Normen) konkrete Anforderungen formuliert. Diese bilden die Grundlage für die Leistungserklärung des Herstellers und die Vergabe der CE-Kennzeichnung.

Als wichtige Besonderheit des Baubereiches gilt weiterhin, dass eine bestimmte Leistung für ein Produkt nur dann erklärt werden muss, wenn am ‚beabsichtigten’ Ort der Bereitstellung auf dem Markt einschlägige nationale Bestimmungen zu berücksichtigen sind (Art. 6 (3)e). Es bleibt zu hoffen, dass diese Regelung nicht missbraucht wird, denn ein Bauherr kann der CE-Kennzeichnung nicht entnehmen, für welches EU-Land die ursprüngliche Erklärung Gültigkeit hatte.

Erleichterungen für Hersteller

Die Bauproduktenverordnung bringt eine Reihe von Neuerungen, die den Herstellern von Bauprodukten entgegenkommen sollen:

• Bestimmte Produkte sind von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung ausgenommen, zum Beispiel auf der Baustelle gefertigte Produkte oder Einzel- und Sonderanfertigungen.

Bauprodukte wurden leicht anders definiert: Sie umfassen neben Produkten nun auch Bausätze, die dauerhaft in Bauwerke eingebaut werden. Bauprodukte sind zudem nur solche Produkte, die Auswirkungen auf die Leistung des Bauwerkes in Hinblick auf die Grundanforderungen haben.

Kleinstunternehmen können vereinfachte Verfahren der Typprüfung nutzen.

• Im Rechtstext ist nun festgehalten, dass der Hersteller bei der Leistungserklärung bereits vorliegende Prüfergebnisse anderer Produkte (teilweise) nutzen kann.

• Die Mitgliedstaaten benennen Produktinformationsstellen, die kostenlos Auskünfte über die geltenden nationalen Bestimmungen für bestimmte Verwendungszwecke eines Bauprodukts erteilen.

Da sich die Bauproduktenverordnung auf nationale Bestimmungen stützt, ist es für den Arbeitsschutz nun entscheidend, dass die einzelnen Mitgliedstaaten tragfähige Rechtsgrundlagen zur Sicherheit von Bauprodukten schaffen. Auf dieser Grundlage kann die Europäische Kommission in Mandaten konkrete Anforderungen formulieren, die über die Normung umgesetzt werden können.

Michael Robert
robert@kan.de