KANBrief 2/11

Ergonomisch gestaltete Klassenzimmer fördern Gesundheit und Lernen

Anders als an Büroarbeitsplätzen werden in Klassenzimmern ergonomische Rahmenbedingungen aus Kostengründen oder Unkenntnis oft vernachlässigt. Dabei ist das Klassenzimmer der tägliche Arbeitsplatz für Lehrer und Schüler. Die hohen Anforderungen, denen die Schüler und auch Lehrer ausgesetzt sind, lassen sich in einem ergonomischen und damit gesundheitsund lernfördernden Klassenzimmer besser meistern.

„Sitz still!“, „Sitz gerade!“, „Kipple nicht!“ – immer wieder wird von den Schülern diszipliniertes „Stillsitzen“ während des Unterrichts verlangt. Dabei hemmt gerade die Unbeweglichkeit die Konzentration und die Aufmerksamkeit. Um diese Gewohnheitshaltung aufzubrechen, sollten in Klassenzimmern bevorzugt Möbel eingesetzt werden, die den Bewegungsdrang von Kindern unterstützen (siehe Informationsschrift der DGUV „Richtig sitzen in der Schule“).

Die DIN EN 1729-1 „Möbel – Stühle und Tische für Bildungseinrichtungen“ von 2006 gibt Funktionsmaße und Größenklassen mit Farbkennzeichnung für fest eingestellte und verstellbare Tische und Stühle an. Im Vergleich zur Norm DIN ISO 5970 „Stühle und Tische für Bildungseinrichtungen – Funktionsmaße“ von 1981 berücksichtigt sie das dynamische Sitzen durch unterschiedliche Sitzwinkel und führt eine zusätzliche Größenklasse für sehr große Schüler ein.

Dennoch ist die Regel in unseren Klassenzimmern, dass die Schüler auf nicht einstellbaren Kufenstühlen und an nicht höhenverstellbaren Doppeltischen sitzen (Abbildung S. 9). Vereinzelt findet man je nach Klassenstufe in den Räumen zwei verschiedene Größenklassen der Tische und Stühle nach DIN EN 1729-1. Das Wachstumsverhalten im Kindesalter erfordert aber eigentlich ein regelmäßiges Messen der Körpergröße und Anpassen des Mobiliars. Das ist mit den vorhandenen Möbeln nicht realisierbar. Geringe Größen der Klassenräume und wieder ansteigende Klassenstärken, die unflexiblen Tische und die zwar höhenverstellbaren, aber starr mittig an einer Wand hängenden Klapptafeln lassen unterschiedliche didaktische Unterrichtsformen (Frontal- und Werkstattunterricht) kaum zu.

Projekt „Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer“

Im Rahmen des Modells „Gute und gesunde Schule“ führt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) seit 2009 das Projekt „Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer“ zusammen mit den Unfallkassen Nordrhein- Westfalen und Sachsen durch. Dabei wird untersucht, wie die Gestaltung von Klassenräumen die Gesundheit und das Lernen von Schülern beeinflussen. In einem Teilprojekt wurden ergonomische Faktoren wie Beleuchtung und Farbe, Klima und Lüftung, Lärm, Fußbodengestaltung und Möblierung nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Stand der Technik optimiert und in zwei realen Klassenzimmern in einer Grundschule in Dresden (Sachsen) und einer Hauptschule in Hennef (NRW) umgesetzt.

Flexibilität ist Trumpf

Für die Projektklassen wurden Stühle ausgewählt, die drehbar sind und ein dynamisches Sitzen, das heißt das Wechseln zwischen hinterer und vorderer Sitzposition sowie Seitwärtsneigung, ermöglichen. Um den Unterschieden der Körpergrößen gerecht zu werden, sind die Stühle und Tische zudem stufenlos höhenverstellbar.

Die Höhe der Schülertische und des Lehrertischs kann so eingestellt werden, dass ein Arbeiten sowohl im Sitzen (Abbildung S. 10) als auch im Stehen (Abbildung S. 11) möglich ist. Dieser Haltungswechsel ist gesundheitsförderlich und trägt zu körperlicher und geistiger Mobilität bei. Alle Tische sind mit Rollen ausgestattet und können so für Frontal- oder Werkstattunterricht flexibel im Raum aufgestellt werden.

Das an drei Wänden des Klassenzimmers flexibel einsetzbare Tafelsystem unterstützt die wechselnden Unterrichtsformen. Schulranzen und Arbeitsmaterialien werden in Regalen untergebracht. Diese haben Rollen, so dass sie zum Beispiel auch als Raumteiler eingesetzt werden können. Die farbliche Gestaltung von Möbeln, Wänden, Decke und Fußboden erfolgte nach einem psychologisch abgestimmten Konzept, bei dem die Schüler aus mehreren Farbvarianten wählen konnten.

Die erste Resonanz aus beiden Schulen zeigt: Schüler und Lehrer fühlen sich wohl in ihrem neuen Klassenzimmer. Sobald die Auswertung des Projektes vollständig abgeschlossen ist, wird die Fachgruppe Bildungswesen der DGUV den Bericht an die Entscheidungsträger im Bildungswesen weiterleiten. Zudem sollen die Ergebnisse wissenschaftlich genutzt und der Fachwelt auf Tagungen und durch Veröffentlichungen bekannt gemacht werden.

Susan Freiberg                          Dr. Hanna Zieschang

susan.freiberg@dguv.de     hanna.zieschang@dguv.de