KANBrief 2/11

Glänzende Zukunft in der Informationstechnik?

In Deutschland gibt es ca. 18 Millionen Bildschirmarbeitsplätze. Mehr als 45 % der an diesen Arbeitsplätzen Beschäftigten klagen über Beschwerden wie Rücken- oder Nackenschmerzen. Nur wenn Arbeitsplätze ergonomisch gestaltet sind, ist gewährleistet, dass dort über viele Jahre beschwerdefrei gearbeitet werden kann. Dazu zählt auch, dass die Arbeitsplätze frei von störenden Reflexionen sind.

Jeder, der mit einem hochglänzenden Notebook arbeitet, kann feststellen, wie lästig Reflexionen sein können. In der Regel weicht man den Reflexionen durch Änderungen der Körperhaltung aus, die häufig ergonomisch ungünstig sind. Versucht man, die künstliche Beleuchtung von Arbeitsplätzen oder die Tageslichtbeleuchtung so zu gestalten, dass mit glänzenden Arbeitsmitteln störungsfrei gearbeitet werden kann, so stellt man schnell fest, dass dies nicht möglich ist.

Aus diesem Grund legt die europäische Bildschirmrichtlinie (90/270/EWG – Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten) fest, dass Bildschirme und andere Arbeitsmittel frei von störenden Reflexionen und Spiegelungen sein müssen. Normen zur Beleuchtung wie die DIN 5035-1 empfehlen seit 1969 matte Oberflächen für alle Arbeitsmittel. Die gesetzliche Unfallversicherung VBG rät seit über 30 Jahren zu matten Arbeitsmitteln und hat damit nur positive Erfahrungen gemacht.

Was die Gehäuse von Bildschirmen betrifft, droht damit jetzt Schluss zu sein. Bei der Überarbeitung der Normenreihe ISO 9241-3xx „Ergonomie der Mensch-System-Interaktion“ versucht insbesondere die US-amerikanische Industrie, Anforderungen an Gehäuseglanzgrade von Bildschirmen aus den Normteilen 303 und 307 (EN ISO 9241-303 „Anforderungen an elektronische optische Anzeigen”; EN ISO 9241-307 „Analyse und Konformitätsverfahren für elektronische optische Anzeigen“) zu entfernen. Die Hersteller möchten sich von Geräteanforderungen trennen, die bei der Vermarktung hinderlich sein können. Damit kämen zukünftig Bildschirme mit glänzenden Gehäusen auf den Markt, die der europäischen Bildschirmrichtlinie nicht mehr entsprechen: Die Ergonomie wird geopfert, um mehr Freiheit für modische Designvorstellungen zu schaffen, obwohl es sich hier um Produktnormen handelt, deren Ziel es ist, die ergonomische Gestaltung von Arbeitsmitteln zu verbessern.

Auswirkungen glänzender Oberflächen

Die Internationale Beleuchtungskommission legt im Dokument CIE 146:2002 (CIE Collection on Glare) dar, dass die durch Glanz auftretenden Störungen von zwei Arten der Blendung herrühren:

• Die physiologische Blendung (CIE 17.4 – 1987, International lighting vocabulary) ist eine das Sehen beeinträchtigende Blendung durch Lichtstreuung im Auge. Aufgrund von Trübungen im Auge sind ältere Menschen für physiologische Blendungen empfindlicher als jüngere.

• Bei der psychologischen Blendung handelt es sich um störende und ablenkende Effekte von hellen Lichtquellen im peripheren Gesichtsfeld, die aber nicht unbedingt das Sehen beeinträchtigen. Sie kann erhebliche Auswirkungen auf das allgemeine Wohlempfinden, die Arbeitsleistung sowie die Konzentrationsfähigkeit haben und wesentlich zur Ermüdung beitragen, da eine ungewollte und ständige Ablenkung der Blickrichtung erfolgt.

 Die amerikanische Occupational Safety & Health Administration (OSHA) stuft Glanz als potentielle Gefährdung ein: „Reflektiertes Licht von polierten Oberflächen wie Tastaturen kann zu Belästigung, Beschwerden oder zur Minderung von Sehleistung und Sichtbarkeit führen. Um Reflektionen von Wänden und Arbeitsflächen zu beschränken, sollten nicht reflektierende Farben in mittleren Farbtönen verwendet werden“.

KAN-Positionspapier bündelt Arbeitsschutzinteressen

Damit Normanwender die Schutzziele der europäischen Arbeitsschutzrahmenrichtlinie (89/391/EWG – Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit) und der Bildschirmrichtlinie sowie die Vorgaben der nationalen Umsetzungen erfüllen können, setzen sich die deutschen Arbeitsschutzexperten dafür ein, die bisherigen Normanforderungen zu Gehäuseglanzgraden beizubehalten. Die KAN hat ein Positionspapier erarbeitet, in dem eine gemeinsame Linie des Arbeitsschutzes festgelegt wurde. Da die Arbeitsschutzziele nur mit Unterstützung anderer europäischer und internationaler Arbeitsschutzexperten durchgesetzt werden können, werden diese gebeten, die deutsche Position aktiv zu unterstützen.

Die länderübergreifende Zusammenarbeit des Arbeitsschutzes ist umso wichtiger, als eine Überarbeitung der europäischen Bildschirmrichtlinie geplant ist. Auch hier ist es entscheidend, dafür zu sorgen, dass möglichst viele ergonomische Anforderungen an Arbeitsmittel erhalten bleiben.

Dr. Peter Schäfer
peter.schaefer@vbg.de