KANBrief 3/09

Ein Stapel neuer Normen für Stapler

Die Veröffentlichung neuer Normen für Flurförderzeuge (zum Beispiel Gabelstapler, Hubwagen) steht kurz bevor. Die Besonderheit: Da international kein Konsens erreicht wurde, gibt es neben der Grundnorm sowie Ergänzungsteilen auch zwei Normenteile, die regional verschieden geregelte Anforderungen enthalten. Der europäische Teil stellt sicher, dass die Anforderungen der Norm nicht im Widerspruch zu den Europäischen Richtlinien stehen.

Was lange währt, wird gut. Zumindest besser, sollte als Zusatz gelten, wenn es um die neue internationale Normenreihe ISO 3691 „Flurförderzeuge – Sicherheitsanforderungen und Verifizierung“ geht. Sie soll nach Jahren der Diskussion und mehreren Entwürfen in der ersten Hälfte 2010 als Europäische Norm veröffentlicht und im Amtsblatt der EU gelistet werden. Die Normenreihe wird damit die bisherigen Europäischen Normen für diesen Bereich (zum Beispiel EN 1726 „Sicherheit von Flurförderzeugen“) ablösen.

Globaler Ansatz

Das Vorhaben von ISO, eine einheitliche Flurförderzeugnorm für die ganze Welt zu schaffen, ist an der Unvereinbarkeit der Forderungen aus Europa, den USA, Japan und Australien gescheitert. Daher wurden als Ausweg regional geltende Anforderungen formuliert. Um eine Übernahme in das europäische Normenwerk und insbesondere eine Harmonisierung unter der EG-Maschinenrichtlinie zu ermöglichen, ist die Normenreihe nach der Route C der CEN-Leitlinie zur Globalen Relevanz (Guidance on the implications of the ISO Global Relevance policy for CEN standardization (pdf)) modular aufgebaut: Eine EN-ISO-Kern-Norm wird durch regional geltende technische Spezifikationen ergänzt. Damit soll für Europa sichergestellt werden, dass alle nach Norm gefertigten Geräte die Anforderungen der relevanten EG-Richtlinien erfüllen.

Die ISO-Normenreihe besteht aus acht Teilen. Teil 1 ist als Grundnorm ausgelegt und enthält Anforderungen an die Konstruktion für die meisten Typen von Flurförderzeugen. Die Teile 2, 4, 5 und 6 gelten für spezielle Bauarten, zum Beispiel mitgängerbetriebene oder fahrerlose Flurförderzeuge. Teil 3 enthält ergänzende Anforderungen zu Teil 1 speziell für Flurförderzeuge mit hebbarem Fahrerplatz.

Um die Normenreihe veröffentlichen zu können, wurden diejenigen Anforderungen, bei denen sich die Experten aus der EU nicht mit denen anderer Staaten einigen konnten, in zwei gesonderte Teile (7 und 8) verlagert. Diese haben bei ISO den Status von technischen Spezifikationen und sind keine Normen. Teil 7 stellt zusätzliche Anforderungen an Produkte, die in Mitgliedstaaten der EU in Verkehr gebracht werden sollen. Er wird von CEN als Europäische Norm übernommen. Zusätzliche Anforderungen für Staaten außerhalb der EU sind im Teil 8 enthalten, der nicht ins europäische Normenwerk aufgenommen wird.

Werden in Zukunft, das heißt nach Bekanntgabe der Normenreihe im Amtsblatt, Flurförderzeuge nach den Teilen 1 und 7 gefertigt, kann davon ausgegangen werden, dass sie für die in den Normen behandelten Punkte die Anforderungen der EG-Maschinenrichtlinie erfüllen.

Verbesserung aus Sicht des Arbeitsschutzes

Die neue Normenreihe stellt aus Sicht des Arbeitsschutzes eine Verbesserung gegenüber den derzeit geltenden Anforderungen dar. Insbesondere im Bereich der Sicherung gegen unbeabsichtigte beziehungsweise unvorhergesehene Bewegung des Staplers und des Lastaufnahmemittels spiegelt die neue Norm den Stand der Technik besser wider. Beispielsweise darf künftig nach der Norm bei Flurförderzeugen mit mitfahrendem Fahrer eine kraftbetriebene Fahrbewegung nur möglich sein, wenn der Fahrer die normale Bedienposition einnimmt. In der aktuellen Norm ist dies für Flurförderzeuge mit Verbrennungsmotor nicht gefordert – eine Tatsache, die wiederholt zu Unfällen führte.

Weitere Arbeit notwendig

Trotz der Fortschritte weist auch die neue Normenreihe noch Defizite auf. Dies betrifft zum Beispiel die dynamische Standsicherheit, die Ladekontrolle, die Sichtverhältnisse und die Zugangsmöglichkeiten zum Fahrerplatz. Jedoch wird speziell in Europa bereits an diesen Themen gearbeitet: Für die Prüfung der dynamischen Stabilität wird eine eigene Norm formuliert. Verbesserungen in den anderen Bereichen könnten über den europäischen Teil 7 in die Norm eingebracht werden. Durch diese schrittweisen Ergänzungen soll erreicht werden, dass die Norm zukünftig alle relevanten Richtlinienanforderungen umsetzt.

Dr. Michael Thierbach
thierbach@kan.de