KANBrief 3/09

Absturzsicherung mit Auffanggeräten: Ziel ,Europäischer Binnenmarkt` noch nicht erreicht

Mitlaufende Auffanggeräte mit fester Führung werden zur Absturzsicherung von Personen zum Beispiel auf Steigleitern eingesetzt. Normalerweise müssten sie in Europa nach EN 353-1 hergestellt und in Verkehr gebracht werden können. In dieser Norm wird jedoch die vorhersehbare Verwendung nicht ausreichend behandelt. Dies trug dazu bei, dass es immer wieder zu schweren Unfällen kam, und veranlasste die britischen Behörden, einen formellen Einwand vorzubringen.

Die Bestimmungen der EN 353-1 „Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz - Teil 1: Mitlaufende Auffanggeräte einschließlich fester Führung“ (früher: Steigschutzeinrichtungen einschließlich fester Führung) decken derzeit nur das normale Auf und Absteigen entlang einer korrekt installierten festen Führung ab. Beispielsweise ist die Verwendung in beengten Arbeitsumgebungen nicht berücksichtigt. Auch dürfen im Falle eines Absturzes keine besonderen Umstände den anfänglich senkrechten Fall des Benutzers beeinflussen, und das System darf zum Beispiel nicht eingesetzt werden, um die Position bei Arbeiten in der Höhe zu sichern. Die Norm deckt also nur den Fall ab, dass das System streng nach den Vorgaben des Herstellers verwendet wird. Andernfalls ist es möglicherweise nicht voll funktionsfähig und kann die Sicherheit des Benutzers gefährden.

Was fällt unter vorhersehbare Verwendung?

Die Abschnitte 1.1.1 und 3.1.2.2 des Anhangs II der europäischen Richtlinie über Persönliche Schutzausrüstung (PSA) (89/686/EWG) verpflichten den Hersteller ausdrücklich dazu, nicht nur die bestimmungsgemäße, sondern auch die vorhersehbare Verwendung von Persönlicher Schutzausrüstung zu berücksichtigen. Hersteller müssen also nicht nur dann die Sicherheit gewährleisten, wenn die PSA unter genau den von ihnen definierten Bedingungen verwendet wird, sondern auch, wenn sie der Anwender in vorhersehbarer Weise anders einsetzt.

Schwere Unfälle, die sich in den vergangenen Jahren durch die falsche Verwendung von Auffanggeräten ereignet haben zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Experten sind sich zum Beispiel einig, dass die EN 353-1:2002 um zusätzliche Gestaltungsanforderungen ergänzt werden muss, um die vorhersehbare Verwendung besser zu berücksichtigen.

Aus deutscher Sicht werden insbesondere folgende Aspekte derzeit von der EN 353-1:2002 nicht angemessen behandelt:

  • Mögliche horizontal wirkende Kräfte auf das Gerät.
  • Seitlicher Fall des Benutzers.
  • Erhöhter Abstand zwischen der Führung und dem Schwerpunkt des Benutzers, zum Beispiel aufgrund mangelhafter Anpassung des Auffanggurtes.
  • Manuelle Führung des mitlaufenden Auffanggeräts.
  • Prüfanforderungen an die Endsicherung für Fälle, in denen die Führung nicht bis zum Boden reicht.

Es besteht jedoch auf europäischer Ebene kein Konsens darüber, mit welchen konkreten Methoden diese Aspekte zu prüfen sind.

Europäischer Binnenmarkt noch nicht Realität

Anders als für den Binnenmarkt im Neuen Konzept gefordert, werden Baumusterprüfungen für mitlaufende Auffanggeräte mit fester Führung nicht einheitlich durchgeführt. Es besteht die Möglichkeit, dass sich einige Benannte Stellen ausschließlich nach den Bestimmungen der EN 353-1:2002 richten, während andere aufgrund unterschiedlicher nationaler Ansätze verschiedene zusätzliche Prüfungen durchführen.

Nach einem formellen Einwand der britischen Behörden gegen diese harmonisierte Norm wird nun erwartet, dass die Europäische Kommission – nach Anhörung der Mitgliedstaaten in der PSA-Arbeitsgruppe – in Kürze die Fundstelle der Norm vollständig aus dem Amtsblatt der EU zurückzieht. Damit wird die Anwendung dieser Norm nicht mehr die Vermutungswirkung auslösen – auch nicht für diejenigen Richtlinienanforderungen, die eigentlich korrekt umgesetzt sind. Aus deutscher Sicht wäre es sinnvoller gewesen, die Fundstelle nicht komplett zurückzuziehen, sondern sie mit einem geeigneten Warnhinweis zu versehen.

Hersteller und Prüfer von Auffanggeräten müssen für die bereits seit längerem bekannten Probleme nun einvernehmliche Lösungen finden. Die Europäische Kommission ist gefordert, in einem Normungsmandat die oben aufgeführten Schwachstellen aufzuzeigen und auf einen raschen Konsens zu drängen. Auf dieser Grundlage sollte das CEN/TC 160 „Schutz gegen Absturz und Arbeitsgurte“ die Arbeiten an der EN 353-1 so schnell wie möglich abschließen.

Corado Mattiuzzo
mattiuzzo@kan.de