KANBrief 3/09

PSA zum Schutz von Störlichtbögen

Bei Arbeiten an elektrischen Anlagen können Störlichtbögen entstehen, die in Sekundenbruchteilen enorme Energiemengen freisetzen und in der Nähe befindlichen Personen lebensgefährliche Verletzungen zufügen können. Um den extremen Gefährdungen in der Praxis besser begegnen zu können, hat eine Arbeitsgruppe der KAN in einem ersten Schritt Ziele und Forschungsbedarf für Schutzmaßnahmen gegen Störlichtbögen formuliert.

Bei Störlichtbögen wird Energie in Form von extremer Hitze abgegeben, begleitet von einer Druckwelle, einem lauten Knall, einem Lichtblitz und Strahlung. Nicht nur aufgrund dieser Bandbreite unterschiedlicher Einwirkungen ist die Gefährdungsanalyse bei elektrischen Anlagen sehr komplex. Insbesondere sind die Gefährdungen – anders als beispielsweise bei der Lärmexposition – nicht eindeutig zu bemessen. Die Schwierigkeit besteht darin, von den Anlagencharakteristika und den potenziell auftretenden Emissionen auf die tatsächlich auf den Menschen einwirkenden Immissionen, insbesondere die Einwirkenergien, zu schließen. Der Betreiber kann jedoch die Gefährdung nur auf Grund der Anlagencharakteristika analysieren und entscheiden, ob und unter welchen Umständen er seine Arbeitnehmer sicher arbeiten lassen kann. Aufgrund der Gefährdungsanalyse muss er gegebenenfalls Persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung stellen, die die Energien, die bei einem Störlichtbogen auf Personen einwirken können, so weit vermindern, dass zum Beispiel keine Hautverbrennungen zweiten Grades auftreten.

Die DKE erarbeitet gegenwärtig Verfahren zur Anlagencharakterisierung. Sie sollen dem Betreiber ermöglichen, seine Anlagen nach potenziell auftretenden Einwirkenergien so zu klassifizieren, dass er jeweils geeignete PSA für deren Benutzung auswählen kann. Mit der Frage, welche PSA bei welcher Einwirkenergie geeignet ist, befasst sich parallel die Normenreihe EN (IEC) 61482 („Arbeiten unter Spannung – Schutzkleidung gegen die thermischen Gefahren eines elektrischen Lichtbogens“) über Kleidung zum Schutz vor Störlichtbögen. Deren Prüfverfahren nutzen definierte Einwirkenergien, um – im Gegensatz zu den bisher angewandten subjektiveren, rein visuellen Verfahren (wie zum Beispiel in der ehemaligen ENV 50354)– den Wärmedurchgang durch PSA zu messen und auf dieser Grundlage Schutzklassen festzulegen.

Diskussion der PSA-Normung

Bei Prüfungen von Schutzkleidung der höchsten Schutzklasse (Klasse 2) wird nach EN 61482-1-2 ein Mittelwert der thermischen Energie von 423 kJ/m2 zugrunde gelegt. Da beim Arbeiten an geöffneten, lichtbogengeprüften Nieder- oder Mittelspannungsanlagen jedoch auch höhere Einwirkenergien auftreten können, bezweifeln Kritiker der Norm ihre Relevanz für die Praxis und stellen zum Beispiel die Frage, ob eventuell eine dritte Schutzklasse notwendig ist. Aus Sicht der Prävention ist es jedoch fraglich, ob Arbeiten bei derart hohen potentiellen Einwirkenergien selbst mit thermisch noch besser schützender PSA überhaupt unter Spannung durchgeführt werden sollten, denn sie schützt nicht vor den Folgen anderer Gefährdungen wie Knall und Druckwelle.

Die Prüfanforderungen in der Norm EN 61482-1-2 (und IEC 61482-2) bilden – wie viele andere PSA-Normen – die mannigfaltigen in der Praxis auftretenden Anlagencharakteristika nicht exakt ab. Sie simulieren vielmehr die Einwirkungen, vor denen die PSA schützen soll, mit Hilfe anderer, prüftechnisch geeigneterer Parameter. Bei Betreibern führt dies häufig zu Verwirrung, da sie die Eignung der normgeprüften PSA irrtümlich auf Anlagen mit den Charakteristika der Prüfapparatur beschränken. Tatsächlich jedoch decken die simulierten Einwirkenergien einen großen Teil der möglichen Expositionen ab.

Gemeinsame Ziele

Eine KAN-Arbeitsgruppe hat gemeinsame Ziele vereinbart, die den Schutz vor Störlichtbögen weiter verbessern und zum Teil auch in die Normung einfließen sollen:

  • Bereitstellung von Informationen über die Gefährdungen durch Störlichtbögen und Grenzen des Betriebs elektrischer Anlagen.
  • Umsetzung von Maßnahmen zur Vermeidung von Gefährdungen an der Quelle.
  • Unterstützung für Betreiber bei der Gefährdungsbeurteilung.
  • Initiierung folgender Forschungsarbeiten:

    - Aufklärung der schädigenden Wirkmechanismen auf Haut, Hornhaut des Auges und Retina

    - Quantifizierung der Lichtbogenspektren

    - Erfassung der Pyrolyseprodukte

    - Ermittlung der Lärmspitzenpegel

    - Erfassung der maximalen Kurzschlussströme bei Unfallmeldungen

    - Vergleichsmessungen zur Übertragbarkeit von Prüfverfahren

Die Arbeitsgruppe wird diese Punkte weiter verfolgen.

Corado Mattiuzzo
mattiuzzo@kan.de