KANBrief 3/09

Gehörschützer: Korrekturwerte bauen Brücke zwischen Laborprüfung und Praxis

Gehörschutz erreicht beim betrieblichen Einsatz oft eine geringere Schalldämmung als in der nach Norm durchgeführten Baumusterprüfung. Dies hat eine Studie des BGIA (IFA) – Institut für Arbeitsschutz der DGUV gezeigt (BGIA-Report 4/2009  „Schalldämmung von Gehörschützern in der betrieblichen Praxis – Studie von 2005 bis 2007“. Korrekturwerte für die im Labor gemessenen Dämmwerte sollen den Anwender in der Praxis bei der Auswahl des Gehörschutzes unterstützen. Auch die Normung bietet Ansätze, um die Diskrepanz zwischen Labor und Praxis zu verringern.

Die europäische Richtlinie für Persönliche Schutzausrüstung (89/686/EWG) fordert, dass vor dem Inverkehrbringen von Gehörschutz eine unabhängige dritte Stelle (Notifizierte Stelle) prüft, ob die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der Richtlinie eingehalten sind. In einer Labormessung wird dabei die unter standardisierten, optimalen Bedingungen mögliche Schalldämmung für jedes Produkt bestimmt. Der Hersteller muss die ermittelten Dämmwerte auf der Verpackung angeben. Damit hat der Anwender die Grundlage, um in der Praxis den für die jeweilige Lärmsituation geeigneten Gehörschutz auszuwählen und so die maximal zulässigen Expositionswerte aus der EG-Lärmrichtlinie 2003/10/EG einzuhalten.

In der Praxis ist jedoch die Schalldämmung meist wesentlich niedriger als die im Labor ermittelte. Folgende technische Aspekte können die Schutzwirkung beeinflussen:

  • Alterung oder Lagerung (Stöpsel sind nicht mehr elastisch genug, um sich dem Gehörgang anzupassen; eingedrückte Dichtungskissen oder verzogene Bügel von Kapselgehörschutz)
  • Probleme bei der Kombination mit anderer PSA (Helm, Schutzbrille et cetera)
  • Fehlende Kennzeichnung (Rechts-/Links-Verwechslung)

Eine weitere wesentliche Ursache liegt im falschen Gebrauch der PSA (falsche Größe oder Tragposition, Fehler beim Einsetzen des Gehörschutzes). Eine Rolle können außerdem die physischen Eigenschaften der Nutzer spielen (zum Beispiel sehr dichtes Kopfhaar, individuelle Ausformung des Gehörgangs).

Um die Einhaltung der maximal zulässigen Expositionswerte sicherstellen zu können, benötigen Anwender verlässliche Angaben zur Schalldämmung. Aus diesem Grund hat das BGIA (IFA) in Zusammenarbeit mit mehreren Berufsgenossenschaften in verschiedenen Industriebereichen die Schalldämmung dort verwendeter Gehörschützer unter den vorgefundenen Tragebedingungen gemessen. Zu mehr als 20 Modellen wurden über 800 Datensätze gewonnen. Das Messverfahren war dem zur Baumusterprüfung im Labor nach DIN ISO 4869-12 so weit wie möglich nachgebildet.

Die Studie zeigt, dass sich die ermittelten Abweichungen zwischen Labor- und Praxiswerten je nach Gehörschützertyp unterscheiden. Die größte Abweichung wurde mit fast 8 dB bei Gehörschutzstöpseln festgestellt, die vor Gebrauch zu formen sind. Eine deutlich geringere Abweichung wiesen beispielsweise fertig geformte Gehörschutzstöpsel auf; hier lag der Mittelwert bei 4,4 dB.

Aus den Ergebnissen der Studie hat der Fachausschuss „Persönliche Schutzausrüstung“ für jeden Gehörschützertyp konkrete Korrekturabschläge abgeleitet, um die vom Hersteller angegebenen Schalldämmungswerte an die Praxis anzupassen. Die Korrekturwerte wurden bereits in Veröffentlichungen der Unfallversicherungsträger (BG-Regel 194, BG-Information 5024 und 8621) übernommen.

Ansätze in der Normung

Messnormen dienen dazu, verschiedene Produkte durch standardisierte Prüfbedingungen vergleichbar zu machen. Abweichungen zu den Verhältnissen im betrieblichen Einsatz sind dabei unvermeidbar, sollten jedoch durch möglichst praxisnahe Prüfbedingungen für Gehörschützer so gering wie möglich gehalten werden. Wichtig ist, dass die Anwender über die Problematik ausreichend informiert werden.

Die technischen Ursachen für die festgestellten Abweichungen sollten vorrangig durch geeignete Festlegungen in Produktnormen behoben werden: Die Normen sollten Aspekte wie das Nachlassen der Schutzwirkung durch Alterung oder Lagerung mit berücksichtigen3 und eine angemessene Kennzeichnung der Produkte fordern. Darüber hinaus sollten Anforderungen an die vom Hersteller zu liefernde Benutzerinformation sicherstellen, dass der Anwender ausreichende Hinweise zur richtigen Benutzung der Gehörschützer erhält. Darin könnte auch angesprochen werden, dass die angegebene Dämmwirkung unter Laborbedingungen ermittelt wurde und in der Praxis möglicherweise geringer ist.

Dr. Sandra Dantscher
sandra.dantscher@dguv.de

 

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2 „Akustik; Gehörschützer; Subjektive Methode zur Messung der Schalldämmung“
3 Siehe auch KAN-Bericht 39 „Zeitabhängige Leistungsmerkmale von PSA und ihre Berücksichtigung in Normen“ www.kan.de