KANBrief 1/09

Milzbrand und Co. – Strittiges CEN-Dokument zur biologischen Sicherheit

Im Jahre 2007 hat ein internationaler Expertenkreis ein CEN-Dokument zu biologischen Risiken im Labor erarbeitet. Dieses CEN Workshop Agreement (CWA) 15793 „Laboratory Biorisk Management Standard“ (pdf, nicht barrierefrei) ist nicht unumstritten, da es Arbeitsschutzanforderungen enthält, die bereits europäisch oder national geregelt sind. Fraglich ist auch, ob CWAs überhaupt geeignet sind, Belange von Sicherheit und Gesundheit zu behandeln.

Das CWA „Laboratory Biorisk Management Standard“ soll der Sicherheit in biologischen Laboratorien und Anlagen dienen. Der Anwender soll Hilfestellung bekommen, um Risiken zu vermeiden, die mit der Handhabung, Lagerung und Entsorgung biologischer Agenzien und Toxine verbunden sind.

Die deutschen Vertreter des Arbeitsschutzes, aber auch Vertreter aus der Industrie und von Hochschulen hatten dieses Dokument abgelehnt: Das CWA berührt den betrieblichen Arbeitsschutz nach Artikel 137 EG-Vertrag. Es befasst sich mit dem Management der klassischen Sicherheit in biologischen Laboratorien und Anlagen (biosafety). Eine zweite Säule des Dokuments ist das Management der „biosecurity“. Dieser Begriff umfasst den Schutz vor Verlust, Diebstahl, Missbrauch oder unberechtigter Freisetzung von biologischen Agenzien oder Toxinen, wie es zum Beispiel bei einem terroristischen Anschlag denkbar wäre. Biosafety und Biosecurity haben eine unterschiedliche Zielrichtung, sind aber dennoch eng verzahnt. Das Dokument geht nicht ins technische Detail, sondern versteht sich als Leitlinie. Anmerkungen erläutern Aspekte wie die Gefährdungsanalyse oder die Rolle eines biologischen Sicherheitsbeauftragten oder -beraters. Auch Arbeitsschutz, Impfpflichten, Schulung des Personals, gute mikrobiologische Praxis oder Persönliche Schutzausrüstung thematisiert das CWA.

Diese betrieblichen Arbeitsschutzbelange sind bereits verbindlich geregelt, etwa in der europäischen Richtlinie zum Schutz vor biologischen Gefährdungen (2000/54/EG) oder national durch die Gentechniksicherheitsverordnung, das Gentechnikgesetz oder vertiefende Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe. Auch europäische Normen existieren bereits zu diesem Thema. Zudem besagen die CEN-Regularien bisher, dass CWA nicht für grundlegende Belange wie Sicherheits- und Gesundheitsaspekte vorgesehen sind.

Diese vielschichtigen Argumente konnten zwar die Veröffentlichung des CWAs nicht verhindern. Die deutschen Einsprüche bewirkten jedoch, dass die Inhalte sehr allgemein gehalten wurden.

Nun planen europäische und internationale Experten, das CWA mit vertiefenden Dokumenten zu einzelnen Aspekten, wie zum Beispiel zu einer Zertifizierung von Laboratorien auf Grundlage des CWA, zu unterfüttern. Auch hier ist der Arbeitsschutz gefordert, um Konflikte mit verbindlichen Regelungen zu verhindern. Daher hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter dem Dach des Ausschusses für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) einen nationalen Expertenkreis einberufen. Dieser Unterausschuss „Neue Entwicklungen“ befasst sich damit, wie man in Deutschland mit dem CWA umgeht und ob es in das bestehende Regelsystem einfügbar wäre.

Die Diskussion zur Rolle von CWAs in Fragen des Arbeitsschutzes ist aber auch eine grundsätzliche. Ursprünglich waren CWAs nicht dafür gedacht, Sicherheitsaspekte zu standardisieren, sondern eine Plattform für schnelllebige Inhalte wie in der Informationstechnologie bereitzustellen. CWAs werden im Rahmen von CEN-Workshops in relativ kurzer Zeit erarbeitet. Die Workshopteilnehmer spiegeln in der Regel die interessierten Kreise nur eingeschränkt wider, auch wenn die Workshops grundsätzlich für alle interessierten Kreise offen sind. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in Form einer zweimonatigen Umfrage ist lediglich optional. Zudem entscheiden die Workshop-Teilnehmer selbst, wann ein Dokument fertig zur Annahme ist. Konkurrierende CWAs sind erlaubt, so dass Doppelregelungen entstehen können.

Der Grad des Konsenses aller interessierten Kreise ist bei CWAs gegenüber klassischen Normen wesentlich niedriger. Dennoch können sie eine hohe faktische Wirkung entfalten. Die KAN sieht CWA als nicht geeignet an, um sicherheits- oder gesundheitsschutzrelevante Festlegungen zu treffen. Die in der KAN vertretenen Kreise halten es für notwendig, dass die europäischen Regeln für die Erarbeitung solcher Dokumente in diesem Sinne ergänzt werden.

Angela Janowitz
janowitz@kan.de