KANBrief 4/25

Fahrerlose mobile Maschinen: eine Herausforderung für den Arbeitsschutz

Die Entwicklung digitaler Technologien einschließlich Künstlicher Intelligenz hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Dadurch eröffnen sich auch für fahrerlose mobile Maschinen neue Einsatzmöglichkeiten. Sie können Arbeitsprozesse optimieren, körperliche Belastungen reduzieren und monotone Arbeiten übernehmen. Allerdings sind auch neue Risiken und Gefährdungsszenarien absehbar, die die Sicherheitstechnik aktuell noch vor Herausforderungen stellen.

Ob mobile Roboter und fahrerlose Transportfahrzeuge in Industrie und Logistik oder hochautomatisierte Maschinen in der Landwirtschaft: In unzähligen fahrenden mobilen Maschinen – und auch in Drohnen, vierbeinigen und humanoiden Robotern – kommt die fortgeschrittene Automatisierung zum Einsatz. Es kommen allerdings auch als konform gekennzeichnete Maschinen auf den Markt, die noch nicht vollständig ausgereift sind und deren Sicherheit daher noch nicht in allen Punkten technisch gewährleistet ist, so dass zusätzlich organisatorische Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen.

Angesichts des zunehmenden Erfolgs von fahrerlosen Autos, Mäh- oder Staubsaugerrobotern für den Hausgebrauch liegt der Gedanke nahe, dass fahrerlose (autonome) Maschinen ohne Einschränkungen und völlig sicher auch in Fabriken, Lagerhäusern, auf Baustellen oder Feldern eingesetzt werden können. Aber was versteht man überhaupt unter Autonomie? Im Automobilbereich wurden verschiedene Stufen der Autonomie klar definiert. Allerdings lässt sich diese Definition nur schwer auf Maschinen übertragen, da für diese andere Rechtsvorschriften und damit auch andere Gestaltungsvorgaben gelten. Maschinen müssen den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG bzw. demnächst der EU-Maschinenverordnung 2023/1230 entsprechen, in der der Gesetzgeber neue Anforderungen zur Autonomie mobiler Maschinen und zum Einsatz sich selbst fortentwickelnder Künstlicher Intelligenz eingeführt hat.

Laut den rechtlichen Vorgaben müssen Maschinen für die vorgesehenen Verwendungszwecke sicher eingesetzt werden können. Da die neue Technik bei immer mehr Anwendungen zum Einsatz kommt, nehmen auch die Interaktionen zwischen Beschäftigten und diesen Maschinen deutlich zu. Der Einsatz der Maschinen führt zu neuen Arbeitssituationen und verändert damit auch die Tätigkeit der Beschäftigten. Es ist daher wichtig, diese organisatorischen Veränderungen und neuen Interaktionen und ihre Gefährdungen mit zu berücksichtigen.

Das größte physische Risiko stellen direkte Kollisionen mit Personen dar, die sich in der Nähe der Maschine aufhalten. Auch besteht das Risiko, dass eine Person zwischen der Maschine und einem festen Gegenstand in der Umgebung eingeklemmt wird. Zudem kann die Maschine selbst, eine Last oder ein Hindernis, gegen das die Maschine fährt, herunterfallen oder umkippen und dabei eine Person treffen.

Gefährdungen und Lösungsansätze

Das französische Arbeitsschutzinstitut INRS befasst sich mit diesen Gefährdungen, indem es sich einerseits aktiv an der Erarbeitung von Normen für diese Maschinen beteiligt, insbesondere an der EN ISO 3691-4 für fahrerlose Flurförderzeuge. Außerdem untersucht es, wie diese Maschinen unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der Technik zur Personenerkennung in zuvor festgelegte Umgebungen integriert werden können. Da die Maschinen mobil sind und sich daher prinzipiell frei bewegen können, müssen sie in der Lage sein, ihre Umgebung wahrzunehmen und sich sicher darin zu bewegen.

Bei mobilen Maschinen mit Fahrer ist das Risiko von Kollisionen zwischen Maschinen und Personen seit langem bekannt, kann jedoch nach wie vor nicht vollständig durch technische Maßnahmen beseitigt werden. Es liegt daher in der Verantwortung der Fahrer, die Maschine sicher zu verwenden. Da autonome mobile Maschinen keinen Fahrer haben, müssen das Kollisionsrisiko und die übrigen oben genannten Risiken anders als durch menschliches Eingreifen verhindert werden, vorzugsweise durch technische Lösungen. Derzeit bestehen hierfür jedoch noch technische Grenzen. Zwar sind einige mobile Maschinen mit Einrichtungen wie Sicherheitsscannern ausgestattet, allerdings können diese nicht alle denkbaren Szenarien abdecken, die bei der Bewegung der Maschine in ihrer Umgebung auftreten können. Solange noch keine technische Lösung verfügbar ist, die autonome Maschinen vollständig sicher macht, ist zu prüfen, ob überhaupt eine Konformität zur Verordnung gewährleistet werden kann. Sollte das der Fall sein, dann ist es für die Betreiber unerlässlich, den Einsatz dieser Maschinen schon vor der Anschaffung gut vorzubereiten, also sämtliche Gefährdungen, Belastungen und Risiken zu ermitteln und alle notwendigen Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

Wichtig bei mobilen Maschinen ist außerdem eine genaue Festlegung der Aufgaben sowie eine Analyse der Waren- und Personenströme in dem Bereich, in dem sich die Maschine bewegt. So lassen sich organisatorische Veränderungen und potenzielle Wechselwirkungen ermitteln. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Betrachtung der Umgebung mit ihren zahlreichen Variablen, die es zu ermitteln gilt: Bodenbeschaffenheit, möglicherweise vorhandene Gegenstände, Feuchtigkeits-, Temperatur- und Lichtverhältnisse usw.

Da technische Schutzmaßnahmen derzeit kaum alle relevanten Parameter erfassen können, sind zusätzlich organisatorische Maßnahmen notwendig, um die Restrisiken abzudecken. Dazu gehören etwa die Gestaltung der Arbeitsumgebung, z. B. das weitgehende Freihalten des Arbeitsbereichs und Hinweisschilder, sowie die notwendigen Informations- und Schulungsmaßnahmen.

Aktuell beruht die Sicherheit von fahrerlosen mobilen Maschinen noch stark auf betrieblichen Maßnahmen, da weiterhin Lücken in der technischen Sicherheitsausstattung bestehen. Nun kommt es darauf an, diese Lücken so schnell wie möglich zu schließen, um die Sicherheit bereits bei der Konstruktion von Maschinen besser zu integrieren und so die Sicherheit für die diversen betrieblichen Anwendungsfälle zu verbessern.

Jean-Christophe Blaise

Institut national de recherche
et de sécurité (INRS)

Leiter des Labors für die
Sicherheit von Arbeitsmitteln und Automatisierungstechnik

jean-christophe.blaise@inrs.fr