KANBrief 4/25

Omnibus-Pakete: EU-Reformen im Schnellverfahren

Seit Februar 2025 verfolgt die Europäische Kommission mit einer Reihe sogenannter Omnibus-Pakete das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu stärken. Die Omnibus-Pakete sind Teil einer umfassenden Strategie zur Förderung von Wachstum, Innovation und Investitionen in der EU.

Die Omnibus-Pakete sind gebündelte Gesetzesvorschläge, die mehrere bestehende Rechtsakte gleichzeitig überarbeiten. Anders als bei der Überarbeitung einzelner Gesetze werden gezielt punktuelle Anpassungen vorgenommen, thematisch zusammengefasst und gemeinsam vorgelegt. Die Gesetzespakete dienen als Instrument zur Umsetzung politischer Prioritäten und enthalten reguläre EU-Rechtsakte, also Verordnungen und Richtlinien, die dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens vorgelegt werden. Aufgrund gemeinsamen politischen Willens sollen sie jedoch beschleunigt behandelt werden.

Seit Februar hat die Europäische Kommission bereits sieben Omnibus-Pakete vorgelegt (siehe Abbildung), viele weitere sind in Planung.

26. Februar 2025 Omnibus I: Nachhaltigkeit
Omnibus II: EU-Investitionen
14. Mai 2025 Omnibus III: Gemeinsame Agrarpolitik
21. Mai 2025 Omnibus IV: Binnenmarkt und Digitalisierung
17. Juni 2025 Omnibus V: Verteidigung
8. Juli 2025 Omnibus VI: Chemikalien
19. November 2025 Omnibus VII: Digital-Omnibus
Geplant 2026 Automobilindustrie, Umwelt, Steuern,
Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,
Medizinprodukte, Energieprodukte

 

Ziele und Inhalte

Die Europäische Kommission verfolgt mit den Omnibus-Paketen ambitionierte Ziele: Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sollen durch eine Vereinfachung von Vorschriften von unverhältnismäßigen Berichtspflichten entlastet und Verwaltungskosten für Unternehmen bis 2030 um 25 Prozent, für KMU sogar um 35 Prozent, verringert werden. Dies entspricht potenziellen Einsparungen in Höhe von 37,5 Mrd. Euro. Im Fokus der Maßnahmen stehen die Themen Nachhaltigkeit, Landwirtschaft, Verteidigung und Digitalisierung. Die Pakete sind damit nicht nur ein Werkzeug zur Entbürokratisierung, sondern auch zur Umsetzung strategischer Zukunftsziele der EU.

Relevanz für die KAN: Das Omnibus-Paket IV

Für die Arbeit der KAN ist das am 21. Mai 2025 veröffentlichte Omnibus-Paket IV von Bedeutung. Es enthält verschiedene Gesetzesvorschläge mit Vereinfachungs- und Entlastungsmaßnahmen, die Wachstumsanreize für KMU schaffen und Prozesse digitalisieren sollen.

Dabei sind insbesondere die Vorschläge für eine Verordnung sowie eine Richtlinie zur Digitalisierung und zum Instrument der Common Specifications relevant. Hiermit soll die Ermächtigung der Europäischen Kommission zum Erlass von Common Specifications auf weitere Binnenmarktvorschriften ausgeweitet werden.

Common Specifications

Common Specifications sind europäische Durchführungsrechtsakte, die als Alternative zu harmonisierten Normen dienen sollen, falls die europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI trotz bestehender Normungsaufträge keine oder unzureichende harmonisierte Normen vorlegen. Die Europäische Kommission sieht in solchen Fällen die Notwendigkeit, Unternehmen durch Common Specifications Rechtssicherheit zu bieten.

Bereits im Oktober 2024 hat sich die KAN in einem Positionspapier kritisch mit diesem Instrument auseinandergesetzt. Auch zu den aktuellen Gesetzesvorschlägen hat die KAN im August 2025 eine Stellungnahme eingereicht. Darin setzt sie sich insbesondere für folgende Punkte ein:

  • Vorrang harmonisierter europäischer Normen: Das Instrument der Common Specifications sollte nur als „außergewöhnliche Ausweichlösung“ in Betracht kommen. Dem europäischen Normungssystem und der Entwicklung von harmonisierten Normen ist grundsätzlich Vorrang einzuräumen. Die im Normungssystem verankerten Prinzipien wie ein transparenter Erarbeitungsprozess, die Beteiligung aller betroffenen Kreise und die Erarbeitung im Konsens sind unabdingbar.
  • Eng gefasste Erlassvoraussetzungen: Die KAN kritisiert die Ausweitung der Anwendungsfälle von Common Specifications, insbesondere die Möglichkeit, diese bei „dringenden Bedenken“ der Kommission ohne klar definierte und nachprüfbare Kriterien zu erlassen.
  • Transparente Verfahren und rechtsverbindliche Kriterien: Das Erarbeitungsverfahren für Common Specifications ist bislang nicht ausreichend geregelt. Prozesse müssen klar, öffentlich nachvollziehbar und rechtsverbindlich sein.
  • Beteiligung aller relevanten Interessenträger: Die KAN warnt davor, dass Common Specifications das Normungssystem mit seinen etablierten Grundsätzen und Beteiligungsprozessen zu unterlaufen drohen. Sie fordert eine systematische Einbindung von gesellschaftlichen Interessenträgern.
  • Horizontaler Rechtsrahmen: Common Specifications sollten in einem übergreifenden Rechtsakt verankert werden, etwa im Zuge der Überarbeitung der Normungsverordnung (EU) Nr. 1025/2012. Dies soll Fragmentierung vermeiden und Einheitlichkeit sichern.