KANBrief 4/24

Drei Fragen an … Ilka Wölfle, Direktorin der Deutschen Sozialversicherung Europavertretung

Ilka Wölfle spricht über die Aufgaben und aktuellen Themen der Deutschen Sozial­versicherung Europavertretung (DSV), die die Interessen der Deutschen Renten-, Kranken-, Pflege- und gesetzlichen Unfallversicherung auf europäischer Ebene vertritt.

Was prägt Ihren Arbeitsalltag in der DSV und mit welchen Themen beschäftigen Sie sich?

Unser Büro liegt ganz in der Nähe der europäischen Institutionen, und genau da sitzen unsere wichtigsten Ansprechpartner. Eine unserer zentralen Aufgaben ist es herauszufinden, welche Gesetzesvorhaben in der Pipeline stecken und was die Europäische Kommission für die Zukunft plant. Dann müssen wir beurteilen, ob und inwieweit sich diese Vorhaben auf die Sozialversicherung auswirken können. Über persönliche Verbindungen in unserem großen Netzwerk versuchen wir dann, auf die politischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Dazu sprechen wir immer wieder mit Politikern und bieten unsere Fachexpertise an, um sie bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Ein gutes Beispiel ist die Asbestexposition am Arbeitsplatz. Ende letzten Jahres wurde der Richtlinienvorschlag verabschiedet, der den aktuellen Grenzwert im Dezember 2025 von derzeit 0,1 auf 0,01 Asbestfasern pro cm³ herabsenken wird. Wir haben schon im Vorfeld mit der EU-Kommission und während des Gesetzgebungsverfahrens mit den Abgeordneten gesprochen, um zu erklären, was in der Praxis überhaupt umsetzbar ist. Uns war es vor allem wichtig, dass der neue Grenzwert mit den zur Verfügung stehenden Messmethoden überhaupt messbar ist. Dabei mussten wir die technischen Feinheiten und Details möglichst einfach und plausibel erklären, und das nicht nur auf Deutsch, sondern teilweise auch auf Englisch und Französisch. Die Mitgliedstaaten haben bis Dezember 2029 Zeit, um ihre Messmethoden anzupassen. Denn nach dieser Übergangsfrist soll für den Nachweis von Asbestfasern nur noch die Elektronenmikroskopie genutzt werden.

Wir tauschen uns natürlich auch regelmäßig mit unseren Trägern über alle relevanten Initiativen aus und stimmen für viele Themen Positionen ab. Es gibt Wochen, in denen ich an einem Tag über Fragen zum Arbeitsschutz und in den nächsten Tagen über Arzneimittel, Medizinprodukte, Chemikalien oder die soziale Absicherung von Plattformbeschäftigten spreche. Hinzu kommen viele Initiativen und Diskussionen, die aus dem demografischen, dem digitalen und dem grünen Wandel resultieren. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, wie in einer älter werdenden Gesellschaft angemessene Einkommen im Alter sichergestellt werden können.

Welche Berührungspunkte haben Sie mit dem Arbeitsschutz und der KAN?

Das Anliegen, den Beschäftigten sichere und gesunde Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, verbindet uns mit der KAN. Wenn es etwa um Produktsicherheit geht, spielt die Normung eine wichtige Rolle. Aber auch bei anderen Themen mit Arbeitsschutzbezug haben wir immer wieder Berührungspunkte zur Normung. So verfolgen wir gemeinsam die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und haben uns in den letzten Jahren viel zur Änderung der EU-Maschinenverordnung ausgetauscht. Bei allen Initiativen der Europäischen Kommission, die sich auf den Arbeitsschutz beziehen, ist die Expertise der KAN sehr willkommen und wir sind froh darüber, mal eben zum Hörer greifen und die Geschäftsstelle anrufen zu können. Ich erinnere mich an viele Gespräche, als es vor einigen Jahren um die Bestrebungen auf europäischer Ebene ging, Normen für Gesundheitsdienstleistungen zu entwickeln. Da haben wir auch gemeinsame Aktivitäten entwickelt, um das Thema in eine richtige Richtung zu bringen. Unser regelmäßiger Austausch wird auch in dieser Legislaturperiode wichtig bleiben, denn die Evaluierung der Normungsverordnung beschäftigt nicht nur die KAN, sondern auch die DSV.

Welche Rolle spielt die European Social Insurance Plattform (ESIP), in der Sie Vorstandsmitglied sind, für die deutsche Sozial­versicherung?

Die ESIP vereint 45 Sozialversicherungsträger aus 17 europäischen Ländern unter einem Dach. Hier haben wir die Möglichkeit, uns untereinander auszutauschen und trotz unterschiedlicher Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme gemeinsame Lösungen für Herausforderungen wie die Digitalisierung oder den Klimawandel zu finden. Zudem sind die europäischen Institutionen in Brüssel, insbesondere die EU-Kommission, vor allem an europäischen Meinungen interessiert. Deshalb bringen wir unsere deutschen Positionen in ESIP ein und versuchen dann, daraus gemeinsam mit unseren Partnern eine europäische Stimme zu formen. ESIP fungiert also als das Sprachrohr der Sozialversicherung in Europa.