KANBrief 3/24

KAN beteiligt sich an Konsultation zur EU-Normungsverordnung

Die Europäische Kommission hat am 2. Mai 2024 eine öffentliche Konsultation zur Evaluation der Normungsverordnung (EU) 1025/2012 veröffentlicht. Die KAN hat in ihrer Stellungnahme auf einige wichtige Punkte aus Sicht des Arbeitsschutzes hingewiesen.

Die Normungsverordnung ist ein Eckpfeiler des Europäischen Normungssystems. Sie legt den Rechtsrahmen zur Erarbeitung von harmonisierten Normen in der Europäischen Union fest. Bereits in der EU-Normungsstrategie 2022 hatte die Europäische Kommission angekündigt, dass die Normungsverordnung neu bewertet und daraufhin überprüft werden sollte, ob sie mehr als zehn Jahre nach Beginn ihrer Anwendung noch zweckmäßig ist oder ob angesichts der Entwicklungen im Umfeld der Normung auf nationaler, europäischer und globaler Ebene, Anpassungen erforderlich sind. Mit einer öffentlichen Konsultation hat sie Marktteilnehmende und interessierte Kreise daher aufgefordert, sich mittels eines Fragebogens zu verschiedenen Aspekten des europäischen Normungssystems wie seinen Errungenschaften, seiner Effizienz und seinem Mehrwert, aber auch seinen Defiziten zu äußern.

Die KAN hat ein ausführliches Feedback zu dieser Konsultation abgegeben. Aus ihrer Sicht ist das europäische Normungssystem ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Binnenmarktes. In ihm verankerte Grundsätze wie Transparenz, eine breite Beteiligung aller relevanten Kreise sowie die Erstellung von Normen im Konsens sind unverzichtbar. Auch wenn diese Prinzipien dazu führen, dass der Normerarbeitungsprozess eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, setzt die KAN sich dafür ein, diese unbedingt beizubehalten und weiter auszubauen.

Zeitverluste bei Prüfung und Listung reduzieren

Bei Normen, die die Normungsorganisationen im Auftrag der Europäischen Kommission erarbeiten, ist allerdings der Druck, diese innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens fertigzustellen, erhöht worden. Die Europäische Kommission ist an schnellen Ergebnissen der Normungsarbeit interessiert. Obwohl es zwar grundsätzlich wünschenswert ist, dass sich Normungsprojekte nicht übermäßig in die Länge ziehen, weist die KAN in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass weiterer Zeitdruck nicht förderlich für die Qualität der Ergebnisse ist.

Zunächst sollte grundsätzlich differenziert werden zwischen dem zeitlichen Rahmen, der für die Erarbeitung der technischen Inhalte in den Normenausschüssen vorgesehen ist und dem Zeitfenster für die Prüfung harmonisierter Normen und ihrer Listung im EU-Amtsblatt.

Bei der technischen Normungsarbeit ist sicherzustellen, dass den notwendigen Prozessschritten ausreichend Zeit eingeräumt wird, um die Konsensfindung und die effektive Beteiligung aller relevanten Interessenträger zu ermöglichen. Normen müssen auf der breiten Expertise vieler verschiedener Interessenträger beruhen, damit sie qualitativ hochwertig sind und Gesellschaft, Wissenschaft und Staat einen Nutzen bringen.

Die Europäische Kommission hat das System der Harmonised Standards (HAS-) Consultants eingeführt, um Normen vor der Listung im EU-Amtsblatt auf ihre Übereinstimmung mit den EU-Richtlinien und -verordnungen prüfen zu lassen. Die KAN befürwortet dieses System grundsätzlich. Es führt jedoch auch dazu, dass der gesamte Normungsprozess verzögert wird: Das System wird als nicht effizient genug wahrgenommen und bedarf ausreichender Ressourcen. Hohe formale Anforderungen verlangsamen den Prozess zusätzlich, da sie häufig nachträgliche Korrekturschleifen erfordern. Aus Sicht der KAN sind zunächst all diese zeitlichen Einbußen abzustellen, bevor man die übrigen Schritte des Normungsprozesses weiter beschleunigt. Vom HAS-Consultant positiv bewertete Normen sollten so schnell wie möglich im Amtsblatt der EU gelistet werden.

Zügige Prozesse und ausgewogene Beteiligung

Die KAN spricht sich dafür aus, Zeitvorgaben im Erarbeitungsprozess nicht noch enger zu gestalten. Es ist ein Ausgleich zwischen einem strukturierten zeitlichen Rahmen und der Gewährleistung der Normungsprinzipien herzustellen. Dies gilt insbesondere für das Ziel, dass sich alle relevanten Interessenträger angemessen beteiligen können. In diesem Zusammenhang weist die KAN darauf hin, dass das Engagement der am Arbeitsschutz interessierten Kreise weiter gestärkt werden muss. Um sich effektiv an der Normung beteiligen zu können, sollten vorhandene Barrieren abgebaut und kostenfreie Partizipationsmöglichkeiten geschaffen werden.

Für gesellschaftliche Interessenträger sind ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen ein wichtiger Faktor. Durch die Förderung nach Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 haben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und gesellschaftliche Interessengruppen wie Verbraucher, Gewerkschaften und der Umweltschutz im Normungsprozess an Einfluss gewonnen. Die KAN weist jedoch auch darauf hin, dass es den Anhang-III-Organisationen nur in beschränktem Maße möglich ist, an den vielen potenziell für sie relevanten Arbeitsgruppensitzungen teilzunehmen. Zudem bilden sie nicht alle vom Norminhalt betroffenen Teile der Zivilgesellschaft, z. B. die Gruppe der Arbeitgeber/Betreiber, ab.

Nach Abschluss der Konsultation Ende Juli sichtet die Europäische Kommission nun die über 220 eingegangenen Stellungnahmen. Sollte sie Änderungsbedarf an der Verordnung sehen, ist geplant, dass sie im vierten Quartal 2024 Parlament und Rat einen entsprechenden Legislativvorschlag vorlegt.

Ronja Heydecke
heydecke@kan.de