KANBrief 3/24

Normung zwischen nationalen Anforderungen und Internationalisierung

Stefan Pemp hat von 2013 bis 2023 als Vertreter des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Arbeit und Gleichstellung für die Bundesländer in der KAN mitgearbeitet. Im Interview spricht er über seine Sicht auf die KAN und aktuelle Herausforderungen in der Normung.

Wieso ist das Thema Normung und die KAN für die Länder von Bedeutung?

Im technischen Arbeits- und Verbraucherschutz geht es darum, wie man die abstrakten Anforderungen aus beispielsweise EU-Richtlinien und -Verordnungen in konkrete Vorgaben an einzelne Produkte umsetzt. Hier bietet die Normung einen wertvollen Maßstab für die Marktüberwachung, die ja in der Zuständigkeit der Länder liegt. Anders ist es im Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes. Hier sind wir der Meinung, dass sich die Normung sehr zurückhalten sollte. Zwar ist der Druck international groß, auch in diesem Bereich zu normen. Allerdings passt dies nicht zur Struktur des Arbeitsschutzes, für den die EU ja nationale Regelungen vorsieht, die auch durchaus von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat abweichen können.

Die Mitarbeit der Länder in der Normung ist also aus vielfältigen Gründen geboten. Allerdings haben auch diese Probleme, ausreichende Ressourcen für die Mitarbeit bereitzustellen. Über die KAN haben die Länder die Möglichkeit, trotz begrenzter Ressourcen wirkungsvoll Einfluss zu nehmen, auch ohne dass ein Ländervertreter jede Norm persönlich begleitet. Das ist ein echter Synergieeffekt. Der Wert der KAN liegt aus Sicht der Länder insbesondere darin, mit Sachverstand auf die Normung zu sehen und die Interessen der Arbeitsschutzkreise zu bündeln. Darüber hinaus kann ich auch sagen, dass die Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern in der KAN und mit der Geschäftsstelle sehr freundlich, konstruktiv und nutzbringend ist.

Welche Themen aus Ihrer Arbeit in der KAN haben Sie besonders im Gedächtnis?

Ein seinerzeit ganz prominentes Thema war die Aufarbeitung der Situation bei den Landmaschinen-Normen. Dem Engagement lag eine KAN-Studie zugrunde, die zeigte, dass in den harmonisierten Normen zahlreiche grundlegende Anforderungen der Maschinenrichtlinie nicht konkretisiert waren und sich die Aufsichtsbehörden offenbar um die Landmaschinen de facto so gut wie nicht gekümmert hatten. Die Landwirtschaft war ein unbekanntes Wesen und die Landmaschinenbranche hatte sich – ohne Schelte verbreiten zu wollen – entsprechend auf diese Situation eingestellt. Es gab für die Hersteller schlicht keine Notwendigkeit, die Produktsicherheit zu berücksichtigen – wobei ich durchaus unterstelle, dass viele im Glauben waren, alles richtig zu machen. Die Initiative der KAN war ausgesprochen hilfreich, um die Situation aufzuarbeiten. Und so gibt es eine ganze Menge weiterer Beispiele, in denen die KAN hilfreich agiert, die Stakeholder zusammenbringt, erstmal analysiert, um dann zusammen mit allen Interessenvertretern Lösungen zu entwickeln.

Welche Themen werden Arbeitsschutz und Normung künftig besonders beschäftigen?

Ich möchte hier gerne zwei Bereiche ansprechen, in denen eine sehr starke Dynamik besteht. Zunächst einmal die Frage, wie harmonisierte Normen mit Vermutungswirkung in Bezug auf die zugrundeliegenden EU-Verordnungen oder -Richtlinien erarbeitet werden. In Zukunft wird man sehr stark darüber diskutieren müssen, wieviel quick and dirty die Normung verträgt. Man hört immer wieder, dass wir in der Normung schneller werden müssen, aber irgendwann kann die Beschleunigung auch zu Qualitäten führen, die nicht mehr vertretbar sind. Es muss vielleicht nicht immer die Goldrandlösung sein. Aber es wäre wichtig, vernünftige Verfahren zu finden, die die Anforderungen an Aktualität noch erfüllen, ohne die Qualität völlig über Bord zu werfen.

Das zweite Thema betrifft den betrieblichen Arbeitsschutz. Es gibt hier eine Rahmenrechtsetzung der EU mit Mindeststandards, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, eigene Anforderungen zu setzen. Wenn es dann den Wunsch nach einer internationalen Normung von Indien über Amerika bis Europa gibt, wird es natürlich schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. In diesem Bereich ist eben auch die Gefahr vorstellbar, dass sich die Normung mit der normativen Kraft des Faktischen in der Breite schlichtweg durchsetzt und vermeintlich kleinkarierte rechtliche Einwände irgendwelcher Mitgliedstaaten der EU nicht mehr wirklich Gehör finden. Ein praktikables Verfahren zu finden und die Normung im Sinne des nationalen Regelwerks aufmerksam zu begleiten, ist eine ehrenvolle, wenn auch keine leichte Aufgabe. Auch hier kann man sicherlich auf das Netzwerk der KAN setzen.

Mehr zur Rolle der Länder in der KAN hören Sie im Interview mit Stefan Pemp in Folge 20 des KAN-Podcasts.