KANBrief 2/25

Die Überarbeitung der EU- Normungsverordnung

Die Europäische Kommission bereitet derzeit die Überarbeitung der Normungsverordnung (EU) Nr. 1025/2012 vor. Die Verordnung bildet seit 2012 den Rechtsrahmen zur Erarbeitung von harmonisierten Normen in der Europäischen Union.

Die Normungsverordnung regelt die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und den europäischen Normungsorganisationen und legt Rahmenbedingungen wie die Finanzierung der von der Kommission beauftragten europäischen Normungsarbeit und die Beteiligung interessierter Kreise fest.

2023 hat die Europäische Kommission die Evaluation der Normungsverordnung initiiert. Wie auch in der EU-Normungsstrategie (pdf) angekündigt, sollte die Verordnung daraufhin überprüft werden, ob sie mehr als zehn Jahre nach Beginn ihrer Anwendung weiterhin zweckmäßig ist und mit den Entwicklungen in der Normung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene Schritt hält. Hierzu befragte die Europäische Kommission zwischen Mai und Juli 2024 die breite Öffentlichkeit und Interessenträger aus Wirtschaft und Gesellschaft. Die KAN hat sich mit einem ausführlichen Feedback an der Konsultation beteiligt und zentrale Anliegen des Arbeitsschutzes eingebracht (s. KANBrief 3/24).

Viele Interessenträger auf nationaler und europäischer Ebene äußerten sich im Rahmen der Konsultation dahingehend, dass sich die Normungsverordnung tatsächlich weiterhin als zweckmäßig erweise und lediglich im Bereich ihrer Umsetzung Verbesserungspotential zu erkennen sei. Aus Sicht der KAN ist das europäische Normungssystem ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Binnenmarktes. In ihm verankerte Grundsätze wie Transparenz, die Erstellung von Normen im Konsens sowie eine breite Beteiligung aller relevanten Kreise sind unverzichtbar.

Im November 2024 hat die Europäische Kommission die vorläufigen Ergebnisse der Evaluation vorgestellt. Im Hinblick auf die Beteiligung aller relevanten Kreise stellt sie noch Defizite fest. Grundsätzlich habe die Verordnung zwar ihr Ziel, die Beteiligung von Interessenträgern zu verbessern, weitgehend erreicht. Die Vertretung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Gewerkschaften sowie weiterer gesellschaftlicher Interessenträger wie Verbraucher und Umweltschutz durch die sogenannten Anhang-III-Organisationen wird seit Inkrafttreten der Verordnung auf europäischer Ebene gefördert. Dennoch seien Normungsaktivitäten für diese Akteure weiterhin zu komplex und zu kostenintensiv. Zudem sei die Vertretung gesellschaftlicher Interessen auf nationaler und internationaler Ebene uneinheitlich geregelt. All dies erschwere eine Beteiligung.

Erhöhter Verbesserungsbedarf wurde außerdem im Hinblick auf die Geschwindigkeit des Normungssystems erkannt. Die vollständige Erarbeitung einer Norm benötige derzeit im Durchschnitt sechs Jahre. Auch wenn sich dies im Vergleich zu vor Inkrafttreten der Verordnung schon beschleunigt habe, sei dieser Zeitraum weiterhin zu lang, um den aktuellen Erfordernissen des Binnenmarktes und der EU-Gesetzgebung gerecht zu werden. Das europäische Normungssystem tue sich schwer, harmonisierte europäische Normen so schnell zu liefern, wie es angesichts schneller Innovationszyklen neuer Technologien sowie zur Realisierung des europäischen Grünen Deals erforderlich wäre.

Normung als Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der EU

Die Europäische Kommission hat die Überarbeitung der Normungsverordnung im Januar 2025 als einen ihrer horizontalen Erfolgsfaktoren des „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ angekündigt. Seit Beginn der neuen europäischen Legislaturperiode hat die Normung für die Wettbewerbsfähigkeit der EU und den Erfolg des europäischen Binnenmarktes damit weitere Relevanz gewonnen. Die Kommission will den Normungsprozess beschleunigen und zugänglicher gestalten, insbesondere für KMU und Start-ups.

Barbara Bonvissuto, für die Normungspolitik zuständige Direktorin der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (GD GROW), erklärte im Februar 2025 im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des Europäischen Parlaments, dass sich das europäische Normungssystem zudem derzeit weiteren Herausforderungen stellen müsse. Zum einen wirke sich der geopolitische Wettbewerb in der internationalen Normung auf Bereiche aus, die kritisch zur Wahrung von europäischen Werten und wirtschaftlichen Interessen der EU seien. Außerdem sei die Kommission weiterhin mit der Aufgabe konfrontiert, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum freien Zugang zu harmonisierten Normen aus 2024 (sog. Malamud-Urteil vom 5. März 2024 (C-588/21 P)) umzusetzen.

Laut dem Fahrplan, den die Kommission im Februar 2025 im „Have your say“-Portal veröffentlicht hat, ist im nächsten Schritt für das zweite Quartal 2025 eine öffentliche Konsultation zur Überarbeitung der Verordnung vorgesehen. Ein konkreter Legislativvorschlag könnte dann im zweiten Quartal 2026 veröffentlicht werden.

Die KAN-Geschäftsstelle wird den weiteren Überarbeitungsprozess in den kommenden Jahren intensiv begleiten und sich für die Anliegen der Arbeitsschutzkreise einsetzen.

Ronja Heydecke
heydecke@kan.de