Von Schulen über die Feuerwehr bis hin zur Abfallentsorgung: Für rund neun Millionen Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung in etwa 590.000 Unternehmen und Einrichtungen des öffentlichen Sektors leistet die Normung einen wichtigen Beitrag zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten.
Die gesetzliche Unfallversicherung sichert in Deutschland Beschäftigte und weitere Personengruppen bei Unfällen und Berufskrankheiten ab. Sie gliedert sich in die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Letztere versichern nicht nur Beschäftigte im öffentlichen Dienst, sondern auch Kinder in Kitas und Schulen, Studierende sowie Ehrenamtliche und Teilnehmende an sozialen Maßnahmen wie Qualifizierungsprogrammen für Arbeitssuchende. Für diese sehr heterogene Gruppe gilt es nach §1 des Sozialgesetzbuchs VII, „mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten“. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn die Risiken unterscheiden sich je nach Tätigkeit und Berufsgruppe erheblich:
- Beschäftigte in Wasserwerken oder der Abfallentsorgung sind vermehrt Gefahrstoffen oder biologischen Risiken ausgesetzt.
- Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und Helfende im Katastrophenschutz tragen ein hohes Unfallrisiko bei Einsätzen und leiden oft unter psychischen Belastungen.
- Lehrkräfte, Erziehende oder Pflegepersonal sind von Infektionsrisiken, Lärmexposition und körperlichen Belastungen besonders betroffen.
- Verwaltungsangestellten fehlen häufiger ergonomische Bildschirmarbeitsplätze.
- Für Schüler, Schülerinnen und Studierende besteht die Gefahr, sich etwa beim Schulsport oder auf dem Weg zur Bildungseinrichtung zu verletzen.
Betriebliche Regelungen zur Sicherheit und Gesundheit trifft das nationale Vorschriften- und Regelwerk des Staates und der gesetzlichen Unfallversicherung. Wenn es um die Sicherheit von Produkten geht, mit denen die Versicherten in Berührung kommen, ist die Normung ein wirksames Mittel, um die vielfältigen Risiken bereits durch eine geeignete Konstruktion zu mindern, noch bevor die Produkte im Betrieb zum Einsatz kommen. Entscheidend ist dabei, Sicherheitsanforderungen konsequent in die nationale, europäische und internationale Normung einzubringen. Die Normen müssen gleichzeitig im Einklang mit unserer nationalen und europäischen Rechtsetzung und dem nationalen System technischer Vorschriften und Regeln stehen.
Wie Normung bereits erfolgreich zur Prävention für die Versicherten der Unfallversicherung der öffentlichen Hand beigetragen hat, zeigen konkrete Beispiele aus verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen:
- Schulranzen: Damit Kinder auf dem Schulweg auch im Dunkeln gut zu erkennen sind, fordert die DIN 58124, dass bestimmte Oberflächenanteile von Schulranzen mit retroreflektierenden und fluoreszierenden Materialien versehen sein müssen.
- Bürostühle: Sitzende Tätigkeiten sind nicht besonders gesundheitsförderlich. Mangelhaft konstruierte Bürostühle können sogar gefährlich sein, wenn sie leicht umkippen können oder nicht für das richtige Gewicht ausgelegt sind. Die DIN EN 1335-2 legt deswegen fest, wie Bürostühle beschaffen sein müssen, damit das Verletzungsrisiko für die Nutzenden so gering wie möglich ist.
- Therapieliegen: Fast jeder von uns hat in einer Arzt- oder Physiotherapiepraxis schon auf einer Therapieliege gelegen – aber kaum jemand weiß, dass es durch Bodenschalter zur elektrischen Höhenverstellung schon zu schweren, ja sogar tödlichen Unfällen gekommen ist, weil Reinigungskräfte oder Kinder unter der Liege eingeklemmt wurden. Um dies künftig durch technische Maßnahmen schon bei der Herstellung zu vermeiden, wird gerade eine harmonisierte europäische Norm zur Sicherheit von medizinischen Liegen auf der Grundlage der deutschen Vornorm DIN VDE V 0750-2-52-2 erarbeitet.
- Feuerwehrschutzkleidung: Feuerwehrleute gehören zu einer Berufsgruppe, die erheblichen Gefährdungen ausgesetzt ist. Für deren Sicherheit und Gesundheitsschutz sind persönliche Schutzausrüstungen von besonderer Bedeutung. Beispielsweise legt die DIN EN 469 Leistungsanforderungen für Schutzkleidung für Tätigkeiten der Feuerwehr fest. Dies betrifft die Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Flammen, mechanische Beständigkeit, Wasserdichtheit, Sichtbarkeit und den Tragekomfort.
- Abfallsammelfahrzeuge: Beschäftigte bei der Müllabfuhr können zum Beispiel beim Mitfahren auf den Trittbrettern herunterfallen oder, wenn das Fahrzeug rückwärts fährt und das Sichtfeld des Fahrzeugführenden eingeschränkt ist, gequetscht werden. Die Normenreihe DIN EN 1501 enthält Sicherheitsanforderungen, die diese Risiken minimieren sollen. So ist, sobald jemand auf den Trittbrettern steht, die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs beschränkt und das Rückwärtsfahren durch technische Maßnahmen verhindert.
- Forstmaschinen: In der Vergangenheit ist es zu tödlichen Unfällen gekommen, da Beschäftigte oder Spaziergänger von Forstmaschinen wie Holz-Erntemaschinen (Harvestern) oder Rückefahrzeugen (Forwardern) überfahren wurden. Deswegen wurde auf Initiative und unter der Federführung der KAN die DIN 30767 erarbeitet, die Messmethoden zur Erfassung des Sichtfeldes von Personen festlegt, die auf dem Bedienplatz selbstfahrender Forstmaschinen sitzen.
Normung ist ein wirkungsvolles Instrument der Prävention, wenn sie ein hohes Schutzniveau für Produkte definiert, die an Arbeitsplätzen oder in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen eingesetzt werden. Die Fachleute der Unfallversicherung der öffentlichen Hand sind dabei mit ihrer Expertise unverzichtbar – sei es durch die aktive Mitarbeit in den Normungsgremien oder als Ansprechpersonen für die KAN. Die KAN unterstützt die Arbeit der Unfallversicherungsträger, indem sie mit allen Arbeitsschutzkreisen abgestimmte Stellungnahmen zu Normen abgibt und sich mit ihrem Gewicht dafür einsetzt, dass die Belange des Arbeitsschutzes berücksichtigt werden.
Angela Janowitz
janowitz@kan.de
Corrado Mattiuzzo
mattiuzzo@kan.de