KANBrief 2/25
Auf dem Markt sind zahlreiche Varianten von Sicherheitsschränken verfügbar, die laut Hersteller das sichere Lagern und Laden von Lithium-Ionen-Batterien (LIB) erlauben sollen, die heute in zahlreichen akkubetriebenen Werkzeugen zum Einsatz kommen. Verbindliche Vorgaben des Staates oder der gesetzlichen Unfallversicherung an diese Lagerschränke fehlen bisher. Eine Produktnorm für Sicherheitsschränke könnte helfen, um das sichere Lagern und Laden von LIB zu gewährleisten.
Bei bestimmungsgemäßer Verwendung gelten Lithium-Ionen-Batterien als sicher. Insbesondere beim Ladeprozess können beschädigte oder defekte LIB jedoch ausgasen (sog. Venting) oder thermisch durchgehen (sog. Thermal Runaway). Bei diesen Prozessen können sich sowohl Brand- und Explosionsgefährdungen als auch Gefährdungen durch freigesetzte Gefahrstoffe ergeben. Geprüfte, zum Teil sogar GS-geprüfte Sicherheitsschränke zum sicheren Lagern und Laden von LIB, die Beschäftigte vor diesen Gefährdungen schützen sollen, werden mittlerweile in zahlreichen Varianten und Ausstattungen auf dem Markt angeboten. Dies führt in der Praxis zu zwei Problemen:
Problem 1: Das Produktsicherheitsgesetz bildet den Rahmen für Sicherheitsanforderungen an die Konstruktion, den Bau und die Ausrüstung von Sicherheitsschränken. Darüber hinaus bestehen hierzu keine konkreten staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Vorgaben. Diese Sicherheitsschränke sind Arbeitsmittel und müssen als solche die Anforderungen des Anhangs I der EU-Richtlinie 2009/104/EG über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit erfüllen, die in Deutschland durch die Betriebssicherheitsverordnung in nationales Recht umgesetzt worden ist. Adressat ist hier der Arbeitgeber und nicht der Hersteller eines Arbeitsmittels. Da der Arbeitgeber nur sichere Arbeitsmittel verwenden darf, ergeben sich hieraus nur indirekt Anforderungen an den Hersteller eines Sicherheitsschrankes.
Problem 2: Die Sicherheitsschränke werden nach unterschiedlichen Prüfvorschriften geprüft (u.a.DIN EN 14470-1, Prüfgrundsatz EK5/AK4 22-01 (Beschlussliste EK5AK4, pdf), VDMA Einheitsblatt 24994), die im Wesentlichen auf die Brandgefährdungen im Falle eines Thermal Runaway abstellen, aber Explosionsgefährdungen und Gesundheitsgefährdungen durch freigesetzte Gefahrstoffe nicht betrachten. Zudem unterscheiden sie sich teilweise erheblich in Art und Umfang der Prüfungen (z.B. Feuerwiderstandsdauer, Rauchdichtheit). Dies erschwert es dem Betreiber zu erkennen, ob die Voraussetzungen für ein sicheres Lagern und Laden in diesen Schränken erfüllt sind.
Ein einheitlicher Standard für Sicherheitsschränke zum sicheren Lagern und Laden von LIB, in dem der Stand der Technik bzgl. der Anforderungen an Konstruktion, Bau und Ausstattung beschrieben wird und Prüfverfahren für diese Schränke festgelegt werden, könnte diese Probleme lösen.
Im Frühjahr 2023 hatte der Normenausschuss NA 055-02-02 „Laboreinrichtungen“ des DIN-Normenausschusses Laborgeräte und Laboreinrichtungen (FNLa) die Initiative gestartet, die Normenreihe DIN EN 14470 für feuerwiderstandsfähige Lagerschränke um einen Teil 3 „Sicherheitsschränke für aufladbare Energieträger“ zu ergänzen. In etwa zeitgleich begannen im Normenausschuss NA 060-20-01 „Geldschränke und Tresoranlagen“ des Normenausschusses Maschinenbau (NAM) die Arbeiten am VDMA Einheitsblatt „Prüfanforderungen für feuerwiderstandsfähige Lagerschränke für Lithium-Ionen-Batterien im Falle eines Thermal Runaway“, dessen Entwurf im August 2023 veröffentlicht wurde. Nach Ablauf der Kommentierungsfrist haben Fachleute beider Normenausschüsse sowie Vertreter der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und der DGUV eine finale Fassung dieses Einheitsblatts erarbeitet, die im August 2024 veröffentlicht wurde. Darin sind Prüfanforderungen für die Feuerwiderstandsfähigkeit beim Brand von außen sowie beim Brand von innen, aber keine weiteren Prüfungen bezüglich der Gas- oder Rauchdichtheit enthalten. Darüber hinaus sind Empfehlungen an Konstruktion, Bau und Ausstattung der Sicherheitsschränke integriert worden.
Inzwischen hat der NA 060-20-02 einen Antrag für ein europäisches Normungsprojekt im CEN/TC 263 „Secure storage of cash, valuables and data media“ eingebracht, der im Dezember 2024 angenommen wurde. Ausgehend vom VDMA Einheitsblatt soll eine europäische Norm erarbeitet werden, die entsprechende Prüfanforderungen an Sicherheitsschränke für LIB beinhaltet. Die Arbeiten an dem Normentwurf in der WG 2 „Fire resistance“ des CEN/TC 263 werden im Juni dieses Jahres starten. Die bereits bei der Erarbeitung des VDMA Einheitsblatts praktizierte Zusammenarbeit der zuständigen Normenausschüsse des FNLa und NAM soll auch bei Erarbeitung der europäischen Norm fortgesetzt werden. So werden Fachleute beider Normenausschüsse in der WG 2 des CEN/TC 263 an der Erarbeitung der Norm mitarbeiten. Wünschenswert wäre zu klären, ob dabei weitere Prüfungen zum Explosionsschutz und zum Schutz vor freiwerdenden Gefahrstoffen ergänzt werden sollten. Offen ist auch, ob der Anwendungsbereich um die Festlegung von Anforderungen an Konstruktion, Bau und Ausstattung ergänzt wird.
Aufgrund der Arbeiten am VDMA Einheitsblatt 24994 hatte der NA 055-02-02 zunächst die eigenen Arbeiten an einer Produktnorm für Sicherheitsschränke für LIB eingestellt. Da zurzeit nicht abgeschätzt werden kann, inwieweit das VDMA Einheitsblatt zu einer europäischen Norm mit Anforderungen sowohl an das Produkt als auch die Prüfungen weiterentwickelt wird, hat sich der NA 055-02-02 dazu entschlossen, ein entsprechendes internationales Normungsprojekt zu den Sicherheitsschränken im SC 9 „Laboratory furniture“ des ISO/TC 48 „Laboratory Equipment“ einzureichen. Dazu ist auf der letzten Sitzung des SC 9 im ISO/TC 48 die Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Battery Cabinets“ beschlossen worden, die einen entsprechenden Normungsantrag sowie einen ersten Entwurf einer Produktnorm erarbeiten soll.
Wohin sich die Reise im Bereich der Normung auch entwickeln wird: Am Ende sollten die Normen gewährleisten, dass ein sicheres Produkt für das Laden und Lagern von LIB hergestellt und dieses auch sicher betrieben werden kann.
Dr. Andreas Kleineweischede, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI)
andreas.kleineweischede@bgrci.de