KANBrief 2/24

EU-OSHA: Ziele und Schwerpunkte

Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (EU-OSHA) kann auf eine erfolgreiche Geschichte von mehr als 28 Jahren zurückblicken. Da sich die Arbeitswelt ständig verändert, ist es jedoch wichtig, dass auch die Agentur sich immer wieder neuen Herausforderungen stellt. Wir haben William Cockburn, der seit 2023 Geschäftsführer der Agentur ist, zu den aktuellen Zielen und Arbeitsschwerpunkten befragt.

Was sind Ihre Ziele für die EU-OSHA in den kommenden Jahren?

Wir haben gerade mit der Arbeit an einer neuen Mehrjahresstrategie begonnen. Darin werden der Verwaltungsrat, unsere nationalen Kontaktstellen (Focal Points) und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseren Kurs für die nächsten zehn Jahre festlegen. Die Sichtbarkeit des Arbeitsschutzes und der Agentur ist seit der COVID-19-Pandemie erheblich gestiegen. Das eröffnet uns die Möglichkeit, schlagkräftiger zu werden, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass wir dafür zusätzliche Mittel erhalten. Daher müssen wir unsere drei Hauptaufgaben noch effizienter wahrnehmen. Diese sind die Bereitstellung von Wissen für die Politikgestaltung und Forschung, die Unterstützung bei der Gestaltung sicherer Arbeitsplätze durch Leitfäden und Praxishilfen sowie die Förderung einer positiven Präventionskultur durch Sensibilisierung und Vernetzung.

Der große Vorteil der EU-OSHA liegt darin, dass wir mit den Focal Points über ein Netzwerk nationaler Behörden verfügen, die wiederum auf nationale Netzwerke zurückgreifen und auch die Sozialpartner einbeziehen. Das ist unter den EU-Agenturen einzigartig. Die Stärkung des Netzwerks und seiner Focal Points ist daher eine der wichtigsten Aufgaben. Wir müssen möglichst eng mit den nationalen Behörden und den Sozialpartnern in den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, damit sie unsere Forschung unterstützen, unsere Leitfäden und Praxishilfen verbreiten und uns helfen, das Bewusstsein für die Bedeutung von sicheren und gesunden Arbeitsplätzen zu schärfen.

Welche Chancen und Herausforderungen bringt die Digitalisierung für den Arbeitsschutz mit sich?

Der Einsatz digitaler Technologien bietet verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz. So könnten z.B. repetitive, arbeitsintensive und unsichere Aufgaben auf Maschinen verlagert, Beschäftigte in gefährlichen Umgebungen ersetzt, der Zugang zum Arbeitsmarkt für benachteiligte Beschäftigte verbessert oder aber die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gefördert werden, indem Beschäftigte flexibel von zu Hause aus arbeiten können. Darüber hinaus können intelligente digitale Systeme helfen, Gefahren zu vermeiden, z.B. durch eine erweiterte Expositionsüberwachung. Unsere Umfrage „OSH Pulse 2022“ zeigt, dass digitale Technologien heute bereits bei 19 % der europäischen Beschäftigten zur Überwachung von Lärm, Chemikalien, Staub und Gasen am Arbeitsplatz eingesetzt werden.

Digitale Technologien sind an sich selten problematisch. Allerdings können durch eine mangelhafte Gestaltung, Einführung und Nutzung Arbeitsschutzrisiken entstehen. Um diese Probleme zu vermeiden, müssen Beschäftigte in jeder dieser drei Phasen angemessen berücksichtigt und einbezogen werden. Leider führt die Digitalisierung aus Sicht der Beschäftigten oftmals zu unbefriedigenden Ergebnissen, was den Arbeitsschutz angeht, zum Beispiel zu Arbeitsverdichtung und weniger Selbstbestimmtheit. Die Breite der Aufgaben nimmt ab, Fachkräfte werden durch geringer Qualifizierte ersetzt, die Isolation nimmt zu und die Arbeit wird immer häufiger von automatisierten Entscheidungen beeinflusst.

In der „OSH Pulse“-Umfrage gaben Beschäftigte an, dass digitale Technologien dazu führen, dass sie vermehrt allein arbeiten (44 %), stärker überwacht werden (37 %), ihre Autonomie eingeschränkt wird (19 %), ihr Arbeitstempo fremdbestimmt wird (52 %) und ihre Arbeitsbelastung steigt (33 %). Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass wir die großen Chancen nutzen, die die Digitalisierung für eine sicherere, gesündere und bessere Arbeit bietet, gleichzeitig aber auch ihre Risiken vermeiden. Das ist die Kernbotschaft unserer zweijährigen Kampagne „Sichere und gesunde Arbeit im digitalen Zeitalter“.

Wie kann die Kreislaufwirtschaft auch für den Arbeitsschutz zu einer Erfolgsgeschichte werden?

Je nachdem, wie die Kreislaufwirtschaft umgesetzt wird, kann sie zu neuen Risiken führen oder aber eine große Chance für einen gerechten und nachhaltigen Wandel darstellen, der sowohl den Arbeitsschutz verbessert als auch die Umwelt schützt. Dazu müssen Beschäftigte und Führungskräfte so (um-)qualifiziert werden, dass sie mit den neuen Prozessen sicher arbeiten können.

Außerdem sind strenge Regulierungsmaßnahmen wie die Entwicklung eines EU-weiten Überwachungssystems erforderlich, damit in Produkten enthaltene Stoffe nachverfolgt werden können. So können Produkte sicher gewartet, wiederverwendet oder recycelt werden. Auch die Einfuhr von Produkten, die Beschäftigte während dieser Tätigkeiten gefährden könnten, muss verhindert werden.

Das Prinzip „Reparieren, Wiederverwenden und Recyceln“ kann nur dann sicher umgesetzt werden, wenn Beschäftigte jederzeit Zugang zu allen Informationen haben, die sie benötigen. Ein digitales System, das Beschäftigte vor möglichen Gefährdungen warnt, würde maßgeblich dazu beitragen, den Arbeitsschutz bei gefährlichen Arbeitsprozessen der Kreislaufwirtschaft zu verbessern.

Digitale Technologien spielen in der Tat eine Schlüsselrolle beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Sie ermöglichen nicht nur digitale Überwachungs-, Steuerungs- und Warnsysteme, sondern helfen auch, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, etwa indem sie bei der Abfallsortierung und beim Recycling die Automatisierung und Fernüberwachung gefährlicher Aufgaben unterstützen.

Je nach Wirtschaftssektor und EU-Mitgliedstaat ist die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft, die gleichzeitig dem Arbeitsschutz zugutekommt, unterschiedlich weit fortgeschritten. Damit dieser Übergang überall in gleichem Maße gelingt, müssen alle Wirtschaftsbereiche und Mitgliedstaaten, insbesondere solche mit geringeren Ressourcen, ausreichend unterstützt werden. Auch dabei kommt der EU-OSHA eine wichtige