KANBrief 2/24

Drei Fragen an… Peer-Oliver Villwock, Vorsitzender der KAN

Peer-Oliver Villwock, Leiter der Unterabteilung Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, wurde im April 2024 zum neuen Vorsitzenden der KAN gewählt.

Die KAN besteht seit nunmehr 30 Jahren. Sind die Aufgaben und Ziele noch dieselben wie im Gründungsjahr 1994?

Mit der Gründung der KAN hat Deutschland damals den Auftrag der EU-Maschinenrichtlinie an die Mitgliedstaaten erfüllt, den Sozialpartnern eine angemessene Beteiligung an der Normung zu ermöglichen. In den letzten 30 Jahren hat sie sich zu einem akzeptierten Sprachrohr der deutschen Arbeitsschutzkreise weiterentwickelt. Sie alle profitieren davon, dass die gebündelte Position der KAN größere Wirkung hat als die der einzelnen Kreise. Inzwischen wirkt die KAN über ihre Geschäftsstelle nicht nur in der Normung auf nationaler Ebene mit, sondern engagiert sich bei Bedarf auch direkt auf europäischer und internationaler Ebene sowie in anderen regelsetzenden Gremien. Diesen Auftrag haben die in der KAN vertretenen Kreise mit der Verabschiedung eines gemeinsamen Selbstverständnisses 2023 bekräftigt.

Natürlich muss sich die KAN auch immer wieder auf neue Themen einstellen. Aspekte der Digitalisierung, wie beispielsweise künstliche Intelligenz, aber auch der Klimawandel stehen in der Normung heute weit oben auf der Agenda. Hier ist die KAN gefragt, sich frühzeitig einzubringen und für die richtigen Weichenstellungen im Sinne des Arbeitsschutzes zu sorgen und gleichzeitig den Regelungsspielraum des Staates und der gesetzlichen Unfallversicherung verteidigen.

Im letzten Jahr wurden die neuen EU-Verordnungen zur künstlichen Intelligenz und zu Maschinen verabschiedet: Welche Punkte sind hier aus Sicht des Arbeitsschutzes besonders interessant?

Ursprünglich hatte die Europäische Kommission in der Maschinen-Verordnung vorgesehen, hinsichtlich des Begriffs „künstliche Intelligenz“ auf die KI-Verordnung zu verweisen. Dieser Verweis wurde im Rahmen der Verhandlungen gestrichen, sodass diese beiden Verordnungen nun nicht mehr optimal ineinandergreifen – die Gesetzgeber auf EU-Ebene hätten es anwenderfreundlicher gestalten können. Neu in der Maschinen-Verordnung ist zudem, dass bei einigen Maschinen und dazugehörigen Produkten bei der Konformitätsbewertung zwingend eine benannte Stelle einzubinden ist – selbst dann, wenn Hersteller harmonisierte Normen anwenden, die alle relevanten Anforderungen abdecken. Dies gilt zum Beispiel für Sicherheitsbauteile mit vollständig oder teilweise selbstentwickelndem Verhalten – also KI. Ein weiterer interessanter Punkt ist, dass das in Deutschland bereits seit langer Zeit praktizierte Verfahren zur Feststellung, wann eine „wesentliche Veränderung“ einer Maschine vorliegt, nun in der Maschinen-Verordnung europäisch verankert wurde. Und nicht zuletzt sind die mit der Maschinen-Verordnung eingeführten sogenannten Common specifications zu erwähnen, die inzwischen auch in diversen weiteren EU-Rechtsakten eingeführt wurden.

Wir sehen zudem, dass die Konkretisierung der Anforderungen aus der KI-Verordnung den Arbeitsschutz vor Herausforderungen stellt. Auf Grund der vorwiegend internationalen Normung müssen die begrenzten Ressourcen für die Normungsarbeit gebündelt und effizient eingesetzt werden. Dabei kann die KAN ihr Netzwerk nutzen und einen Beitrag zur Koordinierung der Arbeitsschutzinteressen leisten.

Wie stehen Sie zum neuen Instrument der Common specifications, das zuletzt in mehreren EU-Verordnungen eingeführt wurde?

In Common specifications kann die Europäische Kommission technische Anforderungen festlegen, die bei Anwendung, wie harmonisierte Normen auch, die Vermutungswirkung auslösen. Wichtig ist allerdings, dass es sich bei diesem Instrument um eine Notlösung handelt, weshalb erst bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, bevor dieses Instrument überhaupt von der Europäischen Kommission angewendet werden darf. Inzwischen sind gemeinsame Spezifikationen sowohl in den neuen Verordnungen zu Maschinen und Künstlicher Intelligenz als auch im Entwurf der Bauprodukteverordnung enthalten. Common specifications können im Einzelfall sinnvoll sein. Allerdings ist gegenwärtig noch unklar, wie sie konkret erarbeitet werden sollen und in welcher Form die interessierten Kreise an der Erstellung beteiligt werden. Besser wäre es daher, wenn man diese Notlösung erst gar nicht bräuchte. Eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Normungsorganisationen einerseits und den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission andererseits könnte hier helfen.

 

Peer-Oliver Villwock