KANBrief 1/25

Prüfung der Rutschhemmung von Bodenbelägen

Im Jahr 2023 ereigneten sich im gewerblichen und öffentlichen Bereich in Deutschland rund 172.000 meldepflichtige Unfälle durch Stolpern, Stürzen und Ausrutschen – das sind 25 % aller Unfälle. Nahezu zwei Drittel der Unfälle sind laut Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung auf den Fußboden zurückzuführen. Die Norm EN 16165 fasst erstmals die in Europa üblichen Prüfverfahren für die Rutschhemmung von Bodenbelägen zusammen und schafft damit eine einheitliche Grundlage.

Zur Vermeidung von Rutschunfällen muss der Gestaltung der Betriebsstätte, der Arbeitsprozesse wie auch der Prüfung und Bewertung der Rutschhemmung ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Fußböden müssen nach der Arbeitsstättenverordnung rutschhemmend sein. Präzisiert wird diese Forderung in der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A1.5 „Fußböden“, die Anforderungen an die rutschhemmenden Eigenschaften von Fußböden und deren Prüfung festlegt. Sie beschreibt im Anhang 1 das Verfahren zur Prüfung von Bodenbelägen gemäß der Norm EN 16165 (Anhang B) und ordnet die Beläge den Bewertungsgruppen R 9 (niedrigste Rutschhemmung) bis R 13 (höchste Rutschhemmung) zu. Pauschal lässt sich sagen: Je höher die Rutschgefahr aufgrund von arbeits- oder witterungsbedingten Verunreinigungen ist, desto höher müssen die Anforderungen an die Rutschhemmung des Bodenbelags sein.

Der Bewertung der Rutschgefahr liegen folgende Kriterien zugrunde:

  1. Häufigkeit des Auftretens gleitfördernder Stoffe auf dem Boden und deren Verteilung
  2. Art und Eigenschaft der gleitfördernden Stoffe
  3. durchschnittlicher Grad der Verunreinigung des Fußbodens durch diese Stoffe
  4. weitere bauliche, verfahrenstechnische und organisatorische Verhältnisse

In einigen Arbeitsbereichen wie beispielsweise Küchen, Autowerkstätten oder Außenbereichen ist es erforderlich, dass die Oberflächen der Bodenbeläge in einem bestimmten Umfang gleitfördernde Stoffe (z. B. Öl, Wasser, Verschmutzungen) aufnehmen und damit der Geh-Ebene entziehen können. Damit sich ein Bodenbelag für bestimmte Arbeitsräume oder Arbeitsbereiche eignet, wird deshalb in der ASR A1.5 zusätzlich ein Verdrängungsraum wie offene Hohlräume, gewollte Unebenheiten oder eine Profilierung im Bodenbelag zur Aufnahme dieser Stoffe gefordert. Es gibt vier Bewertungsgruppen mit jeweils steigenden Anforderungen an den Verdrängungsraum von Gruppe V 4 bis V 10.

Begehungsverfahren

Die Forderung nach bestimmten Eigenschaften setzt objektive Kriterien und geeignete Prüfverfahren voraus. Die Prüfung der rutschhemmenden Eigenschaften von Bodenbelägen erfolgt gemäß Arbeitsstättenregel „Fußböden“ nach EN 16165 (Anhang B). Dabei geht eine Person in aufrechter Haltung vor- und rückwärts auf dem zu prüfenden Bodenbelag. Die Neigung des Bodenbelags wird schrittweise vergrößert, bis die Person zu rutschen beginnt. Der aus einer Messwertreihe und zwei Prüfpersonen ermittelte mittlere Winkel des Ausrutschens ist für die Einordnung des Bodenbelags in die Bewertungsgruppen R 9 bis R 13 maßgebend (siehe Tabelle). Für die Prüfung von Bodenbelägen für Nassbereiche enthält die Norm außerdem ein Prüfverfahren mit einer mit Wasser benetzten schiefen Ebene (Anhang A).

Bewertungsgruppe Winkel des Ausrutschens in °
R9 von 6 bis 10
R10 mehr als 10 bis 19
R11 mehr als 19 bis 27
R12 mehr als 27 bis 35
R13 mehr als 35

Bewertungsgruppen der Rutschhemmung von Bodenbelägen für Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr

Vor-Ort-Prüfung bringt Sicherheit

Dieses Begehungsverfahren ist eine reine Laborprüfmethode zur Bewertung von Baumustern. Die Baumusterprüfung hat einen hohen Stellenwert, da Planung und richtige Auswahl ohne sie nicht möglich wären. Sie lässt aber keine Aussage über die Rutschsicherheit des verlegten und benutzten Bodens (pdf) zu, denn in der Praxis sind oft falscher Einbau, unsachgemäße Pflege, Alterung, Abnutzung und Verschmutzung Auslöser von Rutschunfällen.

Um Korrektur- und Präventionsmaßnahmen durchführen zu können, ist es erforderlich, die rutschhemmenden Eigenschaften von Bodenbelägen vor Ort gemäß DGUV-Information 208-041 “Bewertung der Rutschgefahr unter Betriebsbedingungen” zu ermitteln. Diese Prüfung ist ebenfalls in der EN 16165 beschrieben (Anhang D). Ein mit Gleitern ausgerüstetes Messgerät wird mit konstanter Geschwindigkeit über einen Bodenbelag gezogen und die erforderliche Zugkraft über die Länge der Messstrecke ermittelt. Auf den Gleitern können verschiedene Schuhsohlenbeläge angebracht werden. Zudem können die betriebsbedingt auftretenden gleitfördernden Medien (z.B. Öle oder sonstigen Verschmutzungen) Verwendung finden. Der Gleitreibungskoeffizient µ ist das Verhältnis zwischen der Zugkraft und der vertikal wirkenden Kraft. Bewertet wird das Bodensystem aus Fußboden, Schuh und gleitförderndem Stoff. Messwerte unter µ = 0,30 weisen auf eine hohe Rutschgefahr, Werte zwischen 0,30 und 0,45 auf eine mittlere Rutschgefahr und Werte größer 0,45 auf eine geringe Rutschgefahr hin.

Als viertes Verfahren enthält die EN 16165 eine Prüfung mit einem Pendelprüfgerät (Anhang C), das in Deutschland hauptsächlich zur Prüfung von Straßenbelägen zum Einsatz kommt. Die Ergebnisse der vier verschiedenen Prüfverfahren lassen sich nicht untereinander vergleichen. Da es jedoch kein Prüfverfahren gibt, das für alle Zwecke universal einsetzbar ist, haben alle vier Verfahren ihre Berechtigung.

Die Bestimmung des Verdrängungsraums erfolgt nach DIN 51130 „Prüfung von Fußböden – Bestimmung des Verdrängungsraums“, indem der offene Hohlraum in der Oberfläche des zu prüfenden Bodenbelags mit einer Prüfpaste ausgefüllt wird. Aus der Gewichtsdifferenz zwischen dem unbehandelten und dem mit Prüfpaste aufgefüllten Bodenbelag lässt sich der Verdrängungsraum unter Berücksichtigung der Dichte ermitteln.

Aktuelle Praxis

Der Fachbereich Handel und Logistik und das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) befassen sich bereits seit 1979 mit der Prüfung von Fußbodenbelägen. Die zunächst nationalen Prüfverfahren wurden stetig weiterentwickelt und auch in die EN 16165 eingebracht.

Das IFA erstellt jährlich eine Liste von geprüften Bodenbelägen für Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr, die einer Bewertungsgruppe der Rutschhemmung und gegebenenfalls einer Bewertungsgruppe für den Verdrängungsraum zugeordnet wurden und für die ein gültiger Prüfbericht einer Baumusterprüfung des IFA vorliegt.

Olaf Mewes, olaf.mewes@dguv.de
Orhan Ceylan, orhan.ceylan@dguv.de
Christoph Wetzel, c.wetzel@bghw.de