KANBrief 1/25
Der Transport von Patienten ist für Rettungskräfte mit hohen Belastungen verbunden. Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen z.B. eine Fahrtrage mit darauf liegender Person angehoben werden muss. Eine messtechnische Untersuchung am Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) zeigt, dass die Muskel-Skelett-Belastungen insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule mit einem höheren Automatisierungsgrad der Fahrtrage deutlich reduziert werden können.
Der Rettungsdienst leidet laut einer Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit bereits heute unter einem Fachkräftemangel. Hinzu kommt, dass aufgrund der körperlichen Belastungen nicht alle Rettungskräfte das gesetzliche Rentenalter erreichen. Hierbei spielt die Zunahme des durchschnittlichen Körpergewichts der Patienten sowie der steigende Anteil von Frauen in diesem Beruf eine Rolle. Diese Faktoren führen dazu, dass Muskel-Skelett-Belastungen beim Patiententransport stärker in den Fokus rücken.
Die vorliegende Studie zu Fahrtragen ist ein Folgeprojekt einer früheren Studie zum Patiententransport über Treppen. Eine Online-Befragung mit über 4.000 Teilnehmenden ergab, dass die Treppe weiterhin der häufigste Belastungsschwerpunkt ist, aber auch das Ein- und Ausladen von Fahrtragen wird häufig genannt. Die Beschäftigten spüren die Belastungen besonders in den Schultern und im Rücken. Hilfsmittel mit höherem Automatisierungsgrad kommen, obwohl verfügbar, bislang nur selten in der Praxis zum Einsatz, was von den Beschäftigten teilweise kritisch gesehen wird.
Im Rettungsdienst, Krankentransport und Bestattungswesen werden regelmäßig Personen mit einer Fahrtrage transportiert. Der Transfer bis in das Einsatzfahrzeug hinein ist in der Regel mit dem Anheben eines Großteils des Gesamtgewichtes verbunden, das sich aus der Person, Fahrtrage und ggf. medizinischen Geräten zusammensetzt. Die Fahrtrage wird auf Bodenhöhe abgesenkt, die Person auf die Trage gelegt und diese anschließend auf die Verladehöhe des Fahrzeugs angehoben. Im Fall von mechanischen Fahrtragen erfolgt dies per Muskelkraft, während es bei elektrohydraulischen Modellen auf Knopfdruck automatisiert geschieht.
Das Einladen ins Fahrzeug kann sehr unterschiedlich ablaufen: Rein mechanische Fahrtragen werden klassisch auf einen Tragentisch hochgeschoben, wobei das Fahrgestell eingeklappt und der Tisch anschließend schräg nach oben in eine horizontale Position geschoben wird. Bei einem semi-automatischen System wird eine Fahrtrage mit mechanischem Fahrgestell ein kleines Stück auf ein Einzugssystem geschoben und anschließend auf Knopfdruck automatisch eingezogen. Die elektrohydraulische Fahrtrage wird hingegen auf einen Einschubschlitten eingerastet, das Fahrgestell automatisiert eingefahren und in der Horizontalen in das Fahrzeug eingezogen.
Zum Vergleich der physischen Belastungen bei der Handhabung wurden im Auftrag mehrerer Unfallversicherungsträger unter Laborbedingungen am IFA Messungen mit diesen drei Fahrtragen- und Einzugs-/Einschubsystemen durchgeführt. Um möglichst realitätsnahe Abläufe der Anhebe- und Ein-/Ausladevorgänge bei den Messungen im Labor zu schaffen, wurde eine Dummy-Puppe auf die Fahrtrage gelegt und Beschäftigte aus dem Rettungsdienst als Probanden rekrutiert.
Insgesamt 20 Probanden wurden mit dem CUELA-Messverfahren bei der Handhabung der Fahrtragen untersucht. Dabei wurden die Körperhaltung und -bewegung sowie die Handaktionskräfte erfasst. Die subjektiv empfundene Belastung und die betroffenen Körperregionen wurden mithilfe eines Fragebogens erfasst.
Die Ergebnisse zeigen bei den drei Systemen ein differenziertes Bild für die objektiven biomechanischen Parameter (Handaktionskraft, Körperhaltung und Bandscheibenkompressionskraft im Bereich der Lendenwirbelsäule (L5/S1)) sowie das subjektive Belastungsempfinden. Die Körperhaltung bei der Handhabung aller Fahrtragen war akzeptabel. Für die Handhabung der rein mechanischen Fahrtrage mit Tragentisch sind hohe Hand-Aktionskräfte erforderlich, die selbst bei der empfohlenen Handhabung als Zweierteam zu hohen Bandscheiben-Kompressionskräften für jede einzelne Person führen.
Die elektrohydraulische Unterstützung sowie der automatisierte Einzug senken erheblich den erforderlichen Kraftaufwand, was die Kompressionskräfte an L5/S1 deutlich reduziert. Die Handhabung der elektrohydraulischen Fahrtrage mit Einzugsystem reduziert die physische Belastung bei den Messungen am deutlichsten. Das Anheben auf Verladehöhe entfällt und damit auch die Belastung. Beim Ein- und Ausladen allein und zu mehreren halbiert sich die Kompressionskraft sowohl in den Spitzenwerten (P95 von 6,8 bzw. 5,6 kN auf 2,7 kN) wie auch im Median (P50 von 3,2 bzw. 2,9 kN auf 1,6 kN). Auch das subjektive Belastungsempfinden der Probanden spiegelt die Ergebnisse der Messungen wider.
Folglich profitieren alle Beschäftigten erheblich von Fahrtragen mit Unterstützungsfunktion, insbesondere Frauen und ältere Beschäftigte. Es besteht ein Bedarf an technischen Hilfsmitteln, um auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Die kürzlich überarbeitete Norm DIN EN 1865-2 „Kraftunterstützte Krankentragen“ schreibt für dieses Ladesystem vor, dass es die Rettungskräfte so unterstützt, dass manuelle Hebevorgänge im normalen Betrieb nicht mehr notwendig sind. Im nationalen Vorwort der DIN EN 1789 „Rettungsdienstfahrzeuge und deren Ausrüstung – Krankenkraftwagen“ wird inzwischen der Einsatz von kraftunterstützten Beladesystemen als Stand der Technik empfohlen. Der Wechsel zu elektrohydraulischen Fahrtragen wäre ein weiterer Schritt zur Reduktion der Muskel-Skelett-Belastungen beim Patiententransport.
Dr. Stephanie Griemsmann
stephanie.griemsmann@dguv.de
Dr. Christoph Schiefer
christoph.schiefer@dguv.de