KANBrief 4/11

Gefährdungen durch Störlichtbögen

Eine Arbeitsgruppe der KAN mit Vertretern der Unfallversicherungsträger, Länder, Prüfstellen, Forschung und Industrie hat sich seit Juni 2009 KANBrief intensiv mit dem Schutz vor den Auswirkungen von Störlichtbögen beschäftigt. Ursprüngliches Ziel war es, die Parameter für Baumusterprüfungen für Schutzkleidung gegen thermische Gefährdungen durch Störlichtbögen zu diskutieren. Letztendlich gingen die Diskussionen aber über diese anfängliche Aufgabe hinaus.

Durch Fehler beim Arbeiten an oder in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen, nach Blitzeinschlägen oder durch Fremdkörper in elektrischen Anlagen können Störlichtbögen entstehen. Dabei werden enorme Energiemengen frei, die die Anlage zerstören und in der Nähe befindliche Personen sehr schwer verletzen oder sogar töten können.

Schutzmaßnahmen auf verschiedenen Ebenen

Störlichtbögen werden häufig durch nicht ordnungsgemäß durchgeführte Wartungen und gelegentlich auch durch unkontrollierte Ergänzungen von Anlagen mit weiteren Betriebsmitteln verursacht. Daher sind organisatorische Maßnahmen bei den Anwendern sehr wirkungsvoll, um die Situation zu verbessern.

Die Gefährdungen sollten jedoch nicht nur durch organisatorische und persönliche, sondern vorrangig durch anlagentechnische Maßnahmen (z.B. durch Schottungen, Isolierungen oder Lichtbogenschutzsysteme) an der Quelle gemindert werden. Möglicherweise hat aber insbesondere im Bereich der Niederspannung der Trend zu immer kleineren Anlagen das Risiko von Störlichtbögen eher noch erhöht. Es wäre daher sinnvoll, dass Betriebe die Gefährdungsbeurteilung noch stärker nutzen, um diese Zusammenhänge deutlich zu machen und ihre Einkäufer zur Beschaffung störlichtbogenfester Anlagen zu bewegen.

Die Unfallversicherungsträger werden demnächst eine Informationsschrift (Veröffentlichung der BGI/GUV-I 5188 „Unterstützung bei der Auswahl der Persönlichen Schutzausrüstung bei Arbeiten in elektrischen Anlagen“ für Mitte 2012 geplant) vorlegen, die basierend auf neuesten Erkenntnissen Empfehlungen für die Auswahl von PSA gegen thermische Gefährdungen bei Störlichtbögen enthält. Sie soll die Gefährdungsbeurteilung unterstützen und unter anderem ermöglichen, von den Anlagencharakteristika bzw. den potenziell auftretenden Emissionen auf die auf den Menschen einwirkenden Immissionen zu schließen.

Weitere Ergebnisse der KAN-Arbeitsgruppe

• Bei Störlichtbögen treten hohe Intensitäten ultravioletter, infraroter und sichtbarer Strahlung auf, die zu irreversiblen Schäden an Haut und Augen führen können. Störlichtbogenvisiere gemäß EN 166:2001 (Persönlicher Augenschutz – Anforderungen) schützen jedoch nicht ausreichend vor sichtbarem und infrarotem Licht. In dieser Norm diesbezügliche Anforderungen zu ergänzen, stellt eine erhebliche Herausforderung dar.

• Im Falle eines Lichtbogenunfalls können Spitzenschalldruckpegel von bis zu 150 dB(C) auftreten. Nur hocheffektive Kapselgehörschützer könnten in diesem Falle ein Minimum an Schutz bieten. Diese Situation stellt die Arbeitgeber vor Schwierigkeiten: Zum einen dürfte bei den Arbeitnehmern die Akzeptanz von hochwirksamen Gehörschützern für den sehr seltenen Fall eines Störlichtbogens eher gering sein. Zum anderen wäre abzuwägen, ob die durch Gehörschützer eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit nicht andere Gefahren mit sich bringt. • Durch das Schmelzen und Verdampfen von Materialien entstehen im Umfeld des Störlichtbogens giftige Gase und Partikel. Die KAN- Arbeitsgruppe hat aber beschlossen, diese Gefährdung nicht vorrangig weiterzuverfolgen, da nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand andere Gefährdungen – wie durch Hitze, Druck, Lärm oder Strahlung – von deutlich größerer Tragweite sind.

Die in der Arbeitsgruppe gewonnen Erkenntnisse unterstreichen, dass Gefährdungen durch Störlichtbögen noch besser vorgebeugt werden muss.

Blockade bei CENELEC

Bisher liegen auf europäischer Ebene nur genormte Verfahren zur Prüfung der zum Schutz gegen thermische Gefährdungen verwendeten Stoffe vor. Aus Sicht der Prävention ist es dringend erforderlich, auch eine harmonisierte Norm als Prüfgrundlage für die Schutzkleidung zu veröffentlichen. Seit über zwei Jahren steckt die notwendige Bearbeitung der prEN 61482-2:2007 (Live working – Protective clothing against the thermal hazards of an electric arc – Part 2: Requirements) jedoch fest. Die KAN fordert Sekretariat und Vorsitz des CLC/TC 78 dringend dazu auf, das Dokument zu überarbeiten und zu verabschieden. Ein Erfolg ist jedoch nur zu erwarten, wenn auch die Arbeitsschutzkreise anderer europäischer Länder ihre nationalen Delegationen in diesem Sinne aktivieren.

Corado Mattiuzzo
mattiuzzo@kan.de