KANBrief 1/17

Normung und betrieblicher Arbeitsschutz: Spielregeln neu gefasst

Immer wieder kommt es vor, dass Normen Aspekte des betrieblichen Arbeitsschutzes behandeln. Doch vom Grundsatz her hat das nationale Regelwerk von Staat und Unfallversicherung Vorrang vor Normen. Wie diese Schnittstelle zwischen Normung und Regelwerk genau funktioniert, regelt seit 2015 das „Grundsatzpapier zur Rolle der Normung im betrieblichen Arbeitsschutz (pdf)“. Für die praktische Anwendung wurde es nun um eine vertiefende Prozessbeschreibung (pdf) ergänzt.

Die neue Prozessbeschreibung vertieft die Spielregeln des Grundsatzpapiers zu neuen und laufenden Normprojekten mit Bezug zum betrieblichen Arbeitsschutz. Sie beschreibt die Rollen der Mitspieler und unterstützt das Ziel, die Expertise aller Arbeitsschutzkreise angemessen und frühzeitig in die Strategien der KAN einfließen zu lassen. Mit der Verabschiedung der Prozessbeschreibung hat sich die KAN im November 2016 außerdem darauf verständigt, dass das Grundsatzpapier den bisher geltenden Gemeinsamen Deutschen Standpunkt (pdf, nicht barrierefrei) (GDS) weiterentwickelt hat und damit für die Arbeit der Geschäftsstelle das aktuelle, anzuwendende Dokument darstellt.

Wer spielt mit?

  • DIN informiert die KAN-Geschäftsstelle möglichst frühzeitig über neue, relevante Normungsvorhaben.
  • Die technischen Ausschüsse des Staates und die Fachbereiche der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) steuern ihre Position über die KAN-Geschäftsstelle bei.
  • Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer steuern über die Sozialpartnervertreter in der KAN-Geschäftsstelle ihre Position bei.
  • Die KAN-Geschäftsstelle koordiniert die Entscheidungsfindung, führt die Positionen zusammen und legt sie der KAN zur Entscheidung vor.
  • Die KAN bestimmt die endgültige Position des Arbeitsschutzes.

Spielverlauf
Sobald DIN oder Experten der Arbeitsschutzkreise von einem neuen Normvorhaben, einem laufenden Projekt oder einem Entwurf zur öffentlichen Umfrage mit Bezug zum betrieblichen Arbeitsschutz erfahren, informieren sie die KAN-Geschäftsstelle zur weiteren Abstimmung. Die KAN-Geschäftsstelle prüft das Vorhaben oder den eventuell schon vorhandenen Normentwurf und holt Stellungnahmen von den Arbeitsschutzkreisen ein. Dabei gilt grundsätzlich: Das technische Vorschriften- und Regelwerk von Staat und Unfallversicherungsträgern hat Vorrang vor Normen. Gemäß Grundsatzpapier sind verschiedene Fragen zu klären, z.B.: Behandelt das Normprojekt grundlegende Arbeitsschutzpflichten (z.B. Gefährdungsbeurteilung)? Bestehen Vorschriften und Regeln zum Thema? Wird ein Arbeitsschutzkreis aktiv an dem Projekt mitarbeiten?

Sollte ein technischer Ausschuss oder Fachbereich in der vorgegebenen Frist keine Rückmeldung geben, wertet die KAN dies als Enthaltung des Kreises. Ist die Bewertung des Normprojektes für die KAN-Geschäftsstelle schon von vorneherein eindeutig, muss sie die technischen Ausschüsse und Fachbereiche nicht einbeziehen.

Nationale Ereigniskarte
Lässt sich auf europäischer Ebene nicht verhindern, dass betriebliche Anforderungen in die Norm einfließen, kann die KAN das nationale Vorwort nutzen, um den Bezug zwischen der Norm und dem nationalen Regelwerk herzustellen und auf eventuelle Widersprüche oder Überlappungen hinzuweisen. Bei Widersprüchen kann zusätzlich eine A-Abweichung beantragt werden (Mit A-Abweichungen wird im Anhang einer Europäischen Norm auf rechtliche Anforderungen in Mitgliedstaaten hingewiesen, mit denen bestimmte normative Anforderungen der Norm nicht im Einklang stehen). Die Norm kann so eine Informationsquelle zum Arbeitsschutz ohne rechtliche Bindung sein.

Aktueller Spielstand
Die KAN-Geschäftsstelle arbeitet bereits seit 2015 auf Grundlage des Grundsatzpapiers. Mit der Prozessbeschreibung sind weitere Detailfragen geklärt. Als zusätzliche Unterstützung informiert DIN die KAN-Geschäftsstelle nun wöchentlich über neu angenommene und ggf. für den betrieblichen Arbeitsschutz relevante Normprojekte. Auch die staatlichen Ausschüsse und Fachbereiche der DGUVverinnerlichen das neue Verfahren zunehmend und haben in vielen Fällen schon sehr hilfreiche Rückmeldungen gegeben. Allerdings sind durch das Normungsverfahren zum Teil sehr kurze Rückmeldefristen gegeben.

Die Chancen stehen gut, dass in Zukunft die Schnittstelle zwischen Normung zum betrieblichem Arbeitsschutz und staatlichem Regelwerk besser berücksichtigt wird. Damit das Spiel erfolgreich wird und ein kohärentes Regelwerk zum Schutz der Arbeitnehmer entsteht, müssen allerdings die neuen Spielregeln den Mitspielern bekannt und für alle nachvollziehbar sein. Wie gut dies gelingt, wird die Praxis zeigen.

Angela Janowitz
janowitz@kan.de