KANBrief 1/17
Licht ist nicht nur für das Sehen des Menschen von Bedeutung. Neue Beleuchtungssysteme machen sich auch nicht-visuelle Wirkungen zunutze, die zum Beispiel den Tag-Nacht-Rhythmus beeinflussen. Regelsetzer, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Planer sollten sich im Sinne der Arnsberger Roadmap (KANBrief 1/2017: Human Centric Lighting -Ergebnis eines Workshops aller interessierten Kreise zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur biologisch wirksamen Beleuchtung) frühzeitig mit den Möglichkeiten der neuen Technik auseinandersetzen, damit die künstliche Beleuchtung künftig die Gesundheit des Menschen am Arbeitsplatz optimal unterstützen kann.
Wichtig ist es, die nicht-visuellen Wirkungen bei der Planung von Human Centric Lighting (Häufig auch als integrative Beleuchtung, dynamische Beleuchtung oder biologisch wirksame Beleuchtung bezeichnet) von vornherein mit zu berücksichtigen. Ansonsten drohen ähnliche Fehler wie bei LED-Produkten, die aufgrund ihrer Energieeffizienz und anregenden kühlweißen Lichtfarben häufig unkritisch eingesetzt werden – selbst in rollierenden 3-Schichtsystemen, in denen sie, wie man inzwischen weiß, ein Gesundheitsrisiko darstellen können.
Um den aktuellen Wissenstand sicher in die Praxis umzusetzen, ist aus Herstellersicht eine gründliche Planung mit einer stufenweisen Herangehensweise notwendig:
Wissen erzeugen und in Regeln verankern
Um eine fehlerfreie Auslegung von Beleuchtungsanlagen flächendeckend sicherzustellen, müssen diese neuen Erkenntnisse verbreitet und in regelsetzenden Schriften verankert werden. In Deutschland sondiert eine Arbeitsgruppe im staatlichen Arbeitsstättenausschuss (ASTA) derzeit den Stand der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse. Das DGUV-Sachgebiet Beleuchtung plant, eine DGUV Information zu erstellen und der DIN-Fachnormenausschuss Lichttechnik (FNL 27) arbeitet an Anwendungsempfehlungen. Darüber hinaus wird Mitte 2017 bereits das 9. DIN-Expertenforum zur nichtvisuellen Wirkung des Lichts auf den Menschen stattfinden.
In der europäischen Normung gibt es im CEN TC 169 in den Arbeitsgruppen 2 „Arbeitsstättenbeleuchtung“ und 13 „Nichtvisuelle Wirkung des Lichts auf den Menschen“ Aktivitäten, das bisherige Wissen in Standards zu integrieren. Bei der Internationalen Beleuchtungskommission CIE werden im Technischen Komitee JTC 9 die Grundlagen für die nichtvisuelle Strahlungsbewertung ("Quantifying ocular radiation input for non-visual photoreceptor stimulation") aufgenommen. Das ISO TC 274 „Licht und Beleuchtung“ erarbeitet einen Technischen Bericht, der Informationen aus Anwendungsstudien über nicht-visuelle Effekte von Licht zusammenträgt, mit deren Hilfe sichere und nützliche Beleuchtungsanwendungen umgesetzt werden können.
Parallel dazu gibt es in Verbünden von Hochschulen und Herstellern eine Vielzahl von Forschungsvorhaben, deren Ergebnisse nach und nach in die Arbeiten zur Regelsetzung und Standardisierung einfließen und in der Anwendung umgesetzt werden können.
Beleuchtung in zehn Jahren
Durch die Digitalisierung wird es möglich sein, Informationen zu einzelnen Menschen zu verknüpfen und mit Hilfe von Rechenalgorithmen für jeden Einzelnen das „richtige Licht“ zu ermitteln und einzustellen oder für eine Gruppe von Menschen zu mitteln. Steuern also zukünftig der Gesetzgeber oder unsere Krankenkassen unsere Beleuchtung, um uns leistungsfähig und gesund zu halten? Denkbar ist auch, dass Beleuchtungsanlagen selbsttätig erkennen, wer sich wo im Gebäude oder Raum befindet und jeweils eine angepasste Beleuchtung zur Verfügung stellen, die sowohl die Sehaufgaben als auch die gewünschten nicht-visuellen Wirkungen des Lichts berücksichtigt. Ist dies Science-Fiction? Nein, denn Forschungsvorhaben dazu laufen bereits. Letztendlich wird es Aufgabe des Staates und der Tarifvertragsparteien sein, ein ausgewogenes Maß zur richtigen Umsetzung an Arbeitsplätzen zu finden.
Jörg Minnerup
j.minnerup@trilux.de
Vorsitzender des Fachnormenausschusses Lichttechnik (FNL) bei DIN