KANBrief 1/17
Wie finden Unternehmen heraus, welche der zahlreichen und teils eher abstrakten Arbeitsschutzregeln und -maßnahmen von Staat und gesetzlicher Unfallversicherung (Leitlinienpapier zur Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerks im Arbeitsschutz, 31.08.2011) sie anwenden müssen? Hier setzt das neue Präventionsinstrument der Branchenregel an (Branchenregel - ein neues Präventionsinstrument (pdf), Marcus Hussing, Thomas Kolbinger, in: DGUV Forum 3/2012, S. 16-20). Sie führt Anforderungen und Informationen aus den diversen Arbeitsschutzvorschriften zusammen und unterbreitet Unternehmen ein Komplettangebot nach dem Motto „Alles Wichtige auf einen Blick“.
Branchenregeln sind als übersichtliches Kompendium konzipiert, das alle maßgeblichen Informationen zum Arbeitsschutz in einer Branche bereitstellt. Sie zeigen spezifische Gefährdungslagen auf und präsentieren dazu praxisgerechte Lösungsvorschläge. Sie setzen kein neues Recht, sondern stellen zwingende Pflichten aus dem Vorschriftenwerk des Staates und der Unfallversicherungsträger, Empfehlungen aus den Regelwerken sowie auch unverbindliche Anforderungen aus DIN-Normen oder VDE-Richtlinien zusammen. Dabei sollen auch Aspekte wie Ergonomie, Gesundheitsförderung und Barrierefreiheit mit einfließen. Die Branchenregeln richten sich in erster Linie an Unternehmerinnen und Unternehmer in kleinen und mittleren Betrieben. Gleichzeitig geben sie Hilfestellungen für Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragte.
Einheitlicher Aufbau für alle Branchenregeln
In jeder Branchenregel stellt eine kurze Einleitung Inhalt und Zielsetzung der Regel vor. Im Kapitel 2 werden die „Grundlagen für den Arbeitsschutz“ in knapper Form dargestellt – unterteilt in einen allgemeinen und einen branchenspezifischen Teil. Herzstück einer jeden Branchenregel ist das dritte Kapitel. Hier werden die Gefährdungen aller Arbeitsplätze und aller Tätigkeiten einer Branche aufgeführt und Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit dargestellt. Jede Doppelseite beschreibt einen Arbeitsplatz oder eine Tätigkeit. In farblich hervorgehobenen Info-Boxen finden die Leserinnen und Leser auf einen Blick die wichtigsten Rechtsgrundlagen sowie weiterführende Informationen. Abgerundet werden die Branchenregeln durch einen Anhang, der je nach Bedarf Begriffsbestimmungen, ein Stichwortverzeichnis bestimmter Gefahren, Arbeitsplätze, Tätigkeiten, Arbeitsverfahren und Arbeitsschutzmaßnahmen sowie weitere nützliche Informationen enthält.
Wörtliche Zitate von Rechtstexten oder Normen werden in Branchenregeln nicht verwandt. Arbeitsschutzrechtliche Pflichten aus rechtlichen Vorgaben werden an der konkreten Tätigkeit oder am Arbeitsplatz in einer adressatenorientierten Sprache klar, knapp und anschaulich dargestellt. Eine direkte Ansprache und aktive Sätze statt langer Passivkonstruktionen verdeutlichen sofort Maßnahmen und Pflichten. Bilder mit Beispielen einer Guten Praxis und eine einprägsame Symbolik in den einzelnen Abschnitten erleichtern das schnelle Auffinden der richtigen Maßnahme im Arbeitsalltag.
Erarbeitung von Branchenregeln
Erarbeitet werden Branchenregeln in den 15 Fachbereichen und annähernd 100 Sachgebieten der DGUV (Grundsatz 300-001 (pdf), Fachbereiche und Sachgebiete der DGUV, Mai 2011 - aktualisierte Fassung April 2015). Deren zentrale Aufgabe ist es, eine für alle Unfallversicherungsträger verbindliche, einheitliche und gesicherte Fachmeinung zu Präventionsthemen zu bilden und zu veröffentlichen. In den Fachbereichen arbeiten Vertreter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden mit Vertretern von Staat und Ländern sowie Experten des betrieblichen Arbeitsschutzes zusammen.
Im Zuge der Erarbeitung einer Branchenregel evaluieren die Sachgebiete auch das bestehende Vorschriften- und Regelwerk der DGUV. Unfallverhütungsvorschriften, Regeln und Informationen, die nicht mehr dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene entsprechen, werden zurückgezogen.
Am 17. März 2016 veröffentlichte der Fachbereich „Rohstoffe und Chemische Industrie“ die erste Branchenregel: DGUV Regel 113-601 „Branche: Gewinnung und Aufbereitung mineralischer Rohstoffe“. Weitere Regeln sind inzwischen erschienen (Abfallsammlung; Abfallbehandlung; Zeitarbeit; Call-Center (bisher erschienene Branchenregeln, veröffentlicht als DGUV Regeln) oder werden in Kürze veröffentlicht (Rohbau).
Insgesamt hat der Grundsatzausschuss Prävention des Vorstandes der DGUV fast 40 Branchenregelvorhaben genehmigt, u.a. für Schulen, Bürobetriebe, Backbetriebe, Gebäudereinigung und Tiefbau. Das nächste Ziel der Fachbereiche und Sachgebiete der DGUV ist es, die Branchenregeln auch als App für Tablets und Smartphones verfügbar zu machen.
Dr. Sebastian Felz
Abteilung Sicherheit und Gesundheit der DGUV