KANBrief 1/17

Importe in die EU: Notifizierung und Konformitätsbewertung in Drittstaaten

Unsichere und mit den entsprechenden EU-Rechtsgrundlagen nicht konforme Produkte dürfen auf dem Markt der Europäischen Union nicht in Verkehr gebracht werden. Um dies sicherzustellen, hat die europäische Kommission ein Konformitätsbewertungsverfahren festgelegt, das für bestimmte Fälle eine Prüfung durch eine unabhängige Stelle vorsieht. Doch wie funktioniert dieses Verfahren für Hersteller aus Staaten außerhalb der EU, die ihre Produkte in der EU vermarkten möchten?

Die europäischen Produktsicherheitsvorschriften sehen vor, dass die Hersteller im Regelfall die Konformität ihrer Produkte eigenverantwortlich bescheinigen und die CE-Kennzeichnung anbringen. Bei einigen Produkten schreiben die Konformitätsbewertungsverfahren jedoch eine Prüfung durch eine unabhängige notifizierte Stelle vor. Diese Konformitätsbewertungsstellen werden von den EU-Mitgliedsstaaten benannt (notifiziert) und in einem Verzeichnis der EU-Kommission veröffentlicht (Verzeichnis aller aktuell notifizierten Stellen: NANDO-Datenbank). Über alle Produktbereiche gibt es in der EU derzeit 1429 notifizierte Stellen (205 in Deutschland).

Die Regularien für die Benennung und die Anforderungen an die notifizierten Stellen sind im Beschluss 768/2008/EG (Kapitel R4) dargelegt. Es muss sich um unabhängige, unparteiische Dritte handeln, die in keinerlei Verbindung zum Produkt stehen, das bewertet werden soll. Sie dürfen zum Beispiel nicht an dessen Entwurf, Herstellung oder Vermarktung beteiligt sein. Ebenfalls müssen die Stellen fachliche Kompetenz und finanzielle Unabhängigkeit nachweisen. Diese und viele weitere Anforderungen werden von den notifizierenden Behörden begutachtet und regelmäßig überwacht. Notifizierte Stellen dürfen Konformitätsbewertungstätigkeiten jedem Wirtschaftsteilnehmer innerhalb und außerhalb der EU anbieten. Auch die Hersteller sind frei in der Wahl ihrer Konformitätsbewertungsstelle.

Regelungen für Nicht-EU-Mitgliedsstaaten
Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bringt die EU-Mitgliedsstaaten und die EFTA-Staaten (Europäische Freihandelsassoziation: Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz) mit Ausnahme der Schweiz in einem gemeinsamen Binnenmarkt zusammen. Es garantiert den teilnehmenden Staaten gleiche Rechte und Pflichten, somit auch hinsichtlich der Notifizierung und Konformitätsbewertung.

Andere Länder haben eine bilaterale Vereinbarung mit der EU geschlossen (Schweiz, USA, Kanada, Australien, Japan, Neuseeland und Israel). Über diese sogenannten Mutual Recognition Agreements (MRAs) wird Drittstaaten – die selbstverständlich ebenfalls den EU-Rechtsgrundlagen für das Inverkehrbringen von Produkten unterliegen – ein vereinfachter Zugang zum EU-Binnenmarkt gewährt4. Diese Möglichkeit böte sich beispielsweise auch für Großbritannien nach dem Brexit an.

MRAs regeln unter anderem die Anerkennung von Zertifizierungen der Konformitätsbewertungsstellen des ausführenden Landes. Weitere technische Bewertungen oder administrative Schritte in der EU sind damit nicht nötig. Die MRAs beziehen sich jeweils auf bestimmte Produktbereiche. Sie sehen vor, dass die zuständige Behörde des Drittstaates geeignete Konformitätsbewertungsstellen ermittelt und benennt. Die Kriterien und Verfahren für die Benennung sind in den MRAs festgelegt und entsprechen weitestgehend den Kriterien für notifizierte Stellen der EU-Mitgliedsstaaten.

Für Hersteller in Staaten, die nicht Mitglied im EWR sind oder kein MRA mit der EU geschlossen haben, ist es weitaus komplizierter, Produkte auf dem Europäischen Binnenmarkt einzuführen, falls eine Drittprüfung gefordert ist. In diesen Staaten bestehen keine notifizierten Stellen, sodass die Produkte für die Prüfung außer Landes gebracht oder aufwändig durch eine ausländische Stelle vor Ort geprüft werden müssten.

Möglich ist in solchen Fällen aber auch die Vergabe von Unteraufträgen an Zweigunternehmen oder Unterauftragnehmer (Beschluss 768/2008/EG, Artikel R20). Diese Regelung ermöglicht es, dass von der EU notifizierte Stellen Aufträge an andere Konformitätsbewertungsstellen in einem beliebigen Land vergeben. Die beauftragende Stelle muss sicherstellen, dass der Unterauftragnehmer die EU-Anforderungen an notifizierte Stellen einhält. Sie muss ebenfalls die notifizierende Behörde über diese Vorgehensweise unterrichten und trägt die vollumfängliche Verantwortung für den Auftrag. Der Kunde muss der Unterauftragsvergabe zustimmen. Für diesen liegt der Vorteil auf der Hand: Er muss seine Produkte nicht außer Landes prüfen lassen.

Cathrin Nimmesgern
Leiterin des Referats DGUV Test
cathrin.nimmesgern@dguv.de