KANBrief 1/13

Europäische Normung als politisches Instrument stärker nutzen

Dr. Stefan Nonneman leitet seit Oktober 2012 das Referat „Normung für die Wettbewerbsförderung“ in der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission. Im Interview gibt er Auskunft über die Ziele und Auswirkungen der neuen EU-Normungsverordnung.

Seit 1. Januar 2013 ist die EU-Normungsverordnung (EU) Nr. 1025/2012 (pdf) anzuwenden. Was ändert sich mit dieser Verordnung?

Die neue Verordnung schreibt zum ersten Mal in einer einzigen Rechtsgrundlage fest, wie die europäische Normung als politisches Instrument genutzt werden kann, um die EU-Gesetzgebung im Bereich sowohl der Produkte als auch der Dienstleistungen zu konkretisieren. Unser Ziel ist es, die europäische Wirtschaft schlagkräftiger zu machen. Die Normung soll nicht nur den Zutritt zum Binnenmarkt, sondern auch zu internationalen Märkten erleichtern. Außerdem soll sie neue Technologien und Innovationen fördern.

Wie steht es um die Beteiligung “schwächerer” Interessensgruppen an der Normung?

Die Normungsorganisationen müssen sicherstellen, dass Normen die Belange von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Verbrauchern, Umweltschutz, soziale Interessen sowie Aspekte der Barrierefreiheit berücksichtigen. Dies kann nur gelingen, wenn entsprechende Interessensvertreter zur Verfügung stehen und systematisch in den Normungsprozess einbezogen werden. Die Kommission geht über das WTO-Grundprinzip der Transparenz hinaus und fordert von den europäischen Normungsorganisationen einen Bericht über die Beteiligung der interessierten Kreise auf der Ebene der nationalen Normungsorganisationen. Darüber hinaus ruft die Kommission die nationalen Normungsorganisationen auf, KMU und Vertretern gesellschaftlicher Interessen vergünstigte Bedingungen für die Beteiligung an der Normung zu gewähren und ihnen Normen oder Normenpakete zu Sonderpreisen bereitzustellen.

Welche Maßnahmen hat die Kommission konkret getroffen?

Nehmen wir als Beispiel die KMU: Hier haben wir spezielle Maßnahmen ergriffen, um die Beteiligung an der europäischen Normung zu fördern, das Informationsangebot zur Normung zu verbessern und die Anwendung von Normen zu unterstützen. Es wird eine Ausschreibung zur Benennung einer europäischen Organisation geben, die diese Rolle für KMU übernimmt, und z.B. Experten in europäische Normenausschüsse entsenden kann, um die Normerarbeitung aus Sicht der KMU zu begleiten.

Zudem finanziert die Kommission verschiedene KMU-Projekte von CEN und CENELEC, wie das „Standardisation Toolkit“ SMEST1 für nationale Normungsorganisationen, die „SME Toolbox of Solutions“ mit Erläuterungen zur Anwendung von Normen und zum Normungsprozess. Im Rahmen des neuen Projekts SMEST2 wird eine Internetplattform entwickelt, auf der KMU und Normungsorganisationen Wissen, Informationen, Best-Practice-Beispiele und Erfahrungen zur Einbindung von KMU in die europäische Normung austauschen können.

Wird es auch weiterhin finanzielle Unterstützung für bestimmte Kreise geben?

Ja. Auch künftig wird die Kommission beispielsweise Zuschüsse an europäische Organisationen leisten, die KMU, Verbraucher, den Umweltschutz und soziale Interessen vertreten. Es bot sich an, die bisher sehr unterschiedlichen Fördermodelle zu vereinheitlichen und in einer einzigen Rechtsgrundlage zusammenzufassen. Damit gelten nun einheitliche Kriterien für die Vergabe und Verwendung der Mittel.

Wie geht es nun weiter?

2013 wird die Kommission erstmals das jährliche Arbeitsprogramm der Union für die europäische Normung verabschieden. Dieses neue Planungsinstrument dient dazu, strategisch vorrangige Aufgaben festzulegen und aufzuzeigen, wo die Industriepolitik von der europäischen Normung unterstützt werden muss. Die Kommission führt darin die Mandate auf, auf deren Grundlage die europäischen Normungsorganisationen im Auftrag der Kommission Normen erarbeiten sollen. Ein neuer Trend ist bereits absehbar: Wir können davon ausgehen, dass zukünftig vermehrt Normungsmandate erteilt werden, die den Bereich der Dienstleistungen, aber auch neue Technologien und Innovationen fördern.