KANBrief 1/13

Dienstleistungsnormung: Mehrwert für das Handwerk fraglich

Seit dem 1. Januar 2013 gilt das europäische Normungspaket, mit dem die Europäische Kommission das Normungssystem effizienter machen und die Teilnahme für Klein und mittlere Unternehmen (KMU) am Normungsprozess erleichtern will. Vor allem soll der Binnenmarkt für Dienstleistungen durch verstärkte europäische Normung gefördert werden. Wie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zu diesen Themen steht, erläutert Jens-Uwe Hopf.

Herr Hopf, wie ist die Sicht des Handwerks auf das Normungspaket?

Konstruktiv kritisch: Die Kommission hatte versucht, das nationale Delegationsprinzip auszuhebeln. Normung sollte in Brüssel stattfinden. Damit wäre die Teilhabe am Normungsprozess in der jeweiligen Muttersprache praktisch unmöglich geworden. Außerdem werden die Kommission und Mitgliedsstaaten nunmehr explizit aufgefordert, Dienstleistungsnormen zu beauftragen. Also ein Mehr an politischer Einflussnahme, wie sich jüngst auch am Mandat zur „Horizontalen Dienstleistungsnormung“ zeigt. Dies lehnen wir ab.

Welche Bedeutung hat das Thema Dienstleistungen für das Handwerk?

Lassen sie mich das an einem Spruch unserer Imagekampagne deutlich machen: „Alles was nicht von Händen geschaffen wurde, wurde von Maschinen geschaffen, die von Händen geschaffen wurden." Ohne Dienstleistungen gäbe es keine Anpassungen standardisierter Produkte an individuelle Kundenbedürfnisse. Das Handwerk versteht sich als Dienstleister der Nation. Mehr als 70 % der Wertschöpfung in Deutschland und Europa findet im Dienstleistungsbereich statt. Die Dienstleistungsmärkte funktionieren. Ein Marktversagen, das man mit Normen heilen könnte, sehen wir nicht.

Warum will die EU-Kommission mehr europäische Dienstleistungsnormen?

Das politische Ziel, den europäischen Binnenmarkt ähnlich dynamisch zu entwickeln, wie dies für Produkte bereits gelungen ist, begrüßen wir. Ob dies jedoch allein mit dem Instrument Normung gelingen kann, daran haben wir Zweifel. Unsere exportorientierten Unternehmen klagen eher über Unterschiede im Sozial- und Arbeitsrecht, in der Steuergesetzgebung und über bürokratische Hürden. Hier muss ebenfalls gehandelt werden.

Wo liegen die Gefahren der europäischen Dienstleistungsnormung?

Es wird zu einem deutlichen Zuwachs an neuen Normen kommen. Doch die KMU stoßen schon jetzt an ihre Grenzen. Von Nachteil ist, dass es kein Grundverständnis darüber gibt, was sinnvollerweise und mit Mehrwert für die Wirtschaft genormt werden kann. Mit Sorge sehen wir, dass ständig neue Managementsysteme auf den Markt kommen, die beispielsweise ethisch korrektes Handeln von Unternehmen normieren wollen. Zudem besteht die Gefahr, dass Normen nicht nur Qualität, Sicherheit und Transparenz von Leistungen zum Inhalt haben, sondern auch Anforderungen an Kompetenzen und Qualifikationen definieren. Das lehnen wir strikt ab. Die Leistungsfähigkeit Deutschlands resultiert zu einem großen Teil aus seinen gut ausgebildeten Fachkräften und dem dualen Berufsbildungssystem. Diesen Wettbewerbsvorteil sollten wir nicht leichtfertig der Normung opfern.

Sehen sie auch Chancen?

Die Chancen liegen darin, dass nationale Alleingänge in der Normung von Dienstleistungen nun nicht mehr möglich sind. Was genormt werden soll, muss im Konsens auf europäischer Ebene ermittelt werden. Die Kommission fordert, dass neue europäische Normen marktrelevant sein müssen, also maßgeblich vom Anwender mitgestaltet. Wenn wir diesen Grundsatz tatsächlich praktizieren, würden Fehlentwicklungen vermieden.

Was müssen wir noch im nationalen Kontext tun?

Mit der Kommission Dienstleistungen (KDL) und der Kommission Mittelstand (KOMMIT) des DIN haben wir arbeitsfähige Strukturen in Deutschland. Es fehlt aber noch an Transparenz und Orientierung. Und es fehlen Entscheidungskriterien, um die Normungswürdigkeit neuer Vorhaben beurteilen zu können. Ohne Marktrelevanz der Dienstleistungsnormung wird es keine ausreichende Beteiligung am Normungsprozess geben. Und ohne eine breite Beteiligung wäre die Legitimation und Akzeptanz der Normungsergebnisse in Frage gestellt. Wir brauchen ein Koordinatensystem, in welche Richtung wir gemeinsam gehen können. Daran müssen wir arbeiten. 

Jens-Uwe Hopf

Zentralverband des Deutschen Handwerks