KANBrief 1/13

Prüfung und Zertifizierung in 10 Jahren

Die Arbeitswelt ist einem stetigen Wandel unterworfen: Arbeit findet immer häufiger in global vernetzten Teams statt, Automatisierung und Zusammenarbeit von Mensch und Roboter nehmen zu, das Sicherheitsbedürfnis steigt, Ergonomie wird wichtiger, Menschen arbeiten immer länger… Die Prüfung und Zertifizierung muss sich diesen gesellschaftlichen, technischen und politischen Entwicklungen stellen, um weiterhin wirksam agieren zu können.

Karl-Heinz Noetel und Henning Krüger, Vorsitzende der horizontalen Ausschüsse der europäischen Koordinierung der notifizierten Stellen für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) bzw. Maschinen, haben einen Blick in die Kristallkugel geworfen und im Juni 2012 bei der EUROSHNET-Konferenz in Helsinki 10 Thesen zur Zukunft der Prüfung und Zertifizierung vorgestellt:

These 1: Die Bedeutung der Prüfung und Zertifizierung steigt. Der Anteil der geprüften Produkte wird stark zunehmen, nicht zuletzt wegen der steigenden Bedeutung der Produkthaftung. Das europäische Recht wird zunehmend amerikanisiert und verlangt von Herstellern eine stärkere Absicherung gegen Risiken und Haftungsansprüche. Hersteller brauchen Rechtssicherheit und setzen dazu verstärkt auf freiwillige Prüfungen.

These 2: Eine internationale Datenbank für geprüfte und mängelbehaftete Produkte wird öffentlich zur Verfügung stehen – finanziert durch eine Pflichtabgabe der Hersteller und geregelt über ein internationales Abkommen, etwa der Welthandelsorganisation (WTO). Die Datenbank ist eine wichtige Informationsquelle für Marktüberwachung, Zoll und Anwender.

These 3: Produkte werden zunehmend virtuell geprüft. Messdaten werden über das Internet ausgetauscht und über eine Standardsoftware digital erfasst und ausgewertet. Prüfungen werden preiswerter und dadurch zahlreicher. Allerdings entstehen zunächst hohe Kosten für die Entwicklung der entsprechenden Prüfsoftware.

These 4: Kenntnis der konkreten Produktanwendung wird wichtiger. Prüfstellen werden verinnerlicht haben, dass sie die Bedürfnisse der Anwender besser berücksichtigen müssen. Wegen ihrer branchenspezifischen Kenntnisse werden die Prüfstellen der in den einzelnen Ländern für die Unfallverhütung verantwortlichen Organisationen zunehmend häufiger beauftragt werden als Prüfstellen, die diesen Bezug nicht haben.

These 5: Neben der klassischen Sicherheit werden weitere Prüfaspekte wichtiger. Dazu zählen Ergonomie, Energieeffizienz, Umweltverträglichkeit und Systemsicherheit. Durch den Fachkräftemangel und häufigere Arbeitsplatzwechsel wird an Maschinen immer mehr Personal tätig sein, das nicht auf langjähriges Erfahrungswissen zurückgreifen kann und die Maschinen nicht ausreichend gut beherrscht. Um die Sicherheit zu gewährleisten und Unfälle zu vermeiden, wird die Personenzertifizierung zunehmen.

These 6: Es werden neue Anforderungen an Prüfer gestellt. Maschinenprüfer müssen eine hohe IT-Kompetenz aufweisen und werden aus dem neuen Studiengang Mech-ITtronik rekrutiert – damit einhergehend steigt die Bedeutung der Prüfung von Software als Bestandteil der Maschinenprüfung. PSA-Prüfer müssen hohe Materialkenntnisse aufweisen und Anwendungsspezifikationen stärker berücksichtigen.

These 7: Normen werden internationaler – der Erfahrungsaustausch von Prüf- und Zertifizierungsstellen ebenfalls. Unternehmen wünschen internationale Normen, da sie ihre Produkte weltweit verkaufen. Dementsprechend muss auch der Erfahrungsaustausch der Prüfstellen über Europa hinausgehen und international aufgestellt sein.

These 8: Marktüberwachung, Notifizierte Stellen, Normung, Hersteller und Anwender werden stärker vernetzt. Netzwerke werden genutzt, um Informationen bereitzustellen und sich untereinander auszutauschen. Durch die erhöhte Transparenz werden Ressourcen gespart. Denkbar ist, dass das ICSMS, das Informations- und Kommunikationssystem der europäischen Marktüberwachung, um einen Bereich erweitert wird, in dem alle interessierten Kreisen die Möglichkeit haben, produktspezifische Daten einzustellen.

These 9: Die Akkreditierung wird – beginnend mit Europa – international vereinheitlicht. Die Teilnahme am Koordinierungskreis der Notifizierten Stellen wird auch auf internationaler Ebene verpflichtend sein.

These 10: Die Anzahl der notifizierten Stellen geht zurück, die Stellen werden wesentlich größer und agieren global. Neben Zeichen wie EuroTest entstehen globale Prüfzeichen, vergleichbar mit Marken des Konsumgüterbereiches.