KANBrief 1/13

Die Vielfalt der Dienstleistungsnormen

Dienstleistungsnormen sind auf dem Vormarsch und werden dabei von EU-Kommission und Normungsorganisationen kräftig unterstützt. Dienstleistungen sollen durch Normen noch vergleichbarer und grenzüberschreitend handelbar werden. Der Arbeitsschutz steht selten im Mittelpunkt der Normen. Als ein Kriterium für die Qualität einer Dienstleistung ist er aber immer wieder, entgegen bestehenden Grundsatzpositionen, auch ein Normungsthema.

Dienstleistungen begleiten uns von der Wiege bis zur Bahre. Entsprechend breit gefächert ist die Normung: Sie befasst sich zum Beispiel mit der Reinigung von Schulen, der Erwachsenenbildung, Freizeitangeboten (Tauchen, Dienstleistungen an Stränden, Touristeninformation, Wellness), thematisiert die Gesundheit (Chinesische Medizin, Ästhetische Chirurgie) und reicht bis hin zum betreuten Wohnen und zur Bestattung.

Charakteristisch für Dienstleistungsnormen ist aber nicht nur die Vielfalt, sondern auch die Verknüpfung mit anderen Themen, wie der Qualifikation der Dienstleistungserbringer oder dem Management von Abläufen. Zudem werden Dienstleistungsnormen häufig an Produktnormen angeknüpft, da Unternehmer ein „Komplettpaket“ aus Produkt und Dienstleistung vermarkten wollen. Dies wird deutlich an Normen, die beispielsweise nicht nur die Anforderungen an Geräte, Werkzeuge und Zubehör für Gartenbau und Bau regeln, sondern auch deren Wartung und Verleih.

Große Vielfalt braucht Strukturen

Der Dienstleistungsnormung fehlt es an einer ausreichend gezielten Planung durch die interessierten Kreise. Dienstleister sehen häufig keinen Mehrwert darin, ihre „Produkte“ zu normen. Oder ein kleiner Kreis möchte bestimmte Interessen über Normen auf dem Markt etablieren. Zudem hat sich trotz der Vorgaben des CEN-Leitfadens 15 für Dienstleistungsnormen bislang keine einheitliche Grundstruktur der Normentexte etabliert, wie man sie z.B. im Bereich der Maschinen kennt. Hier versucht CEN mit seinem Beratungs- und Koordinierungsgremium SAGS (CEN/BT WG 214 „Strategic Advisory Group on Services“) aktiv gegenzusteuern.

Auch die EU-Kommission ist rührig: mit der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG, die den Binnenmarkt für Dienstleistungen stärken soll; mit der neuen Normungsverordnung (Nr. 1025/2012 zur europäischen Normung, veröffentlicht im Amtsblatt der EU L 316/12 am 14.11.2012), die auch die Normung von Dienstleistungen mitbetrachtet; mit der Richtlinie 98/34 , die das Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften nun auch für Dienstleistungen regelt.

Einer der „zwölf Hebel“ der EU-Kommission für einen einheitlichen Binnenmarkt ist ebenfalls die Verstärkung der Dienstleistungsnormung. Ziel eines aktuellen Mandatsentwurfs an CEN ist die Entwicklung horizontaler Normen, z.B. zu Themen wie Information der Kunden, Verträge, Beschwerdeverfahren oder Anforderungen an den Dienstleistungsanbieter.

Was bedeutet das für den Arbeitsschutz?

Normen zielen darauf ab, eine hohe Qualität der Dienstleistung sicherzustellen. Diese Qualität bestimmt sich aus verschiedensten Faktoren, zu denen Anbieter und Kunden auch angemessene Arbeitsbedingungen der Dienstleistungserbringer zählen. Somit finden sich in Dienstleistungsnormen auch Anforderungen an den Arbeitsschutz der Beschäftigten – ein Bereich, der europäisch durch Richtlinien nach Art. 153 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) und national im Vorschriften- und Regelwerk des Arbeitsschutzes abgedeckt ist. Hier kann es zu Doppelregelungen oder Widersprüchen kommen.

So befasste sich die DIN 77200 zu Sicherheitsdienstleistungen (z.B. Objektschutz oder Geldtransport) mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz als einem Qualitätsmerkmal. Ergebnis intensiver Diskussionen zwischen der KAN und dem Normenausschuss war, dass die anfangs umfangreichen Anforderungen an den betrieblichen Arbeitsschutz nun generell aus der Norm ausgenommen sind. Allerdings muss der Auftragnehmer seine Aktivitäten in diesem Bereich auf Anfrage nachweisen. Dieser Kompromiss zeigt, dass Dienstleister und Kunden nicht bereit waren, völlig auf den Arbeitsschutz in der Norm zu verzichten, obwohl das europäische Rechtssystem zum betrieblichen Arbeitsschutz dies nicht vorsieht.

Da aus vielen Normungsdokumenten und Mandaten für spezifische Dienstleistungsnormen der Arbeitsschutzbezug zunächst nicht klar ersichtlich ist, bleibt eine wachsame Begleitung der Normung sinnvoll. Für Fragen des Arbeitsschutzes greifen die KAN-Position zur Dienstleistungsnormung (pdf, nciht barrierefrei) sowie der CEN-Leitfaden 15: Betrieblicher Arbeitsschutz ist vom Grundsatz her nicht in Normen zu regeln.

Angela Janowitz 
janowitz@kan.de