KANBrief 2/19

Ist das Büro der Zukunft noch zu regeln?

In unserer digitalisierten Welt dreht sich das Rad der Entwicklung immer schneller. Das gilt auch für Bildschirm- und Büroarbeitsplätze. Coworking Spaces, Open Spaces, Agile Working oder Büro 4.0 sind nur einige Schlagworte, die das Büro der Zukunft oder das Arbeiten darin beschreiben sollen. Doch wie verhält es sich mit den Arbeitsschutzregelungen in diesem Bereich? Sind diese noch zeitgemäß oder wurden sie von der schnellen Entwicklung längst abgehängt?

Betrachtet man die Entwicklung des Büros von der mittelalterlichen Schreibstube der Mönche, die Texte übertrugen und Abschriften anfertigten, zu einem modernen Büro von heute, in dem man per „copy and paste“ mit einem Klick Texte übertragen oder im Internet in Sekundenschnelle übersetzen lassen kann, dann ist dies unbestreitbar eine gewaltige Entwicklung. Im gleichen Zeitraum hat sich der Mensch jedoch kaum verändert. Die ältesten nachweisbaren Funde des Homo Sapiens sind ca. 300.000 Jahre alt. Der moderne Mensch von heute ist noch genauso angelegt wie der Mensch von damals.

Auch bei der Planung des Büros der Zukunft muss man den Menschen mit seinen natürlichen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen. In der Regel ist Büroarbeit bewegungsarm angelegt. Ein Mensch ist aber auf Bewegung angewiesen. Häufige Haltungswechsel zwischen Sitzen, Stehen und auch Gehen sollte ein Arbeitsplatz ermöglichen. Die Gestaltung einer geeigneten Arbeitsumgebung und die Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel sind eine wesentliche Grundlage für die Einrichtung moderner und ergonomischer Büroarbeitsplätze.

Seitens der Regelsetzung gibt es hierzu bereits eine Vielzahl von Anforderungen. Angefangen von gesetzlichen Vorgaben wie der Arbeitsstättenverordnung über die zugehörigen Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) und die Schriften der Unfallversicherungsträger (z. B. DGUV Regeln oder Informationen) bis zu DIN-Normen oder VDI-Richtlinien. Dabei gilt es den Überblick zu bewahren und die Rangfolge der Regelungen zu beachten. Unterstützung und Beratung können Unternehmen bei ihrem zuständigen Unfallversicherungsträger anfragen. Außerdem können Informationen auf der Themenseite „Bildschirm- und Büroarbeit“ der VBG bezogen werden.

Regelmäßig auf den Prüfstand

Natürlich müssen auch neue Erkenntnisse in die Regelsetzung einfließen. So sind Menschen in der Regel heute größer und schwerer als vor 30 Jahren. Rezeptoren in den Augen, welche die hormonelle Steuerung des Menschen beeinflussen, sind erst seit gut 20 Jahren bekannt. Beides sind Beispiele dafür, dass neue Erkenntnisse in die aktuelle Regelsetzung eingeflossen sind.

Die Digitalisierung im Büro hat spätestens mit der Einführung der Lochkarten begonnen. Und seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wird in den Unternehmen das papierlose Büro angestrebt. Insofern haben vielleicht die Beschäftigten im Büro weniger Berührungsängste mit dem Thema Digitalisierung als in der Industrie oder anderen Branchen. Trotzdem werden sich auch im Büro die Arbeitsbedingungen ändern. Bei Begriffen wie Cloud-Computing, Crowdworking oder Künstliche Intelligenz besteht bei vielen Beschäftigten Verunsicherung. Welchen Einfluss werden solche Arbeitsverfahren auf die Tätigkeit des Einzelnen haben?

Auch hier kann die Anwendung bereits bestehender Regelungen hilfreich sein. Werden die Prinzipien der Softwareergonomie berücksichtigt, wie sie in der DGUV Information 215-450 oder der Normenreihe DIN EN ISO 9241 beschrieben sind, so schafft dies mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit für die Nutzenden. Gleichzeitig könnten solche Verfahren auch genutzt werden, um das Entwickeln neuer Regelungen zu beschleunigen. Jedoch besteht dann auch die Gefahr einer gezielten Einflussnahme von einzelnen Interessensgruppen, wie die jüngsten Diskussionen um die Manipulation von Wahlen zeigen. Deshalb müssten geeignete Sicherungsmechanismen entwickelt werden, um die notwendige Neutralität des Verfahrens zu gewährleisten.

Fazit: Die vorhandenen Regelungen zum Bildschirm- und Büroarbeitsplatz sind durchaus zeitgemäß und dienen der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz. Das Problem besteht eher darin, mit der rasanten und innovativen Entwicklung Schritt zu halten. Wird das Ganze regelmäßig auf den Prüfstand gestellt, dann können auch überholte Regelungen erkannt und zurückgezogen sowie notwendige Neuerungen berücksichtigt werden.

Andreas Stephan

andreas.stephan@vbg.de
VBG
Leiter DGUV-Sachgebiet Büro