KANBrief 2/19

Normung und Zertifizierung von smarter persönlicher Schutzausrüstung

Smarte persönliche Schutzausrüstung (PSA) bietet zahlreiche neue Anwendungen und ein erhöhtes Schutzniveau, genauso wie smarte persönliche Schutzsysteme (PSS) und PSA-Kombinationen (KANBrief 1/16). Smarte Technologien sind im Aufschwung – und doch ist es schwierig für die Hersteller, ihre Produkte in Serienproduktion auf den Markt zu bringen. Mit einer gemeinsamen Initiative möchten Forschungseinrichtungen und Herstellerverbände die Entwicklung und Konformitätsbewertung smarter PSA und PSS effizienter machen.

Zahlreiche der entwickelten smarten Systeme konnten noch nicht den Weg auf den Markt finden, da die Konformitätsbewertung (d.h. Zertifizierung) im Vergleich zu herkömmlicher PSA deutlich komplexer ist. Hinzu kommt, dass die Anforderungen (und Bedenken) der Endanwender zu der Frage, welche smarten Funktionen tatsächlich das Potenzial haben, die Sicherheit bestmöglich zu erhöhen, noch nicht ausreichend geklärt wurden. Kritische Diskussionen gibt es vor allem zur Ethik und Sicherheit der Daten. Wie und von wem sollen Gesundheitsdaten des Anwenders verarbeitet werden, und wie lange sollen sie gespeichert werden? Welche Anforderungen an die Pflege und Wartung müssen intelligente PSA oder PSS erfüllen? Ändert ein Nutzer sein Verhalten, wenn er smarte Kleidung oder Systeme trägt, und treten durch das veränderte Nutzerverhalten neue Gefährdungen auf? Da diese Fragen eng mit der Produkthaftung zusammenhängen, scheinen sowohl Hersteller als auch notifizierte Stellen sich im Bereich der smarten PSA nur mit großer Vorsicht voranzubewegen.

Die Tatsache, dass für diese Produkte und Systeme der Bestand an geltenden Normen sehr beschränkt ist, trägt sicherlich dazu bei, dass die Konformitätsbewertung so schwierig ist. 2017 hat die Europäische Kommission einen Normungsauftrag für fortschrittliche Kleidungsstücke und Kombinationen von Kleidungsstücken zum Schutz gegen Hitze und Flammen mit integrierten intelligenten Textilien und nichttextilen Elementen erteilt. Die Arbeiten unter diesem Normungsauftrag werden vom CEN-CENELEC-Sektorforum PSA koordiniert und schreiten gut voran. Ein erster Technischer Bericht mit Begriffen wird für die zweite Hälfte 2019 erwartet; ein Technischer Bericht zu Auswahl, Gebrauch, Pflege und Wartung soll noch vor Sommer 2020 erscheinen. Zudem wird eine Norm mit Produktanforderungen erarbeitet, die Ende 2021 fertiggestellt sein soll. Im September 2017 fand bei CEN-CENELEC ein Workshop zur Normung von smarter PSA/PSS statt. Für den 14. Oktober 2019 ist ein Folgeworkshop geplant, bei dem alle interessierten Kreise eingeladen sind, ihre Erfahrungen und Bedenken zu teilen.

Um Anwendern, der Industrie und den notifizierten Stellen eine Entscheidungsgrundlage zu geben, müssen die offenen Fragen interdisziplinär geklärt werden. Wir möchten über Umfragen und Interviews die Meinungen verschiedener Interessengruppen einholen, darunter Hersteller, notifizierte Stellen und Endanwender.

Hersteller aus verschiedenen Ländern haben bereits teilgenommen. Etwa 85 % dieser Unternehmen sind im Bereich der smarten PSA und PSS aktiv, die übrigen stellen Kombinationen von PSA her. Nach Angabe der Befragten bieten 46 % bereits Produkte in diesem innovativen Bereich an. Etwa genauso viele Unternehmen befinden sich in der Phase der Entwicklung und/oder Konformitätsbewertung. Kosten und Zeitaufwand stellen dabei durchaus eine Herausforderung dar: Es dauert in der Regel zwischen 12 und 24 Monaten (Durchschnitt: 16 Monate), um smarte PSA oder PSS zu entwickeln. Die Kosten für diese Entwicklungsphase bewegen sich zwischen 50 000 und 250 000 Euro (Durchschnitt: 110 000 Euro). Die Konformitätsbewertung (d.h. Zertifizierungsphase) braucht zwischen 6 und 24 Monaten (Durchschnitt: 9 Monate), mit Kosten von 10 000 bis 25 000 Euro (Durchschnitt: 20 000 Euro). Einige Unternehmen gaben an, dass die Kosten und der Zeitaufwand für die Konformitätsbewertung sogar bei über 50 000 Euro und 24 Monaten lagen.

Natürlich steigen mit zunehmender Komplexität eines Produkts auch die Kosten und der Zeitaufwand für Entwicklung und Konformitätsbewertung entsprechend. Dennoch handelt es sich bei fast der Hälfte der Befragten, die sich mit smarter PSA und PSS beschäftigen, um kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Wir möchten noch weiter untersuchen, wie sich die Entwicklung und Konformitätsbewertung smarter PSA und PSS effizienter gestalten lassen. Wir laden daher weitere Unternehmen ein, sich an der Umfrage zu beteiligen. Mit den gesammelten Informationen möchten wir zur Erstellung eines Leitfadens / einer Roadmap für die Zertifizierung von smarter PSA und PSS beitragen. Als nächsten Schritt planen wir, Umfragen für die Einschätzungen von notifizierten Stellen und Endanwendern zu veröffentlichen.

 

Jan Vincent Jordan (RWTH Aachen/ITA)
Henk Vanhoutte (European Safety Federation)
Karin Eufinger (Centexbel)
Daniela Zavec (Titera)
Jan.jordan@ita.rwth-aachen.de