KANBrief 2/16

Fahrerassistenzsysteme für Gabelstapler im Test

Jedes Jahr ereignen sich in Frankreich über 8 000 Unfälle mit Gabelstaplern, davon rund 560 mit dauerhafter Erwerbsunfähigkeit und 4 bis 6 mit tödlichem Ausgang durch seitliches Umkippen von Gabelstaplern. Deutschland verzeichnet ähnliche Zahlen (pdf, S.70ff.). Das INRS (Institut National de Recherche et de Sécurité, Frankreich) und die BGHW (Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik, Deutschland) haben gemeinsam untersucht, wieviel Stabilitätsgewinn neu entwickelte Fahrerassistenzsysteme bei Gabelstaplern gegenüber den Anforderungen der Norm EN 16203 bieten.

Mehrere Hersteller von Gabelstaplern haben in jüngster Zeit Fahrerassistenzsysteme (FAS) entwickelt, die die Gefahr des seitlichen Umkippens deutlich reduzieren sollen. Das Prüfprotokoll der Norm EN 16203:2014 (Sicherheit von Flurförderzeugen – Prüfung der dynamischen Standsicherhe), mit der die Stabilität von Gabelstaplern bis fünf Tonnen geprüft wird, liefert allerdings keine exakten Angaben zu den Stabilitätsgrenzen des Fahrzeugs und erlaubt auch keine Rückschlüsse auf die Leistung oder Wirksamkeit des FAS. Die jüngsten Innovationen der Gabelstaplerhersteller können sich somit nicht positiv abheben.

INRS und BGHW entwickeln Testprogramm

Das INRS und die BGHW haben gemeinsam ein Testprogramm zur Bewertung von FAS entwickelt und durchgeführt. Das Prüfverfahren entspricht dem der oben genannten Norm. Bei der Testfahrt ist eine 90-Grad-Kurve mit Vollgas zu durchfahren. In der Norm ist abhängig von der Höchstgeschwindigkeit und den Abmessungen des Staplers eine bestimmte Gangbreite an der Kurvenausfahrt festgelegt. Der Fahrer muss die Kurve dreimal durchfahren, ohne die Parcoursbegrenzungen zu berühren und ohne dass sich das innere Hinterrad vom Boden hebt. Die Wirksamkeit der FAS wurde getestet, indem die Gangbreite solange schrittweise um 50 cm reduziert wurde, bis der Staplerfahrer die Testkriterien nicht mehr erfüllen konnte. Zur Sicherheit war der Stapler mit seitlichen Stützen ausgerüstet (siehe Abbildung oben).

Nach einem Aufruf an die europäischen Gabelstaplerhersteller konnten FAS der Marken Still, Jungheinrich, Toyota, Linde und Hyster in die Studie einbezogen werden. Getestet wurden 11 gängige Fahrzeuge mit einer Nennlast zwischen 1,6 t und 2,5 t, 3 oder 4 Rädern und mit Verbrennungsmotor (Gas, Diesel) oder elektrischem Antrieb. Die Höchstgeschwindigkeiten lagen zwischen 15 und 20 km/h.

Wie funktioniert das FAS?

Die meisten FAS drosseln je nach Lenkeinschlag in der Kurve die Geschwindigkeit des Staplers. Diese Technik wurde zunächst bei elektrischen Modellen eingesetzt, da sich bei diesen die Leistung leichter ohne Verzug regeln lässt. Sie wird neuerdings aber auch für Gabelstapler mit Verbrennungsmotor angeboten. Andere FAS blockieren kurzfristig die Pendelhinterachse oder beeinflussen deren Verhalten (nur bei Staplern mit vier Rädern). Von den Testfahrzeugen verfügten acht elektrische Stapler und ein Stapler mit Verbrennungsmotor über die Kurvengeschwindigkeitsanpassung. Zwei Stapler mit Verbrennungsmotor nutzten eine Vorrichtung, die auf die Pendelhinterachse wirkt. Zwei elektrische Stapler mit vier Rädern kombinierten beide Lösungen.

Ergebnisse

Die Testergebnisse zeigen die Stabilitätsgrenze jedes Staplers bei gegebener Höchstgeschwindigkeit (korrekt durchfahrene minimale Gangbreite W3 ): Je kleiner W3 ist, desto höher die Stabilität des Staplers. Die in der Norm festgelegten Stabilitätsgrenzwerte sind als durchgezogene schwarze Linie dargestellt. Es zeigt sich, dass die Stabilität der Gabelstapler deutlich größer ist, als die Norm verlangt. Am stabilsten sind elektrische Stapler mit drei Rädern, die eine Höchstgeschwindigkeit von weniger als 17 km/h haben und bei denen die Geschwindigkeitsdrosselung umso wirksamer wird, je enger die Kurve ist. FAS bieten vor allem deshalb einen Zugewinn an Sicherheit, weil sie die Gefahr des seitlichen Umkippens durch zu hohe Kurvengeschwindigkeit zuverlässig verringern können.

Als weiteres Stabilitätskriterium wurde erfasst, wie oft bei den vier letzten und damit strengsten Testdurchläufen das innere Hinterrad in der Kurve vom Boden abhebt. 5 der 11 getesteten Gabelstapler haben diese letzten vier Durchgänge bestanden, ohne dass ein Abheben des Hinterrads vom Boden beobachtet wurde. Die stabilsten Gabelstapler mit vier Rädern sind die, die über eine Kombination aus Geschwindigkeitsdrosselung in der Kurve und Blockierung der Hinterachse verfügen (Conception innovante de béquilles latérales pour chariots élévateurs […]. INRS, Note Scientifique et Technique N°342. Mai 2016).

Die Ergebnisse werden genutzt, um einerseits eine Überarbeitung der Stabilitätsgrenzwerte der Norm anzuregen und andererseits die Anwender dazu zu animieren, sicherere Geräte auszuwählen.

Jérôme Rebelle

jerome.rebelle@inrs.fr

Marcus Gaub

m.gaub@bghw.de

Ergebnisse

Die Testergebnisse (siehe Diagramme) zeigen die Stabilitätsgrenze jedes Staplers bei gegebener Höchstgeschwindigkeit (korrekt durchfahrene minimale Gangbreite W3): Je kleiner W3 ist, desto höher die Stabilität des Staplers. Die in der Norm festgelegten Stabilitätsgrenzwerte sind als durchgezogene schwarze Linie dargestellt. Es zeigt sich, dass die Stabilität der Gabelstapler deutlich größer ist, als die Norm verlangt. Am stabilsten sind elektrische Stapler mit drei Rädern, die eine Höchstgeschwindigkeit von weniger als 17 km/h haben und bei denen die Geschwindigkeitsdrosselung umso wirksamer wird, je enger die Kurve ist. FAS bieten vor allem deshalb einen Zugewinn an Sicherheit, weil sie die Gefahr des seitlichen Umkippens durch zu hohe Kurvengeschwindigkeit zuverlässig verringern können.

Als weiteres Stabilitätskriterium wurde erfasst, wie oft bei den vier letzten und damit strengsten Testdurchläufen das innere Hinterrad in der Kurve vom Boden abhebt. 5 der 11 getesteten Gabelstapler haben diese letzten vier Durchgänge bestanden, ohne dass ein Abheben des Hinterrads vom Boden beobachtet wurde. Die stabilsten Gabelstapler mit vier Rädern sind die, die über eine Kombination aus Geschwindigkeitsdrosselung in der Kurve und Blockierung der Hinterachse verfügen.5

Die Ergebnisse werden genutzt, um einerseits eine Überarbeitung der Stabilitätsgrenzwerte der Norm anzuregen und andererseits die Anwender dazu zu animieren, sicherere Geräte auszuwählen.

Jérôme Rebelle                   Marcus Gaub
jerome.rebelle@inrs.fr    m.gaub@bghw.de

 

1 www.dguv.de/medien/inhalt/zahlen/documents/au_statistik_2014.pdf, S. 70 ff
2 Institut National de Recherche et de Sécurité (Frankreich)
3 Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (Deutschland)
4 EN 16203:2014. Sicherheit von Flurförderzeugen – Prüfung der dynamischen Standsicherheit 
5 Conception innovante de béquilles latérales pour chariots élévateurs […]. INRS, Note Scientifique et Technique N°342. Mai 2016