KANBrief 3/25
Mobile Maschinen werden oft in einer Umgebung eingesetzt, in der Gefahr- und Biostoffe vorhanden sind. Zum Schutz der Bedienpersonen sind in verschiedenen Maschinennormen Anforderungen zur Gestaltung und Lüftung von geschlossenen Bedienerkabinen festgeschrieben. Das Schutzniveau ist jedoch für verschiedene Maschinen nicht immer gleich. Aus Sicht des Arbeitsschutzes sollte eine einheitliche Grundlage geschaffen werden.
Bedienerkabinen und Anforderungen an die Lüftung dieser Kabinen zum Schutz vor Bio-und Gefahrstoffen sind in vielen Normen zu mobilen Maschinen ein Thema. Gestaltungsanforderungen sind oft als Abschnitt innerhalb einer Produktnorm formuliert (z.B. zu Flurförderzeugen, Erdbaumaschinen oder Forstmaschinen). Manche Normen widmen sich auch exklusiv der Lüftungsthematik einer bestimmten mobilen Maschine (z.B. bei Bergbaumaschinen oder Traktoren).
Die Normung hierzu findet in verschiedenen Normenausschüssen statt, und die mitarbeitenden Fachleute sind häufig nicht untereinander vernetzt. Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist es für den Schutz vor Bio- und Gefahrstoffen deshalb sinnvoll zu analysieren, welche Anforderungen an die Lüftung von Bedienerkabinen in einer Querschnittsnorm für alle Maschinentypen allgemeingültig formuliert werden können, damit der Schutz der Bedienpersonen immer das gleiche Niveau hat. Jedes betroffene Normungsgremium könnte dann auf die Anforderungen dieser Querschnittsnorm verweisen oder sie bei Bedarf für die jeweilige mobile Maschine anpassen.
Die KAN hat im Jahr 2023 durch DIN Software eine Bestandsanalyse durchführen lassen, in der alle Normen zusammengestellt wurden, in denen (Bediener-)Kabinen standardisiert werden und bei denen die Lüftung und damit der Schutz vor Gefahrstoffen und Biostoffen eine Rolle spielt. Anforderungen an das Kabinenklima oder die Ergonomie waren nicht Gegenstand der Analyse. In einem Folgeprojekt wertete ein Team um Dr. Günther Weise vom Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. (KWF) die Volltexte der relevanten Dokumente aus. Ziel war die Identifizierung der Anforderungen an die Lüftung, die „vor die Klammer“ gezogen werden können – zum einen bei vorgesehenem Einsatz in mit Gefahr- und Biostoffen kontaminierten Umgebungen und zum anderen für den Einsatz in nicht-kontaminierten Bereichen. Die Ergebnisse sollten in ein Dokument einfließen, das als Grundlage für den Entwurf einer Querschnittsnorm (B-Norm) dienen kann.
Bei der Sichtung der zuvor ermittelten Dokumente wurden relevante Lüftungsanforderungen kategorisiert, um systematisch erkennen zu können, welche dieser Anforderungen verallgemeinerbar sind. Innerhalb der untersuchten Normen waren Dokumente aus dem Bereich der Baumaschinen am stärksten vertreten, gefolgt von der Landtechnik, Flurförderzeugen, Schienentechnik, Bergbaumaschinen und Forsttechnik. Viele dieser Normen treffen auch explizit Aussagen zu Anforderungen an die Kabinenlüftung beim Einsatz in kontaminierten Bereichen.
Für die Auswertung der Normen wurde eine Liste von Stichwörtern erarbeitet, die die relevanten Aspekte der Lüftungstechnik abbilden (siehe Abbildung). Anhand der Häufigkeit und Inhalte der zugehörigen Fundstellen in Normen konnte detaillierter analysiert werden, welche Anforderungen für eine Querschnittsnorm relevant sind. Die wesentlichen Gefährdungen beim Betrieb von mobilen Maschinen stellen laut der Auswertung Stäube dar (in der Regel mineralischen Ursprungs, ggf. auch biologischen Ursprungs wie Holzstäube). Diese wirken durch ihre physikalischen Eigenschaften und sind weder toxisch noch infektiös.
Einhellig fordern die untersuchten Normen bei Gefährdung durch Staubbelastung eine geschlossene Bedienerkabine. Diese muss über eine Zuluftöffnung mit Filtereinsatz, eventuell sogar mit einem Vorfilter, sowie über ein Belüftungselement samt Abluftöffnung verfügen. Es müssen geeignete Filter etwa nach DIN EN 1822-1 „Schwebstofffilter (EPA, HEPA und ULPA) – Teil 1: Klassifikation, Leistungsprüfung, Kennzeichnung“ Verwendung finden. Insgesamt soll dieses System so wirken, dass sich in der Kabine ein Überdruck einstellt. Bei der Normenauswertung konnten zusätzlich zu den Filteranforderungen Anforderungen an die Gestaltung der Luftführung und Druckdichtigkeit abgeleitet werden. Ein solcher Schutz der Bedienperson kann als Basisschutzniveau für Stäube angesehen werden.
Wenn Verunreinigungen der Luft durch Gefahrstoffe mit toxischer Wirkung oder Biostoffe mit infektiöser und sensibilisierender Wirkung auftreten, gelten Arbeitsumgebungen als kontaminiert. In diesen Fällen sind über das Basisschutzniveau hinausgehende Anforderungen für die Lüftungsanlage der Bedienerkabine zu beachten, um einen wirksamen Kontaminationsschutz zu erreichen, z.B. kontrollierte Überdruckatmosphären, Atem-Druckluftanlagen, passende Filterkomponenten. Eine Querschnittsnorm sollte außerdem Hinweise geben, was zusätzlich zu beachten ist, wenn Gefährdungen durch Gase und Dämpfe auftreten (z. B. spezielle Gasfilter).
Als Ergebnis des Projekts liegt eine erste Vorlage für einen Normentwurf mit dem Titel „Selbstfahrende Maschinen — Lüftungsanlagen für geschlossene Kabinen — Allgemeine Anforderungen für den Schutz gegen Gefahr- und Biostoffe“ vor. Dieses Dokument schlägt für Lüftungsanlagen in geschlossenen Kabinen von selbstfahrenden und mobilen Maschinen, Traktoren und Flurförderzeugen gemeinsame Basisanforderungen vor.
In dem Entwurf sind zwei Kabinenkategorien für verschiedene Arbeitsumgebungen definiert. Die erste Kategorie beinhaltet einen Basisschutz gegen allgemeine Staubbelastung. Die zweite Kategorie gewährleistet zusätzlichen Schutz gegen Gefahr- und Biostoffe. Mit Kabinen dieser Kategorie ist durch Anpassung des Belüftungssystems auch ein Schutz gegen gefährliche Gase möglich. Sehr wesentlich in diesem Normentwurf ist, dass die Anforderungen auch auf Nachrüstlösungen anwendbar sind, auf die viele Hersteller und Anwender bauen. Die KAN wird dieses Dokument nun dem zuständigen Ausschuss bei DIN mit dem Ziel vorlegen, es auf europäischer oder internationaler Ebene als Normvorschlag einzubringen.
Dr.-Ing. Günther Weise
Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V. (KWF)
guenther.weise@kwf-online.de
Dr. Anja Vomberg
vomberg@kan.de