Der Klimawandel betrifft alle Lebensbereiche, auch den Arbeitsplatz. Seine Auswirkungen erfordern daher auch ein entschlossenes Handeln des Arbeitsschutzes. Normen, welche die Energiewende unterstützen oder Arbeitsmittel und Gebäude „klimafit“ und nachhaltiger machen, müssen von Arbeitsschutzfachleuten eng begleitet werden.
Durch den Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit für Hitzetage, es kommt mehr UV-Strahlung auf der Erde an und Extremwetterereignisse wie Starkregen häufen sich. Arbeiten im Freien werden dadurch erschwert. Maßnahmen zum Klimaschutz oder zum Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels rücken daher immer mehr in den Mittelpunkt der Prävention.
Wenn es darum geht, auf die veränderten Bedingungen zu reagieren, spielen auch Normen eine Rolle. Neue Produkte werden so mit einem konsensbasierten Sicherheitsstandard auf den Markt gebracht. Bestehende Normen können bei einer Überarbeitung z.B. auf die veränderten Umgebungsbedingungen eingehen oder den CO2-Fußabdruck eines Produktes reduzieren. Da der Klimawandel ein globales Problem ist, leisten insbesondere europäische und internationale Normen einen wichtigen Beitrag.
Im März 2025 kamen Fachleute aller interessierten Kreise aus dem Arbeitsschutz zu einem KAN-Fachgespräch zusammen. Gemeinsam haben sie klimabezogene Themen, die im Zusammenhang mit Arbeitsschutz und Normung stehen, ermittelt und gruppiert:
Klimaschutz und neue Energien
- Im Zusammenhang mit der E-Mobilität wurde besonders die Bedeutung von sicheren Batterien betont. Hier müsse Expertise in den Bereichen Lebenszyklus, Recycling und Zustandsüberwachung auf- und ausgebaut und in Normung und Regelsetzung eingebracht werden.
- Bei Windkraftanlagen haben die Teilnehmenden das sichere Produzieren und Recyceln der Rotorblätter als arbeitsschutzrelevante Themen identifiziert.
Auswirkungen des Klimawandels
- Persönliche Schutzausrüstung (PSA) ist kein neues Thema, verlangt aber bedingt durch den Klimawandel neue Aufmerksamkeit. Stärkere Sonneneinstrahlung erfordert eine höhere UV-Beständigkeit von PSA, stärkeres Schwitzen macht Wasserdampfdurchlässigkeit beispielsweise von Kleidung und Schuhen besonders notwendig. Der Arbeitsschutz muss sich dafür einsetzen, bestehende Normen an veränderte Umgebungsbedingungen anzupassen, z. B. indem Prüfungen für PSA einen größeren Temperaturbereich abdecken. Gleichzeitig kommen neue Themen wie z. B. Kühlwesten auf. Hier muss zunächst eine wissenschaftliche Grundlage geschaffen werden, die dann in Normen einfließen kann. Zudem sollen nachhaltige Materialien für PSA eingesetzt oder deren Verwendungszeitraum verlängert werden. Das ist aus Sicht des Arbeitsschutzes allerdings nur dann vertretbar, wenn die Sicherheit weiterhin uneingeschränkt gewährleistet ist.
- Bei Gebäuden oder Räumen müssen während der Planung oder Sanierung Aspekte wie die Dämmung oder die Hagelsicherheit von Dächern einbezogen werden, um Beschäftigte zu schützen. Ein wichtiges Beispiel sind Tagesunterkünfte auf Baustellen (Container, die von Beschäftigten beispielsweise in Pausen aufgesucht werden können).
- Zum Schutz vor UV-Strahlung und Hitze gibt es innovative Lösungsvorschläge, die auf ihre Tauglichkeit für den Arbeitsschutz untersucht werden müssen. Dazu zählen z. B. mobile Beschattungssysteme, von Drohnen gehaltene Planen sowie die Begrünung von Gebäuden oder mobilen Wänden. Möglichen Verbesserungsbedarf gibt es aus Arbeitsschutzsicht in der Normung bei einem Prüfverfahren für Sonnencreme. Dieses geht aktuell von einer hohen Auftragsschicht auf der Haut aus, die in der Praxis normalerweise nicht erreicht wird.
- Messmethoden zum Klimasummenmaß, das die durch verschiedene Einflussgrößen bedingte thermische Beanspruchung des Menschen in einem Zahlenwert zusammenfasst, sind für den Innenbereich bekannt und in der Normung etabliert. Aus Arbeitsschutzsicht sollte eine vergleichbare Methode für das Arbeiten im Außenbereich formuliert werden.
- Nicht heimische oder eine erhöhte Anzahl von Mücken und anderen Vektoren erfordern technische Maßnahmen, z. B. Ventilatoren, um Beschäftigte vor ihnen zu schützen.
Nachhaltigkeit von Produkten, Bauwerken, Prozessen
- Der Grundgedanke der Kreislaufwirtschaft stellt neue Herausforderungen auch an den Arbeitsschutz: Reparierbarkeit, Nachhaltigkeit, Qualitätsstandards, Recyclingfähigkeit von Produkten oder die Sicherheit von Recycling-Prozessen. Dabei ist immer der mögliche Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Sicherheit zu betrachten. Aus Arbeitsschutzsicht muss die Sicherheit an erster Stelle stehen.
- Die Ausweitung der Rolle des digitalen Produktpasses (DPP), der unter anderem Informationen über Gefahrstoffe in Produkten enthalten kann, wurde in der Zwischenzeit von der Europäischen Kommission aufgegriffen. Die EU-Kommission plant, den DPP künftig für zahlreiche Produktgruppen verpflichtend zu machen, u.a. für Maschinen. Über den DPP könnten auch für den Arbeitsschutz wichtige Informationen bereitgestellt werden, z. B. zu Sicherheitsmaßnahmen bei Recyclingprozessen.
Von der Themensammlung zur Umsetzung
Die KAN hat aus den Ergebnissen des Fachgesprächs Schwerpunkte und erste Ansatzpunkte für ihre Arbeit abgeleitet:
- Die KAN wird sich in Zukunft in verschiedenen Gremien engagieren, die sich mit der Sicherheit von Wasserstofftechnologien beschäftigen.
- Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüft die KAN die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tagesunterkünfte auf Baustellen. Wichtige Themen sind die Isolierung gegen Hitze und Kälte und die Klimatisierung der Container. Gegebenenfalls können in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten Anforderungen abgeleitet und in einer Norm verankert werden.
- Die KAN plant, gemeinsam mit den Fachleuten des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zu prüfen, wie Norm-Vorschläge zum Klimasummenmaß im Außenbereich auf den Weg gebracht werden könnten.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Normen zu den oben genannten Themen zahlreicher werden. Umso wichtiger ist es für den Arbeitsschutz, sich frühzeitig unter den interessierten Kreisen abzustimmen und auszuloten, in welchen Bereichen ein Engagement besonders notwendig ist.
Katharina von Rymon Lipinski
vonrymonlipinski@kan.de