KANBrief 2/23

Durchführungsrechtsakte – ein Instrument zur einheitlichen Durchführung von EU-Rechtsvorschriften

Für die Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften haben die Mitgliedstaaten die Hauptzuständigkeit. In festgelegten Bereichen kann die Europäische Kommission oder der Rat Durchführungsrechtsakte erlassen, um eine einheitliche Umsetzung gewährleisten.

Um sicherzustellen, dass EU-Rechtsvorschriften einheitlich angewendet und umgesetzt werden, ist die Kommission – und in Sonderfällen auch der Rat – befugt, Durchführungsrechtsakte zu erlassen. Dadurch soll zudem aktuellen Entwicklungen Rechnung getragen werden können, die sonst eine Überarbeitung bereits verabschiedeter Rechtsvorschriften erforderlich machen würden.

Durchführungsrechtsakte können nur in Bereichen erlassen werden, in denen einheitliche Bedingungen für die Umsetzung notwendig sind. Hierzu gehören u.a. der Schutz der Gesundheit oder die Sicherheit von Menschen. Außerdem muss in der betreffenden Rechtsvorschrift festgelegt sein, dass ein Durchführungsrechtsakt erlassen werden darf. Dabei werden auch die konkreten Ziele und Anforderungen dieses Instruments festgelegt. Auch wenn in den meisten Fällen die Befugnis zum Erlass von Durchführungsrechtsakten der Kommission übertragen wird, kann diese in begründeten Sonderfällen sowie in den in Artikel 24 und 25 des Vertrages der Europäischen Union vorgesehenen Fällen (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) dem Rat übertragen werden.

Durchführungsrechtsakte können in unterschiedlicher Weise eingesetzt werden, zum Beispiel:

  • um Rahmenbedingungen für eine einheitliche Umsetzung von Rechtsvorschiften festzulegen (z. B. Grenzwerte für chemische Stoffe in Spielzeugen mit einem hohen Expositionsgrad, Richtlinie 2009/48/EG)
  • bei Schutzklauselverfahren als Entscheidung, ob eine national getroffene Maßnahme zur Umsetzung einer Rechtsvorschrift gerechtfertigt ist oder nicht (z. B. Art. 71 Kommissionsvorschlag einer Bauprodukteverordnung COM(2022) 144; Art. 64 Kommissionsvorschlag einer Ökodesign-Verordnung COM(2022) 142)
  • als Grundlage für den Erlass von gemeinsamen Spezifikationen (common specifications) (z. B. Artikel 20 des aktuellen Textentwurfs der Maschinenverordnung, vom Europäischen Parlament und Europäischen Rat angenommener Entwurf; rechtlich verbindlich erst nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU).

Verfahren für den Erlass von Durchführungsrechtsakten

Gemäß Artikel 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union legen das Europäische Parlament und der Rat in der Rechtsvorschrift im Voraus allgemeine Regeln und Grundsätze fest, nach denen die Mitgliedstaaten kontrollieren, in welchem Umfang die Kommission von ihren Durchführungsbefugnissen Gebrauch macht. Ergänzt wird dies durch die Verordnung (EU) Nr. 182/2011 über das Ausschussverfahren.

Nach diesem sogenannten Komitologieverfahren wird bei der Erstellung von Durchführungsrechtsakten eine Sachverständigengruppe konsultiert. Dieser Ausschuss setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen. Dadurch ist es diesen möglich, sich in die Annahme eines Durchführungsrechtsaktes einzubringen. Dieses Verfahren ist allerdings nicht für alle Durchführungsrechtsakte vorgeschrieben: In bestimmten Fällen, wie der Zuteilung von Finanzhilfen unterhalb einer bestimmten Höhe, kann die Kommission Durchführungsrechtsakte ohne Konsultation eines Ausschusses erlassen.

Im Rahmen der Agenda für eine bessere Rechtssetzung (Better Regulation: guidelines and toolbox) wurde außerdem festgelegt, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Interessensträger innerhalb von vier Wochen ihre Anmerkungen einbringen können, bevor der Ausschuss über den Durchführungsrechtsakt entscheidet. Die Diskussionen des Ausschusses werden zusammengefasst und im Komitologieregister veröffentlicht. Während das Europäische Parlament und der Rat bei delegierten Rechtsakten (siehe unten) ausdrücklich zustimmen müssen, haben sie beim Erlass von Durchführungsrechtsakten lediglich Informations- und Überprüfungsrechte. Das Überprüfungsrecht sieht vor, dass das Parlament und/oder der Rat einen Durchführungsrechtsakt zurückweisen können, sofern dieser über die in der Rechtsvorschrift erlassene Befugnis hinausgeht. Eine explizite Zustimmung ist nicht erforderlich.

Durchführungsrechtsakte in der Maschinenverordnung

In der neuen Maschinenverordnung kommt den Durchführungsrechtsakten eine wichtige Rolle zu. Der Textentwurf, welcher kürzlich vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat angenommen wurde, sieht in Artikel 20 vor, dass die Kommission im Notfall – falls die Europäischen Normungsorganisationen keine geeigneten Normen für die Harmonisierung vorschlagen – befugt ist, mittels Durchführungsrechtsakten für die wesentlichen Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen gemeinsame Spezifikationen (common specifications) festzulegen. Das genaue Verfahren ist allerdings noch unklar. So stellt sich nicht zuletzt die Frage, wie die fachliche Expertise und die angemessene Beteiligung aller interessierten Kreise beim Erlass etwaiger Durchführungsrechtsakte gewährleistet werden kann.

Katharina Schulte
schulte@kan.de

Delegierte Rechtsakte

Neben Durchführungsrechtsakten kann die Europäische Kommission auch delegierte Rechtsakte erlassen, um Rechtsvorschriften zu konkretisieren. Was die beiden Instrumente unterscheidet, lesen Sie im KANBrief 4/22.