KANBrief 2/23
Exoskelette können Beschäftigte bei bestimmten Bewegungen oder Körperhaltungen unterstützen. Seit etwa zwei Jahren arbeiten mehrere Arbeitsgruppen des DIN daran, Eigenschaften, ergonomische Anforderungen und Prüfverfahren für Exoskelette zu normen.
Exoskelette sind am menschlichen Körper getragene technische Systeme. Durch die mechanische Kopplung und Interaktion mit dem Menschen können sie definierte Bewegungen bzw. Körperhaltungen unterstützen. So erleichtern einige beispielsweise das Heben von Lasten, indem die einwirkenden Kräfte teilweise am unteren Rücken vorbei geleitet werden. Andere Exoskelette können insbesondere bei länger andauernden Arbeiten über Schulterniveau die Arme der Beschäftigten unterstützen und somit den Schulter- und Nackenbereich entlasten. Personen, die Exoskelette nutzen, sollen so weniger belastet und resultierende Gesundheitsgefahren verringert werden in Fällen, in denen sonstige Maßnahmen nicht greifen.
Der Einsatz von Exoskeletten an Arbeitsplätzen ist aktuell immer noch nicht sehr verbreitet. Die Entwicklung schreitet dennoch voran, und somit wächst auch die Anzahl der auf dem Markt verfügbaren und für unterschiedliche Zwecke einsetzbaren Exoskelette stetig. Neben dem weiteren Forschungsbedarf, insbesondere zur Langzeitwirkung von Exoskeletten, besteht auch ein Bedarf an Normen. In diesen Normen könnten allgemeine, sicherheitstechnische und ergonomische Anforderungen an das Produkt sowie Empfehlungen zur Entwicklung und Prüfung von Exoskeletten formuliert werden. Die in den Normen festgelegten Anforderungen verschaffen Klarheit über die Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten von Exoskeletten.
Die Normungsarbeit zu Exoskeletten hat in Deutschland im Januar 2021 mit der Einrichtung des Gemeinschaftsausschusses NA 023-00-08 GA Exoskelette bei DIN begonnen. Der federführende Normenausschuss Ergonomie arbeitet in dem Gemeinschaftsausschuss mit dem NA Maschinenbau (Robotik) und dem NA Feinmechanik und Optik (Orthopädietechnik) zusammen. Es gibt eine breite Beteiligung aus verschiedenen interessierten Kreisen. Beteiligt sind unter anderem Vertreter aus Wissenschaft und Forschung, der gesetzlichen Unfallversicherungsträger, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), der betrieblichen Arbeitnehmervertretung und verschiedener Betreiber. Ein Vertreter der KAN-Geschäftsstelle arbeitet ebenfalls im Gremium mit und unterstützt die Arbeitsschutzkreise.
Der NA 023-00-08 GA Exoskelette hat drei Arbeitsgruppen eingerichtet. Die Arbeitsgruppe „Struktur und Terminologie“ hat einen Vorschlag zur Klassifizierung von Exoskeletten erarbeitet. Demnach lassen sich Exoskelette in die Einsatzbereiche Medizin, Gewerbe, Militär und private Anwender unterteilen. Bei der Klassifizierung wird unterschieden in die Art der Unterstützungswirkung (z. B. Bewegungen erleichtern oder stabilisieren), die Art des Antriebes (z. B. angetrieben oder nicht angetrieben), der unterstützten Körperregion (z. B. unterer Rücken oder Schulter- und Nackenbereich) und in ihrer äußeren Gestalt und Struktur (z. B. starre oder weiche Elemente). Darüber hinaus hat diese Arbeitsgruppe Vorschläge für die Definition wesentlicher Begriffe im Zusammenhang mit Exoskeletten formuliert.
Die Arbeitsgruppe „Wirksamkeit und Vergleichbarkeit“ befasst sich einerseits mit der Festlegung von Exoskelett-Parametern und Testszenarien, die eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Exoskeletten gewährleisten sollen. Als Parameter für die Vergleichbarkeit können beispielsweise das Eigengewicht, die benötigte Zeit für das An- und Ablegen und die Akkuleistung dienen. Bei der Festlegung von Testszenarien können bestimmte Funktionen oder Tätigkeiten wie z. B. das Gehen, Sitzen oder Treppensteigen mit Exoskelett überprüft werden. Andererseits befasst sich die Arbeitsgruppe mit standardisierten Messverfahren, welche die Wirksamkeit der Exoskelette im Fokus haben. Sie nennt verschiedene Messverfahren, wie beispielsweise Elektromyographie (EMG), Motion Capture oder Kraftmessungen, mit denen die Wirksamkeit von Exoskeletten überprüft werden kann.
Die dritte Arbeitsgruppe „Physische Schnittstelle“ erarbeitet Festlegungen und Entwürfe für Normtexte, die sich mit der Schnittstelle Mensch-Exoskelett befassen. Da über diese Schnittstelle Kräfte auf Weichteile des menschlichen Körpers wirken, ist die ergonomische Gestaltung der Schnittstelle von besonderer Bedeutung. Sie muss so ausgelegt sein, dass zu hoher Druck vermieden wird. Aber auch mechanische Gefährdungen, z. B. Quetsch- und Scherstellen, müssen betrachtet und vermieden werden. Nicht zuletzt spielt auch das Thema Hygiene bei der Schnittstelle Mensch-Exoskelett eine wichtige Rolle. Daher werden auch Festlegungen getroffen, die sich mit der Reinigung und Pflege der Elemente des Exoskeletts befassen, die unmittelbaren Kontakt zur Haut des Menschen haben können.
Das Ziel des NA 023-00-08 GA Exoskelette ist es, die erarbeiteten Festlegungen, Projektvorschläge und Textentwürfe in die europäische Normung einzubringen. Entsprechende Gremien sind jedoch noch nicht vorhanden. Aus diesem Grund steht die deutsche Seite mit anderen europäischen Ländern in Kontakt und regt die Einrichtung europäischer Normungsgremien zum Thema Exoskelette an. Sollten genügend Länder Interesse an der Mitarbeit bekunden, ist die Einrichtung für 2024 geplant.
Ralf Schick, Leiter Sachgebiet Physische Belastungen der DGUV
r.schick@bghw.de