KANBrief 2/23

Normung in der additiven Fertigung

Mit der Verbreitung von additiven Fertigungsverfahren, umgangssprachlich 3D-Druck genannt, steigt die Notwendigkeit, Normen zu entwickeln. Insbesondere auf ISO-Ebene gibt es aktuelle Entwicklungen, die den Arbeitsschutz betreffen.

Additive Fertigungsverfahren werden zunehmend eingesetzt, um passgenaue Bauteile herzustellen. Dabei ist additive Fertigung ein Sammelbegriff, der alle Verfahren einschließt, bei denen eine Maschine Material Schicht für Schicht aufträgt. Je nach Anwendungszweck werden verschiedene Technologien und Ausgangsmaterialien verwendet. Mit jedem dieser Rohstoffe und jeder dieser Technologien gehen eigene Gefährdungen für Beschäftigte einher.

Es braucht konkrete Normvorgaben

Die EN ISO 121001 enthält als Typ A-Norm unter der Maschinenrichtlinie wesentliche und verallgemeinerbare Anforderungen zur Risikobeurteilung und -minimierung, die für sämtliche Arten von Maschinen gelten. Im Bereich der additiven Fertigung existiert aktuell noch keine Norm, die als Typ-C-Norm detaillierte Anforderungen zu einzelnen Maschinentypen festlegt. Entsprechende Maschinen haben aber längst ihren Weg in die Produktionshallen gefunden. Daher ist es zu begrüßen, dass sich nun mit der EN ISO/ASTM 52938-12 ein erster möglicher Kandidat in Erarbeitung befindet. In dem Dokument werden Sicherheitsanforderungen für Maschinen definiert, die einen Laserstrahl und ein Pulverbett mit metallischem Pulver verwenden. Ziel der europäischen Akteure im ISO-Gremium ist es, dass diese Norm mit der EU-Maschinenrichtlinie konform gestaltet und unter dieser gelistet wird. Die KAN-Geschäftsstelle hat sich an der Erarbeitung des Norm-Entwurfs beteiligt, um dieses Anliegen zu unterstützen. Das Dokument befindet sich in der öffentlichen Umfrage und kann über das Normentwurfsportal von DIN eingesehen werden. Hier können alle interessierten Kreise Kommentare zum Text abgeben, möglichst bis zum 01. Juli 2023.

Normungsdokumente zum betrieblichen Arbeitsschutz

Über die Produkt- beziehungsweise Maschinensicherheit hinaus gibt es bei verschiedenen Organisationen Bestrebungen, auch betriebliche Arbeitsschutzaspekte in Normen und normenähnlichen Dokumenten festzuhalten. Betrieblicher Arbeitsschutz ist in Deutschland im detaillierten Regelwerk des Staates und der Unfallversicherungsträger festgelegt, weshalb die in der KAN vertretenen Kreise nur in Ausnahmefällen Normen in diesem Bereich befürworten. Es ist jedoch nicht immer durchsetzbar, jede dieser Bestrebungen aufzuhalten. In diesen Fällen ist es wichtig, diese Prozesse zu begleiten, um zumindest fachlich vertretbare Dokumente zu erreichen.

Zum Beispiel zeigen die VDI-Richtlinien der 3405-6er Reihe3 die Gefährdungen im Zusammenhang mit bestimmten additiven Fertigungsverfahren auf. Sie enthalten keine eigenen betrieblichen Anforderungen, sondern sind auf Initiative der KAN gewissermaßen als Leitfäden für die Anwendung des hierfür geltenden Vorschriften- und Regelwerks des Staates und der Unfallversicherungsträger konzipiert. Dieser Ansatz führt zu einer hohen Kohärenz des Regelwerks und ist zudem benutzerfreundlich.

Auch international gibt es sehr großes Interesse an Normen zum betrieblichen Arbeitsschutz für additive Fertigungsverfahren. An der Erarbeitung der ISO/ASTM 529314 über „allgemeine Grundsätze für die Verwendung metallischer Materialien“ bei additiven Fertigungsverfahren am Arbeitsplatz hat sich die KAN-Geschäftsstelle daher ebenfalls beteiligt. ISO hat die Norm Anfang 2023 veröffentlicht. Sie wurde im parallelen Abstimmungsverfahren auch als europäische Norm angenommen und wird somit in Kürze zwangsläufig auch ins deutsche Normenwerk übernommen. Die KAN-Geschäftsstelle hat sich dafür eingesetzt, dass in der Einleitung des Dokuments sowie an weiteren geeigneten Stellen auf das national geltende Regelwerk hingewiesen wird. Es ist zu erwarten, dass in Kürze die Arbeiten an einem weiteren, vergleichbaren Dokument beginnen, voraussichtlich für polymerbasierte additive Fertigungsverfahren.

Arbeitsschutzexperten sind gefragt!

Grundsätzlich ist es notwendig, aktiv bei der Erarbeitung der relevanten Normen mitzuwirken, um ein hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Nur so gibt es die Möglichkeit, die Dokumente im Sinne des Arbeitsschutzes zu gestalten und möglichen Problemen von vornherein vorzubeugen. Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen nur wenige etablierte Standards existieren, wie eben der additiven Fertigung. Die KAN-Geschäftsstelle wird die Normung in der additiven Fertigung weiterhin begleiten. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn sich weitere Arbeitsschutzfachleute ebenfalls stärker in diesem neuen Normungsfeld engagieren, insbesondere wenn sie mit den entsprechenden Maschinen aus der Praxis vertraut sind. Ihr Erfahrungswissen hat einen hohen Wert und kann bei der Entwicklung weiterer Typ-C Normen entscheidend sein. National zuständig ist bei DIN der Fachbereich Additive Fertigung im Normenausschuss Werkstofftechnologie (NWT).

Nicola Helfer
helfer@kan.de

1 EN ISO 12100:2011-03 „Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung“
2 E DIN EN ISO/ASTM 52938-1 „Additive Fertigung von Metallen – Umwelt, Gesundheit und Sicherheit – Teil 1: Sicherheitsanforderungen für PBF-LB-Maschinen“
3 VDI 3405 „Additive Fertigungsverfahren – Anwendersicherheit beim Betrieb der Fertigungs­anlagen“ Blatt 6.1:2019-11 „Laser-Strahlschmelzen von Metallpulvern“; Blatt 6.2:2021-04 „Laser-Sintern von Kunststoffen“; Blatt 6.3 – Entwurf:2022-02 „Harzbasierte Fertigungsverfahren“
4 ISO/ASTM 52931:2023-01 „Additive Fertigung von Metallen – Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit – Allgemeine Grundsätze für die Verwendung metallischer Materialien“

Normenhierarchie im Bereich der Maschinensicherheit

Typ-A-Norm: Sicherheitsgrundnorm, die Grundbegriffe, Gestaltungsleitsätze und allgemeine Anforderungen für sämtliche Arten von Maschinen enthält. Es gibt nur eine einzige Typ-A-Norm, die EN ISO 12100.

Typ-B-Norm: Sicherheitsgruppennorm. Sie behandelt bestimmte Sicherheitsaspekte (Typ-B1-Normen),
z. B. Sicherheitsabstände und Oberflächentemperatur, oder Schutzeinrichtungen (Typ-B2-Normen) wie Zweihandschaltungen oder Verriegelungen.

Typ-C-Norm: Produktnorm, die detaillierte Sicherheitsanforderungen für eine spezifische Maschine oder Maschinengruppe festlegt.