KANBrief 1/22
Small Business Standards (SBS) ist eine europäische Non-Profit-Organisation, die die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Normungsprozess auf europäischer und internationaler Ebene vertritt. Die Generalsekretärin Maitane Olabarria Uzquiano erklärt, wie SBS die KMU unterstützen kann und welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen.
Durch die Anerkennung gemäß Anhang III der Normungsverordnung hat SBS einen leichteren Zugang zur Facharbeit und zu den Leitungsgremien der europäischen Normungsorganisationen, insbesondere CEN und CENELEC. KMU und vor allem Kleinstunternehmen sind in der Normung nach wie vor unterrepräsentiert. Dadurch werden Normen ihren besonderen Bedürfnissen unter Umständen nicht gerecht oder belasten sie unverhältnismäßig stark. Indem wir KMU-Sachverständige in die einschlägigen Normenausschüsse und Arbeitsgruppen entsenden, versuchen wir sicherzustellen, dass Normen die Bedürfnisse der KMU besser berücksichtigen. 2022 planen wir, 67 Experten in mehr als 75 technische Ausschüsse zu entsenden. Durch unsere Mitarbeit in den geschäftsführenden und politischen Gremien der europäischen Normungsorganisationen können wir außerdem Einfluss auf deren Regeln und Strategien nehmen, um die wirkungsvolle Beteiligung von KMU zu erleichtern.
Die Anerkennung auf Grund der Verordnung ermöglicht es uns auch, auf EU-Ebene als Beobachter am Ausschuss für Normen teilzunehmen und dort die KMU-Perspektive in die Diskussion über Normungsaufträge und normungspolitische Maßnahmen einzubringen.
Unsere Arbeit besteht zudem zu einem großen Teil darin, Aufmerksamkeit für die Normung zu schaffen, KMU und KMU-Verbände über Möglichkeiten der Beteiligung zu beraten und Informationen über Entwicklungen in der Normung zu verbreiten.
Genau das ist eine der Schwierigkeiten, mit denen wir bei SBS konfrontiert sind: KMU gibt es in fast jedem Wirtschaftszweig, und gleichzeitig nimmt jedes Jahr die Zahl der Normen zu, die neu erarbeitet oder überarbeitet werden. Vor gut einem Jahr haben wir daher eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, welche Bereiche der Normung für KMU entscheidend sind. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Themen rund um den digitalen Wandel und die Nachhaltigkeit für europäische KMU zu den zehn wichtigsten Themen der Normung gehören. SBS hatte die Themen in diesem Bereich letztes Jahr bereits verstärkt verfolgt. Künftig werden wir uns noch stärker der horizontalen Normung widmen, etwa im Bereich Managementsysteme, Kreislaufwirtschaft und datengetriebene Wirtschaft. Horizontale Normen können in einigen Branchen unerwünschte Folgen für KMU haben, wenn wir hier nicht durchgängig am Ball bleiben.
Die Einbindung aller Interessengruppen ist ein Grundprinzip der Verordnung 1025/2012 und des europäischen Normungssystems. Außerhalb Europas ist dies nicht der Fall. Die Bedingungen für die Beteiligung an der internationalen Normung sind anders, insbesondere was den Zugang für Anhang-III-Organisationen betrifft. Um beispielsweise bei ISO und IEC Zugang zu Dokumenten zu erhalten und in vollem Umfang an den Sitzungen der Technischen Ausschüsse und Arbeitsgruppen teilnehmen zu können, muss eine Kooperationsvereinbarung (liaison agreement) geschlossen werden. Dieses Verfahren dauert mehrere Monate, so dass SBS unter Umständen an wichtigen Phasen der Normerarbeitung nicht mitwirken kann. Darüber hinaus können SBS und die anderen Anhang-III-Organisationen nicht in den Lenkungsgremien von ISO und IEC mitarbeiten. Das macht es schwieriger, Informationen über neue Entwicklungen in der Normung zu erhalten.
Mangelnde Ressourcen sind ein weiteres großes Hindernis für die Beteiligung von KMU. Die Mitwirkung an der internationalen Normung ist schwieriger als auf nationaler oder EU-Ebene. Wenn die EU bestrebt ist, ihren Einfluss in der internationalen Normung zu erhöhen, sollte sie die notwendigen Ressourcen bereitstellen und konkrete Maßnahmen ergreifen, um den Zugang und die Beteiligung von KMU zu verbessern. Vor diesem Hintergrund begrüßt SBS die kürzlich verabschiedete EU-Normungsstrategie, in der die Notwendigkeit anerkannt wird, die Beteiligung von KMU auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu verbessern. Dies ist ein deutlicher Schritt nach vorne und auch ein Ergebnis der Bemühungen, die SBS in den letzten Jahren unternommen hat.
In den zwei Jahren, in denen ich nun bei SBS tätig bin, habe ich schon viele Erfolge gesehen. Die Arbeit unserer Experten hat zu KMU-freundlicheren Normen geführt. Viele Experten haben an der Normerarbeitung entscheidend mitgewirkt (z. B. bei intelligenten Aufzügen) oder wurden sogar zu Vorsitzenden von Arbeitsgruppen gewählt. Wir haben Instrumente wie den SBS-Kompatibilitätstest für KMU entwickelt, um den Verfassern von Normen zu helfen, die Bedürfnisse von KMU besser zu berücksichtigen. Ich sehe den positiven Trend, dass immer mehr KMU sich der Bedeutung von Normen bewusst werden. Und auch die europäischen Normungsorganisationen haben diverse Maßnahmen ergriffen, um die wirksame Beteiligung von KMU und gesellschaftlichen Interessengruppen zu unterstützen. Verbesserungspotential gibt es aber natürlich immer noch.
Eines unserer Ziele für die Zukunft ist die verstärkte Zusammenarbeit mit ISO und IEC, um die Beteiligung von KMU an der internationalen Normung noch weiter zu fördern. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Entwicklung wirksamer Mechanismen, die uns helfen, relevante Themen und Entwicklungen in der Normung zu erkennen. Und schließlich werden wir die Umsetzung der EU-Normungsstrategie und die angekündigte Überarbeitung der Verordnung über die Europäische Normung genau verfolgen, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der KMU umfassend berücksichtigt werden.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die KMU!