KANBrief 1/20

Durchgeschüttelt auf dem Pedelec

Schlaglöcher, Kopfsteinpflaster, Fahrbahnschwellen: Solche und andere Unebenheiten kennt jeder Fahrradfahrer. Wie stark die durch Unebenheiten erzeugten Vibrationen und Stöße beim Fahrer ankommen, ist unter anderem abhängig von der Konstruktion des Rads. Die KAN setzt sich dafür ein, dass die Vibrationen auch in der Normung berücksichtigt werden. Denn Fahrräder werden in vielen Bereichen als Arbeitsmittel eingesetzt – mit steigendem Anteil an Pedelecs.

Postzusteller, Fahrradkuriere und Fahrradpolizisten verbringen unter Umständen mehrere Stunden täglich auf dem Fahrrad – immer häufiger sieht man sie auch auf Pedelecs. Beim Pedelec unterstützt der Motor, mit einer Nenndauerleistung von max. 0,25 kW, den Fahrer nur solange dieser in die Pedale tritt, und dies bis maximal 25 km/h. Im Alltag spricht man häufig von E-Bikes. Bei der Verwendung der Fahrräder wirken auf die oberen Gliedmaßen (Hand-Arm-Vibrationen) und den gesamten Körper des Fahrers (Ganzkörper-Vibrationen) unterschiedliche Vibrationsbelastungen ein. Untersuchungen des Landesinstituts für Arbeitsgestaltung NRW (LIA.nrw) an Lastenpedelecs (pdf) haben gezeigt, dass insbesondere auf bestimmten Fahrbahnoberflächen, wie Schotter oder Kopfsteinpflaster, Vibrationen entstehen, die die Sicherheit und Gesundheit des Fahrers gefährden können.

Der Arbeitgeber muss bei seiner Gefährdungsbeurteilung die Vibrationen, die bei der Nutzung eines Fahrrads entstehen, berücksichtigen. Je nach Beschaffenheit der Straßen und Benutzungsdauer kann es dann notwendig sein, bei der Beschaffung der Fahrräder auf Modelle mit Dämpfung zurückzugreifen. Hierfür braucht jedoch der Arbeitgeber vergleichbare Vibrationsemissionswerte zu den entsprechenden Fahrrädern.

Pedelecs fallen unter die Maschinenrichtlinie

Pedelecs fallen unter die europäische Maschinenrichtlinie. Sie müssen nach geltendem EU-Recht so konstruiert und gebaut sein, dass Risiken durch Vibrationen gemindert werden. Darüber hinaus müssen Hersteller Angaben über die von der Maschine auf die oberen Gliedmaßen oder auf den gesamten Körper übertragenen Vibrationen zur Verfügung stellen. Dies gilt sowohl für die Betriebsanleitung als auch für Verkaufsprospekte, in denen Leistungsdaten des Pedelecs angegeben werden. Diese Anforderung müsste daher auch in der jeweiligen Produktnorm beschrieben werden. Für Fahrräder ohne elektromotorische Unterstützung fehlt eine solche rechtliche Grundlage.

Normen für Pedelecs

Aktuell gibt es vor allem drei Normen, die für Pedelecs bzw. elektromotorisch unterstützte Räder (EPAC) Anwendung finden:

  • DIN EN 15194 (EPAC – Fahrräder), 2017
  • E DIN EN 17404 (EPAC – Mountainbikes), 2019
  • E DIN 79010 (ein- und mehrspurige Transport- und Lastenfahrräder), 2019

Die Normen zu EPAC-Mountainbikes und zu Transport- und Lastenfahrrädern befanden sich 2019 in der öffentlichen Umfrage. Vibrationen werden in den aktuellen Fassungen der Normen nicht behandelt. In den beiden europäischen Dokumenten werden die Vibrationen im Anhang ZA, der den Zusammenhang zwischen der jeweiligen europäischen Norm und der Maschinenrichtlinie darstellt, als „nicht zutreffend“ eingeordnet.

Das sagt die KAN

Die KAN hat in Zusammenarbeit mit dem LIA.nrw, dem Sachgebiet „Postsendungen“ der DGUV und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) Stellungnahmen zu den beiden Entwürfen eingereicht. In diesen fordert die KAN, dass

  • in den Normen auf technische Möglichkeiten zur Verringerung von Vibrationen eingegangen wird und
  • die maschinenrichtlinienkonforme Angabe der Vibrationen beschrieben wird.

In einer Einspruchssitzung zur Norm über die Transport- und Lastenräder hieß es, dass die Vibrationen nicht vom Pedelec selbst, also vom Motor, sondern von der Benutzung des Pedelecs auf unebenen Untergrund hervorgerufen werden. Daher seien diese nicht anzugeben. Demgegenüber werden im Leitfaden zur Maschinenrichtlinie (Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG;2. Auflage Juli 2017 (pdf) ausdrücklich auch diejenigen Vibrationen, die durch die Bewegung der Maschine auf unebenem Untergrund hervorgerufen werden, in die Bewertung eingeschlossen.

Messnorm fehlt

Eine Hürde für die Umsetzung der Forderung der KAN ist jedoch, dass es bisher noch keine Messnorm für die von Fahrrädern emittierten Vibrationen gibt. Ein normiertes Messverfahren ist jedoch die Voraussetzung für vergleichbare Werte und die anschließende Bewertung von Vibrationsminderungsmaßnahmen.

Die KAN steht auch hierzu im Austausch mit dem zuständigen Normenausschuss. Ziel soll es sein, eine Vibrationsmessnorm zu erarbeiten, auf deren Grundlage die Vibrationsemissionen ermittelt und angegeben werden können.

Dr. Anna Dammann

dammann@kan.de