KANBrief 2/18
Am 12. März 2018 wurde die ISO 45001 (Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung) von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) veröffentlicht. Fassen einige das Erscheinen der Norm unter die Überschrift „A Star is born“, so urteilen andere Betroffene aus Arbeitsschutz und Wirtschaft differenzierter. Die Meinungen über das nun vorliegende Papier gehen deutlich auseinander. Eine gemeinsame Übersetzung für Deutschland, Österreich und die Schweiz wurde im Juni 2018 veröffentlicht.
Schon seit den späten 1990er Jahren haben die ISO und das Britische Normungsinstitut (BSI) diverse Anstrengungen unternommen, die Normung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) zu initiieren. Aber erst im Frühjahr 2013 fand sich bei ISO eine Mehrheit für ein Projektkomitee ISO/PC 283, um auf Grundlage der bekannten britischen Arbeitsschutznorm OHSAS 18001 eine internationale Norm unter britischer Leitung (BSI) vorzubereiten. Schnell zeigte sich, dass eine rein inhaltliche Überarbeitung weder zeitgemäß war noch den geänderten formalen Anforderungen der ISO Rechnung getragen hätte.
Am Normungsprozess beteiligten sich insgesamt 69 nationale Normungsorganisationen als aktive Teilnehmer (participating members). Sie kamen aus europäischen Ländern wie Italien, Frankreich, Deutschland, aus Staaten Nord- und Südamerikas, aber auch aus Australien und Afrika. Ebenfalls anwesend waren Beobachter und Mitglieder anderer ISO-Gremien. Verbindungsorganisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation ILO waren durch eine Grundsatzvereinbarung (Memorandum of Understanding) eng mit dem Erarbeitungsprozess verbunden und konnten daher auch einen besonderen Einfluss auf das Normungsprojekt nehmen – was teilweise zu heftigen Diskussionen auf den Plenarsitzungen führte. Die Zahl der eingegangenen Kommentare belief sich auf fast 10.000, eine Herausforderung für alle Beteiligten.
Als deutsches Spiegelgremium begleitete der DIN-Arbeitsausschuss 175-00-02 „Arbeitsschutzmanagementsysteme“ im Normenausschuss für Organisationsprozesse die Entwicklung. Die dort vertretenen Kreise beschlossen unter anderem die Überführung der ISO 45001 nach deren Veröffentlichung in eine nationale DIN ISO 45001.
Was die formalen Anforderungen und somit den Aufbau angeht, folgt die Norm – wie die aktualisierten ISO-Normen 90012 (ISO 9001:2015, Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen) und 14001 (ISO 14001:2015, Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendungund) – den neuen HLS-Leitvorgaben (High Level Structure) der ISO/IEC-Richtlinien (Annex SL, ISO/IEC Directives, Part 1: Consolidated ISO Supplement – Procedures specific to ISO). Durch diese gemeinsame High Level Structure sollen zukünftig neue bzw. überarbeitete Standards die gleiche Struktur und gleichartige Anforderungen für die übergreifenden Themen haben. Es lag deshalb nahe, bei der Erarbeitung der ISO 45001 eine Harmonisierung mit Qualitätsmanagement- und Umweltmanagementsystemnormen sowie anderen Managementsystemnormen anzustreben.
Im nationalen Vorwort wird unter anderem verdeutlicht, dass die Norm lediglich eine ergänzende Rolle zum europäischen und nationalen Regelwerk im Arbeitsschutz einnehmen kann. Ansonsten beinhaltet die DIN ISO 45001 in Anlehnung an die HLS-Leitvorgaben zehn Kapitel (Anwendungsbereich, Normative Verweisungen, Begriffe, Kontext der Organisation, Führung und Beteiligung der Beschäftigten, Planung, Unterstützung, Betrieb, Bewertung der Leistung, Verbesserung). Im Anschluss folgt als informativer Anhang A eine Anleitung zur Anwendung der Norm.
Inhaltlich ist eine deutliche Verschiebung in Richtung höherer Anforderungen an die Organisationen festzustellen. Die Norm weist – insbesondere im Vergleich zur bekannten OHSAS 18001 – folgende Neuerungen auf:
Berücksichtigung des Kontextes der Organisation (gesetzliche Anforderungen, Bestimmung der relevanten Beschäftigten, Erfordernisse und Erwartungen der Beschäftigten und anderer interessierter Kreise…)
höhere Anforderungen an das Top Management und die Führungskräfte bezüglich ihrer Rolle und Verantwortung im Arbeitsschutz
mehr Arbeitsschutzverantwortung von Unternehmen über die gesamte Lieferkette bei der Verpflichtung von Vertragspartnern, Auftragnehmern und Zulieferern
Betrachtung von Risiken und Chancen bezogen auf die Organisation und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten
stärkere Einbindung von Beschäftigten und deren arbeitsschutzrelevanten Vertretern in das Managementsystem
proaktiver Präventionsansatz
Bei der DIN ISO 45001 handelt es sich um eine Arbeitsschutzmanagementsystemnorm und keine Arbeitsschutznorm. Sie soll keine konkreten Arbeitsschutzanforderungen regeln, wie sie etwa aus der Gesetzgebung oder den Vorschriften der Unfallversicherungsträger bekannt sind – ein Konflikt oder eine Konkurrenz mit deutschen und/oder europäischen Regelwerken darf nicht entstehen.
Uwe Marx
uwe.marx@vbg.de
Eckhard Metze
metze@kan.de